Autor Thema: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?  (Gelesen 16575 mal)

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Offline Arldwulf

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #75 am: 16.05.2012 | 17:42 »
@1of3: Nein, nein - wir verstehen schon durchaus das gleiche darunter. Es ging nur darum dass die von dir beschriebenen Elemente (Hintergrundplot betrifft Spieler nicht direkt und bleibt im Hintergrund, "verborgene" Hintergrundgeschichte der Charaktere, nur teilweise bekannter Hintergrund) viel besser in ein eher von Spieleraktionen getriebenes Spiel passen als in ein von einer weitgehend vordefinierten Story getriebenes Spiel.

Dort können sie sogar hinderlich sein wenn sie nicht vom Spielleiter vorab eingeplant wurden und können stets nur in sehr engem Rahmen verwendet werden. An der Stelle wäre es dann aber auch nicht mehr wirklich wie du es ausgeführt hast "privat" sondern würde in das Gruppenspiel eingebunden.

Genau darauf läuft es eigentlich hinaus: Storytelling erfordert tendentiell eher ein höheres Maß an Offenheit und auch Zusammenarbeit damit die ganzen Rädchen am Ende ineinander greifen und die gewünschte "tolle Story" dabei herauskommt.

Offline Nørdmännchen

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #76 am: 16.05.2012 | 17:51 »
Ich glaube, die Regeln (gerade bei VtM) sollen die Spieler zum Drama hinführen und persönliche Veränderung deutlich machen. Außerdem soll dadurch eine gewisse Stimmung erzeugt werden - z.B. eben der tragische Kampf um die Humanity.

Leider funktionieren die Regeln nicht unbedingt so, wie sich die Autoren das vorgestellt haben. Das ist aber vermutlich der Tatsache geschuldet, dass die Autoren damals auf wenige Erfahrungen mit drama-unterstützenden Mechanismen hatten; außerdem sind das Regeln, die der Immersion entgegenstehen. Allerdings unterstützen sie natürlich in gewisser Weise Barbiespiel.

Hmmm. Gibt es hier jemanden, der die Moral-Regeln der WoD für nützlich erachtet? Benutzt die jemand, wie sie geschrieben stehen?

Persönlich sind mir diese Regeln verschleiert. Ich habe aber im Zuge dieser Diskussion eine alte "Swar1* (Es war einmal...)" heraus geholt, in der ein spannender Artikel aus der Zeit steht: "Liegt Mölln in Mittelerde?" Dort wird die Existenz von Regeln, die die völlige Identifikation mit dem Charakter verhindern, als das wesentliche Kennzeichen des Storytelling propagiert (in etwa Anti-Mary-Sue). Im Sinne der Immersion kann ich mich damals an Diskussionen (im "Trivial-Book/Game-Shop, Hannover" erinnern), in denen der Ansatz formuliert wurde: "Identifiziere Dich mit Deinem Charakter, aber identifiziere Deinen Charakter nicht mit Dir."
Ich würde Bad Horse aber insofern zustimmen, dass diese hohe Ziel in vielerlei Spielrealität (auch in unserer) verpasst wurde. Insbesondere in der oWoD - eine der Erfolgsfaktoren von VtM war mMn die "ich wär so gerne ein Vampir" Romantik... Dennoch gab es den Anspruch hinter den Moralregeln definitiv.
CoC hingegen ist in meinen Augen deutlich erfolgreicher in der Mary-Sue-Prävention; und wird in besagtem Artikel übrigens als ST-Prototyp geführt.

Zur Unwichtigkeit von Regeln im Allgemeinen: ich glaube es gilt zu unterscheiden - Regelmechanik wird nicht als überflüssig sondern als austauschbar empfunden. Zumindest von der Seite vieler Spieler, die wahrscheinlich selbst mit der geringen Wirksamkeit der "Drama-Mechaniken" konfrontiert waren. Ich denke hier wurde das "system doesn't matter" zementiert, dem die Forge so vehement widerspricht. Hier festigt sich auch die Bedeutung der goldenen Regel und der "unaufdringlichen" Mechaniken, die dem Spiel nicht im Weg stehen sollen.


Ich vermute das Dilemma des ST darin, dass ein neuer Anspruch formuliert wurde, ohne dass die Notwendigkeit neuer (mechanischer) Methoden gesehen wurde bzw. werden konnte. (Ich glaube sogar, dass dieser Schritt unvermeidbar war.)
Also zu Beginn steht der Prioritäten-Wechsel: "Unser Spielplatz soll nicht mehr ein Haufen von Herausforderungen auf einem karierten Plan sein, sondern eine dramatisierter Handlungsbogen (AKA Geschichte)." - Hier vermute ich auch die Ursache der Ablehnung von Sandkisten - gerechtfertigt oder nicht.
Dies prallt dann unvermittelt auf die tradierten Spieler- und SL-Funktionen. Der SL verwaltet und stellt den gegebenen Spielplatz dar; die Spieler erfüllen ihn mit Leben. Da der Spielplatz nun aber nicht mehr lokal-organisatorisch ist, sondern kausal-chronologisch, entstehen die Schwierigkeiten. Die Entscheidungen der SC können nicht mehr 100% dem Ursache-Wirkungs-Prinzip folgen. Noch fataler wird dies in dem Moment, da die Regelmechaniken ebenfalls dem Ursache-Wirkungsprinzip folgen möchten.

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Offline Teylen

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #77 am: 16.05.2012 | 18:01 »
Gibt es hier jemanden, der die Moral-Regeln der WoD für nützlich erachtet?
Ja, ich erachte die Moral-Regeln fuer prinzipiell nuetzlich.

Zitat
Benutzt die jemand, wie sie geschrieben stehen?
Wir benutzen sie, innerhalb der Runde, weitesgehend so wie sie da stehen.
Es wird auch in aktuellen Abenteuern explizit auf die Moral-Regeln verwiesen.
[In Dust to Dust sinngemaess "Auch wenn die Kultisten die Charaktere angreifen, bedenken sie das es sich um Menschen handelt und ein Mord/Toetung einen entsprechenden Wurf nach sich zieht"]

Zitat
Und die Anmerkung zum Barbiespiel versteh ich gerade nicht.
Es bezieht sich wohl um die Nutzung der Regeln, des Crunchs sowie des Metaplots zum ausstaffieren / ausschmuecken des Charakters.
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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #78 am: 16.05.2012 | 19:27 »
@1of3: Nein, nein - wir verstehen schon durchaus das gleiche darunter. Es ging nur darum dass die von dir beschriebenen Elemente (Hintergrundplot betrifft Spieler nicht direkt und bleibt im Hintergrund, "verborgene" Hintergrundgeschichte der Charaktere, nur teilweise bekannter Hintergrund) viel besser in ein eher von Spieleraktionen getriebenes Spiel passen als in ein von einer weitgehend vordefinierten Story getriebenes Spiel.

OK. Also zunächst scheint es mir ja zwei Arten von Hintergrundgeschichten zu geben. Die, welche ein Problem für den Charakter sind, und die, welche einfach sind. Typ 2 läd eigentlich zu gar nichts ein. Da sind die Eltern gestorben, der Hund überfahren usw. Hatte ich neulich wieder. Fragte eine Spielerin, ob sie mir die Hintergrundgeschichte ihres Charakters geben dürfe. Meist wolle die niemand lesen, es könnten ja diverse Seiten Fließtext werden. Ich verneinte denn auch, bot aber an, mir gern eine stichpunktartige Liste anzuschauen. Sie so: "Ne, dann ist auch gut." Die Spielerin hat also nicht erwartet, mir Input für das Spiel zu liefern. Es ging ihr eher um eine weitere Ausdrucksform.


Persönlich sind mir diese Regeln verschleiert. Ich habe aber im Zuge dieser Diskussion eine alte "Swar1* (Es war einmal...)" heraus geholt, in der ein spannender Artikel aus der Zeit steht: "Liegt Mölln in Mittelerde?" Dort wird die Existenz von Regeln, die die völlige Identifikation mit dem Charakter verhindern, als das wesentliche Kennzeichen des Storytelling propagiert (in etwa Anti-Mary-Sue). Im Sinne der Immersion kann ich mich damals an Diskussionen (im "Trivial-Book/Game-Shop, Hannover" erinnern), in denen der Ansatz formuliert wurde: "Identifiziere Dich mit Deinem Charakter, aber identifiziere Deinen Charakter nicht mit Dir."
Ich würde Bad Horse aber insofern zustimmen, dass diese hohe Ziel in vielerlei Spielrealität (auch in unserer) verpasst wurde. Insbesondere in der oWoD - eine der Erfolgsfaktoren von VtM war mMn die "ich wär so gerne ein Vampir" Romantik... Dennoch gab es den Anspruch hinter den Moralregeln definitiv.
CoC hingegen ist in meinen Augen deutlich erfolgreicher in der Mary-Sue-Prävention; und wird in besagtem Artikel übrigens als ST-Prototyp geführt.

Entschuldige bitte, Nördmännchen. Ich habe große Probleme dich hier zu verstehen. Dir sind sie "verschleiert" im Sinne von unklar? Inwiefern verhindert da etwas Mary-Sues und was genau verhindert? Mit Spielrealität meinst du jetzt gerade was, anscheinend nicht die Fiktion/den SiS?

Zitat
Ich vermute das Dilemma des ST darin, dass ein neuer Anspruch formuliert wurde, ohne dass die Notwendigkeit neuer (mechanischer) Methoden gesehen wurde bzw. werden konnte. [...]

Ja, also das ist ja quasi der zentrale Kritikpunkt der Forgianer an diesem Spielstil. Ich würd an dieser Stelle jetzt aber gerne erfahren, wie man diesen heutzutage oftmals so verschrienen Stil erfolgreich betreibt.


@Teylen: OK, super! Und warum sind diese Moral-Regeln toll? Wär fein, wenn du uns das erklären könntest.

Offline Bad Horse

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #79 am: 16.05.2012 | 19:37 »
Ich hab von Storytelling-Spielern auch relativ viele "fertige" Hintergrundgeschichten bekommen. Da passiert dann irgendwas, ein Konflikt wird aufgebaut, aber dann gleich wieder aufgelöst. Ab und zu hatte ich sogar den Eindruck, dass die wirklich spannenden und dramatischen Sachen dem Charakter schon vor dem Spiel passiert sind.

Wir haben das Moralsystem früher auch benutzt, aber eigentlich gab es etliche Zankereien, weil SL und Spieler unterschiedliche Auffassungen von moralischem Verhalten hatten. Irgendwann bin ich dazu übergegangen, die Spieler ihre Humanity selbst entscheiden zu lassen, das hat dann besser funktioniert.
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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Offline Arldwulf

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #80 am: 16.05.2012 | 19:45 »
OK. Also zunächst scheint es mir ja zwei Arten von Hintergrundgeschichten zu geben. Die, welche ein Problem für den Charakter sind, und die, welche einfach sind. Typ 2 läd eigentlich zu gar nichts ein. Da sind die Eltern gestorben, der Hund überfahren usw. Hatte ich neulich wieder. Fragte eine Spielerin, ob sie mir die Hintergrundgeschichte ihres Charakters geben dürfe. Meist wolle die niemand lesen, es könnten ja diverse Seiten Fließtext werden. Ich verneinte denn auch, bot aber an, mir gern eine stichpunktartige Liste anzuschauen. Sie so: "Ne, dann ist auch gut." Die Spielerin hat also nicht erwartet, mir Input für das Spiel zu liefern. Es ging ihr eher um eine weitere Ausdrucksform.

Ja, auch wenn das natürlich schwierig zu unterscheiden ist und auch nicht unbedingt von Anfang an getrennt werden kann. Ich hatte auch schonmal einen Spieler der dann meinte sein Charakter habe nunmal Angst zu reiten - steht auch schon in seiner Hintergrundgeschichte. Genauso könnte der mit den getöteten Eltern die Story "aufhalten" wenn er demnächst auf einen Waisenknaben trifft und beschließt: "dem soll es nicht wie mir gehen". Was später mal wichtig wird weiß man halt nicht so recht.

Ich bezog mich aber eher auf deine Aussage zum Thema "Privatheit". Gerade Storytelling lebt natürlich davon möglichst wenig privat zu lassen da es ja um eine gemeinsam erzählte Geschichte geht, egal ob alle gleichberechtigt ausschmücken oder der Spielleiter die Hauptlast trägt. Dabei ist auch Wissen welches Charaktere nicht erworben haben durchaus erlaubt - Visionen, Träume oder gar Cutscenes sind dort ja ein durchaus beliebtes Mittel.

Offline Nørdmännchen

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #81 am: 16.05.2012 | 20:21 »
Entschuldige bitte, Nördmännchen. Ich habe große Probleme dich hier zu verstehen. Dir sind sie "verschleiert" im Sinne von unklar? Inwiefern verhindert da etwas Mary-Sues und was genau verhindert? Mit Spielrealität meinst du jetzt gerade was, anscheinend nicht die Fiktion/den SiS?

Sorry, ich tippe schnell und verworren, grade wenn ich bei der Arbeit bin.  :-[

Verschleiert blieb mir, wie die abstrakte Absicht mit der konkreten Regel umgesetzt werden sollte. Immer dann, wenn ich persönlich versucht habe mit ihnen zu spielen. Ihre Nutzung fiel zu guter Letzt immer unter den Tisch - aufgrund der mangelhaft empfundenen Sinnhaftigkeit...
Das "Verhindern von Mary-Sue" war mein Versuch den Inhalt des genannten Artikels zusammen zu fassen. Bei Bedarf werde ich nochmal wörtlich daraus zitieren. Erklärungsversuch: sinkende Moral-Werte entfernen den Charakter von der Spielbarkeit. Thematisiert wird der Kampf des Charakters gegen seine Entmenschlichung. Wenn ein Spieler versucht ein überidealisiertes (und potentiell übermächtiges) Alter-Ego (sich selbst) in solch einen SC zu projizieren, so soll die in Werte gefasste Moral ihm verdeutlichen: "Du kämpfst dagegen ein Monster zu sein - Du kannst hier keine Wunschträume erfüllen."

"Spielrealität" ist natürlich verwirrend. Ich meine die damalige Situation am Spieltisch, das Verhalten der Spieler im Umgang mit ihren Charakteren (im exemplarischen SSoI ;)). Ich unterstelle manchen meiner ehemaligen Mitspieler und auch mir, dass wir die Charaktere benutzt haben, um mit ihnen Machtfantasien auszuleben, und dass wir dabei unsere Charaktere uns selbst repräsentieren liessen. (Keine Ahnung ob so etwas generell als schlimm angesehen werden kann - Stichwort: Realitätsflucht - aber unser Lippenbekenntnis wollte das Gegenteil.)

Ja, also das ist ja quasi der zentrale Kritikpunkt der Forgianer an diesem Spielstil. Ich würd an dieser Stelle jetzt aber gerne erfahren, wie man diesen heutzutage oftmals so verschrienen Stil erfolgreich betreibt.

Oh, dann verstehe ich Deine Absicht jetzt erst richtig. ;D
Ich wollte übrigens das 90er Storytelling nicht für minderwertigTM oder unproduktiv erklären. Vielmehr verursacht das Dilemma imho, dass der Stil Storytelling uneinheitlich definiert ist*. Die Definitionen erfolgten teilweise proaktiv (der Anspruch) und teils reaktiv, nachdem der Anspruch auf das Geschehen am Tisch traf. Dadurch ist ST für mich weniger klar zu greifen als z.B. OSR oder Storygames. Wahrscheinlich widersprechen meine Ansichten teilweise denen aktueller Storyteller - insofern muss ich nochmal über Deine eigentliche Fragestellung nachdenken.

*Eine meiner alten Herzensangelegenheiten (1989) erklärt z.B. Storytelling sei dem Rollenspiel eng verwandt - aber eben doch etwas Anderes. Spiele der oWoD behaupten hingegen, sie wären Storytelling und auch Rollenspiele.

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #82 am: 17.05.2012 | 10:51 »
OK. Ich versuche mal ein Zwischenfazit:

Beim Storytelling

...stellt der Spielleiter einen Handlungsrahmen bereit und sucht eine Stimmung zu evozieren.
Die Spieler ergänzen diesen Rahmen mit ihren Charakteren und suchen die Stimmung zu erfühlen.
Der Handlungsrahmen kann durchaus auf die Protagonisten zugeschnitten sein.
Spieler versuchen sich dabei möglichst in ihren Charakter zu versenken und ihn plausibel auszuspielen.
Formale Regeln dienen als Startpunkt, um diese Plausibilität zu fördern, und werden im Spielverlauf ggf. ignoriert.
Charaktere werden oftmals vergleichsweise aufwendig vorbereitet und in das Setting eingepasst.

Unterschiede zur OSR:
Spontane Deprotagonisierung findet nicht statt.
Die Welt existiert, um den Protagonisten eine Bühne zu bieten.

Unterschiede zum Storygaming:
Charakterbesitz kommt eine große Rolle zu.
Die Rolle des SLs gilt als feststehend.
Formale Regeln mattern nicht.
Es wird mehr Arbeit im Vorfeld erledigt. (Storygames torpedieren solche Bestrebungen häufig aktiv.)

Passt das so? Was vergessen?

Ich muss sagen, ich fand das Gespräch bis hier her sehr anregend, besonders weil das Storytelling anders als andere Stile nie eine anerkannte Theorie seiner selbst entworfen hat.

Offline Oberkampf

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #83 am: 17.05.2012 | 11:45 »
Ich glaube, auch in der Art der verwendeten Werkzeuge bestehen große Unterschiede.

Die OS(R) verwendet neben der Sandbox auch sehr gerne Zufallstabellen. Nun kann man durchaus begründet behaupten, dass einige alte V:tM-Städte Sandboxen waren, und auch in einigen V:tM- (und uralten DSA-) Abenteuern gab es Zufallstabellen, aber ich habe noch nie erlebt, dass ein Storyteller sowas anwenden würde.

Die Würfelnutzung hat auch ein paar Besonderheiten. Generell wird dem Würfel, wie auch den Regeln, eine sehr geringe Bedeutung zugesprochen, auch wenn Storyteller-Systeme ware Würfelberge und langatmige Würfelmechanismen verwenden: 3d20 bei DSA, die riesigen Pools bei V:tM, die besonders im Kampf hin und hergerollt werden. Der Vorteil eines großen Würfelpools ist natürlich, dass das Ergebnis vorhersehbarer ist als bei einem einzelnen Würfel (Glockenkurve der Wahrscheinlichkeiten vs. lineare Verteilung). Dadurch wird die Story "berechenbarer" - aber selbst das reichte in der Praxis nach meinem Eindruck den Storytellern nicht aus, um ihre Story sicher verlaufen zu lassen.

(Nebenbei: gibts hier auch einen Thread zum Storygaming?)
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Offline Ingo

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #85 am: 19.05.2012 | 00:10 »
Ich hätte Storytelling ganz anders beschrieben. WoD hat für mich nichts mit Storytelling zu tun, eigentlich sehe ich da eher eine Mischung aus Soap-Opera und Märchenerzählung.

Meine sichtweise von Storytelling kommt eher aus der Erzählmethodik. Da ist die Geschichte an sich beiläufig und das Zentrum sind die SCs/NSCs. Es geht um eine dichte Einbindung des Spielers (Zuhörers) anders als der Märchenerzähler, der eine Geschichte erzählt, die unabhängig vom Publikum ist. Beim Storytelling, wie ich es sehe, geht es um die Protagonisten, die Geschichte muß von ihnen erlebt werden.

Railroading ist also bei meiner Sichtweise nicht Storytelling.

Ich nehme mal die Schlagworte von Cristián Gálvez (Storytelling): Bilder, Emotionen, Brücken bauen; und die Wikipedia-Erklärung: "Die Zuhörer werden (beim Storytelling, Anm.) in die erzählte Geschichte eingebunden, damit sie den Gehalt der Geschichte leichter verstehen und eigenständig mitdenken".

Bei mir werden die SCs wichtiger Teil der Geschichte. Die Spieler haben aktiven Einfluß darauf, sie können auf Wunsch auch einen Erzählanteil übernehmen, müssen das aber nicht (und tun das auch eher selten). Wichtig ist, die Atmosphäre, die deutlich spürbar sein sollte (vor allen Dingen bei Horror) und das Gefühl in einer Geschichte drin zu stecken, ein wichtiger Teil zu sein und nicht so einfach heraus zu können.

Es kann natürlich sein, daß es dafür einen anderen Namen im Rollenspiel gibt, aber genau das verstehe ich darunter.
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Offline Oberkampf

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #86 am: 19.05.2012 | 11:07 »
Meine sichtweise von Storytelling kommt eher aus der Erzählmethodik. Da ist die Geschichte an sich beiläufig und das Zentrum sind die SCs/NSCs. Es geht um eine dichte Einbindung des Spielers (Zuhörers) anders als der Märchenerzähler, der eine Geschichte erzählt, die unabhängig vom Publikum ist. Beim Storytelling, wie ich es sehe, geht es um die Protagonisten, die Geschichte muß von ihnen erlebt werden.

Genau dann, wenn die Erzählung von der gesamten Gruppe geleistet wird, wird mMn die Abgrenzung zu Indie-Spielen/Storygaming schwierig. Der einzige Unterschied liegt dann darin, dass die Indies eine Regelmechanik für Erzählrechte liefern, während das Storytelling eine "Klopf auf Holz"-Methode anbieten würde.

Railroading ist also bei meiner Sichtweise nicht Storytelling.

Railroading ist für Storytelling das, was Hack&Slay für OS(R)/Dungeoncrawling ist: der Bruder, der alles falsch verstanden hat.


Es kann natürlich sein, daß es dafür einen anderen Namen im Rollenspiel gibt

Beispielsweise Indie oder Storygaming  ;)
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ErikErikson

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #87 am: 19.05.2012 | 11:19 »
Storytelling scheint unterschiedlich verstanden zu werden.

Einerseits als geschichte, die sich aus den (Motivationen und Hintergründen) der SC (und NSC) entwickelt und anderseits als Märchen, das der SL erzählt.

gemeinsam ist denke ich, das sich eine dramatische geschhichte mit Wendungen, kritischen momenten usw. entwickelt. Unterschied ist die Einbindung der Spieler und SC in diese Story.

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #88 am: 19.05.2012 | 12:59 »
Zitat
Unterschied ist die Einbindung der Spieler und SC in diese Story.

Gar nicht mal unbedingt des SCs würd ich sagen. Man kann den Plot ja einem SC auf den Leib schneidern. Es verbleibt dann also die Frage, inwiefern Spieler und Spielleiter kommunizieren.

ErikErikson

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #89 am: 19.05.2012 | 13:02 »
Stimmt. Dann doch wieder Einfluss des Spielers auf die Story.

Offline Nørdmännchen

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #90 am: 19.05.2012 | 13:32 »
Meine sichtweise von Storytelling kommt eher aus der Erzählmethodik. Da ist die Geschichte an sich beiläufig und das Zentrum sind die SCs/NSCs. Es geht um eine dichte Einbindung des Spielers (Zuhörers) anders als der Märchenerzähler, der eine Geschichte erzählt, die unabhängig vom Publikum ist. Beim Storytelling, wie ich es sehe, geht es um die Protagonisten, die Geschichte muß von ihnen erlebt werden.
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Ich nehme mal die Schlagworte von Cristián Gálvez (Storytelling): Bilder, Emotionen, Brücken bauen; und die Wikipedia-Erklärung: "Die Zuhörer werden (beim Storytelling, Anm.) in die erzählte Geschichte eingebunden, damit sie den Gehalt der Geschichte leichter verstehen und eigenständig mitdenken".

Wie Du schon anmerkst verweist Du wahrscheinlich mehr auf den Begriff des traditionellen Storytelling (der nicht von RSP-Erfahrungen der 90er geprägt wurde). Ich persönlich glaube, dass die Autoren der besagten Systeme (egal ob Prince Valiant, oWoD oder was auch immer) sich daran ebenfalls orientieren wollten. Aus der harten Spielerfahrung am Tisch, hat sich dann mMn eher ein Stil heraus gebildet, den 1of3 recht gut (produktiv) eingefangen hat.

In der Tradition des traditionellen Storytelling (als nicht-RSP-Stil) sehe ich übrigens eher die Campfire-Spiele, wie z.B. tEAo Baron Munchhausen, Polaris oder auch The Committee for the Exploration of Mysteries (auch hier).

Ich lese ja gerne in diesen Spielstil-Definitions-Threads (viel mehr als ich teilnehme  :-[). An einem Campfire-Thread (nach dem "cinematischen") hätte ich persönlich auch Interesse.

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #91 am: 19.05.2012 | 13:41 »
Zitat
An einem Campfire-Thread (nach dem "cinematischen") hätte ich persönlich auch Interesse.

Sehr interessanter und, wie ich meine gelungener, Terminus sowie ein spannendes Vorhaben.

Offline Ingo

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #92 am: 19.05.2012 | 21:28 »
Beispielsweise Indie oder Storygaming  ;)

Ja, gut da kenne ich nur Fudge/Fate wobei das meines erachtens wieder in eine andere Richtung geht.

Wie Du schon anmerkst verweist Du wahrscheinlich mehr auf den Begriff des traditionellen Storytelling (der nicht von RSP-Erfahrungen der 90er geprägt wurde). Ich persönlich glaube, dass die Autoren der besagten Systeme (egal ob Prince Valiant, oWoD oder was auch immer) sich daran ebenfalls orientieren wollten. Aus der harten Spielerfahrung am Tisch, hat sich dann mMn eher ein Stil heraus gebildet, den 1of3 recht gut (produktiv) eingefangen hat.

Ja, durchaus möglich.

In der Tradition des traditionellen Storytelling (als nicht-RSP-Stil) sehe ich übrigens eher die Campfire-Spiele, wie z.B. tEAo Baron Munchhausen, Polaris oder auch The Committee for the Exploration of Mysteries (auch hier).

Ich lese ja gerne in diesen Spielstil-Definitions-Threads (viel mehr als ich teilnehme  :-[).
Ist auch interessant. Ich merke erstmal wieder, daß ich den ein oder anderen Begriff ganz anders definiert hätte. Hätte man mich gefragt, hätte ich immer gesagt, daß ich Storytelling betreibe, aber mit dem hier skizzierten hat das gar nicht so viel zu tun.
Es ist also mal ganz interessant, wie andere die Spielstiele benennen.

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #93 am: 20.05.2012 | 14:34 »
Mir ist noch was eingefallen, was ich eigentlich ziemlich wichtig als Unterscheidungsmerkmal finde (und es erklärt auch noch, warum Storytelling so häufig im Railroading endet): Pacing.

Beim herausforderungsorientierten/Old School-Spiel ist Pacing eigentlich egal. Die Dinge passieren, wenn sie passieren, und nicht, wenn es dramatisch schön wäre. Wenn es die Spieler schaffen, den heftigsten Gegner schon nach einer Stunde zu erschlagen - super, die waren echt gut. Wenn sie zwei Stunden im leeren Dungeon herumsuchen - okay, ist langweilig, aber irgendwann werden sie schon weitergehen.
Natürlich ist auch hier der SL bestrebt, eine gewisse Spannungskurve zu erzeugen (das Bossmonster sitzt am Ende des Dungeons und nicht im ersten Raum), aber wenn die nicht eingehalten wird, macht das eigentlich auch nichts.

Beim Storygaming sorgen zum Einen schon die Regeln für ein gewisses Pacing (es gibt häufig eine festgelegte Anzahl an Szenen, die gespielt wird), andererseits ist gesamte Gruppe dafür zuständig. Eine vorzeitige Begegnung mit dem Hauptkonflikt ist meistens gar nicht möglich oder wird von der ganzen Gruppe als unerwünscht angesehen.
Allerdings ist Pacing auch in einer Storygames-Runde ein schwieriges Thema und häufig einer der Gründe, warum eine Sitzung nicht so ganz rund läuft.

Beim Storytelling ist der SL fürs Pacing verantwortlich. Er muss dafür sorgen, dass der Spannungsbogen gewahrt bleibt und der Hauptkonflikt am Höhepunkt auftaucht.
Das macht es echt schwierig, weil die Spieler eigentlich nur für ihre Charaktere verantwortlich sind und die Charaktere meistens kein Interesse an einem dramatischen Verlauf der Sache haben.
Railroading und Illusionismus wird dann eben von SL eingesetzt, um ein dramatisches, angemessenes Pacing zu erhalten. Das ist vermutlich auch der Hintergrund hinter der Frage "Hab ich den Plot kaputtgemacht?" - es geht vermutlich nicht unbedingt immer um den vorbereiteten Plot, sondern viel mehr um das Pacing der Runde. Ist ja auch klar: Die Spieler, die am Tisch sitzen, sind ja meistens nicht doof und haben auch einen Instinkt dafür, wie eine Geschichte dramaturgisch verlaufen sollte.

Thoughts, anyone?
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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #94 am: 20.05.2012 | 14:56 »
Railroading und Illusionismus wird dann eben von SL eingesetzt, um ein dramatisches, angemessenes Pacing zu erhalten. Das ist vermutlich auch der Hintergrund hinter der Frage "Hab ich den Plot kaputtgemacht?" - es geht vermutlich nicht unbedingt immer um den vorbereiteten Plot, sondern viel mehr um das Pacing der Runde. Ist ja auch klar: Die Spieler, die am Tisch sitzen, sind ja meistens nicht doof und haben auch einen Instinkt dafür, wie eine Geschichte dramaturgisch verlaufen sollte.

Kann man machen, muß man aber nicht.
Railroading ist übrigens nur eines von vielen Werkzeugen und wie immer gibt es sicherlich einen Augenblick, in dem es sinnvoll und gut eingesetzt werden kann. Railroading widerspricht einer offenen Variante des Storytelling (Storygaming) nur dann, wenn es durchgezogen wird.
Ob man sich den Plot "kaputt" machen läßt oder nicht, hat auch gar nichts mit Pacing zu tun, sondern ist eine Frage der Einstellung. Wenn ich keine alternativen Wege akzeptiere, dann geht die Geschichte unter. Bin ich flexibel oder kann ich die Spieler "führen" so gibt es keine Chance, den Plott kaputt zu machen, egal ob ich Railroade oder nicht. Ein Plott der nur eine Richtung hat, aber sich beliebig entwickeln kann ist halt Spielerfest. :)

Übrigens kann man auch beim Storygaming sich den Plot kaputt machen lassen. Wenn einer der Spieler es darauf anlegt und die anderen es zulassen, passiert so etwas.
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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #95 am: 20.05.2012 | 15:06 »
Ist der Unterschied nicht bereits, das es beim Storytelling eine feste Zielvorstellung, d.h. eine "bessere Story" zumindest in einem Kopf gibt, während beim StoryGaming auf Grund der gleichberechtigtenn regeltechnischen  Operation schon auf der geschichtsleitenden Metaebene erst gar nicht diese Vorstellung aufkommt, eine von außen eingebrachte Richtung oder Qualität könnte gegen die Mitspieler durchgesetzt werden, bzw. es gäbe überhaupt erst das Recht dazu?

Die selbsternannten Storyteller damals waren spätestens nach ersten Versuchen schnell wieder von solchen Storygames weg. Dafür kam es eher wieder zu Missionaren, welche mit Storytelling-Phrasen in klassische Rollenspiel-Runden zurückkehren wollten.  
Überhaupt schienen mehrere Storyteller auch nur seltenst gut miteinander auszukommen. Wohl weil es eben keine Übereinstimmung über was den nun "die beste Story" ist gab.
« Letzte Änderung: 20.05.2012 | 15:07 von Maarzan »
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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #96 am: 20.05.2012 | 15:22 »
Railroading ist übrigens nur eines von vielen Werkzeugen und wie immer gibt es sicherlich einen Augenblick, in dem es sinnvoll und gut eingesetzt werden kann. Railroading widerspricht einer offenen Variante des Storytelling (Storygaming) nur dann, wenn es durchgezogen wird.

Entschuldige bitte, Railroading ist so negativ besetzt, dass ich es überhaupt nicht als Tätigkeit beschreiben würde. Railroading ist das Gefühl, dass sich bei Teilnehmern einstellt, die sich in ihrer Teilhabe beschnitten fühlen.

Ein zweiter Punkt: Wolltest du mit der Klammer andeuten, dass Storygaming eine freiere Form des Storytelling ist? Das glaube ich nämlich nicht. Storygaming betreibt viel mehr Regel-Fu. Storygaming ist in gewisser Weise schon fast ein Meta-Spielstil. Man macht halt, was in den Regeln steht. (Selbstverständlich werden ganz bestimmte Regeln bevorzugt.)

Auch meine ich nicht, das Storytelling, wie wir es hier umrissen haben, unfrei ist. Wenn es das ist, wenn sich also beispielsweise jemand gerailroadet fühlt, ist es defizitär.


Das ist vermutlich auch der Hintergrund hinter der Frage "Hab ich den Plot kaputtgemacht?" - es geht vermutlich nicht unbedingt immer um den vorbereiteten Plot, sondern viel mehr um das Pacing der Runde. Ist ja auch klar: Die Spieler, die am Tisch sitzen, sind ja meistens nicht doof und haben auch einen Instinkt dafür, wie eine Geschichte dramaturgisch verlaufen sollte.

Interessante Idee. Sollte das wieder vorkommen, werd ich mal auf Zahn fühlen, ob das gemeint sein könnte.

Offline Ingo

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #97 am: 20.05.2012 | 15:29 »
Entschuldige bitte, Railroading ist so negativ besetzt, dass ich es überhaupt nicht als Tätigkeit beschreiben würde. Railroading ist das Gefühl, dass sich bei Teilnehmern einstellt, die sich in ihrer Teilhabe beschnitten fühlen.

Ja und das ist meiner Meinung nach auch keine gute Art ein Spiel zu leiten.

Ein zweiter Punkt: Wolltest du mit der Klammer andeuten, dass Storygaming eine freiere Form des Storytelling ist? Das glaube ich nämlich nicht. Storygaming betreibt viel mehr Regel-Fu. Storygaming ist in gewisser Weise schon fast ein Meta-Spielstil. Man macht halt, was in den Regeln steht. (Selbstverständlich werden ganz bestimmte Regeln bevorzugt.)
Nein, wollte ich nicht. Oben ist aber auf beiden eingegangen worden und ich denke, daß meine Beschreibung an der Stelle auf beides anwendbar ist, wie unterschiedlich beide Varianten auch sonst sein dürfen.

Auch meine ich nicht, das Storytelling, wie wir es hier umrissen haben, unfrei ist. Wenn es das ist, wenn sich also beispielsweise jemand gerailroadet fühlt, ist es defizitär.
Habe ich auch so nicht verstanden. Ich selbst bin ja Storyteller und sehe das überhaupt nicht als unfrei an. Ich denke, daß es darauf ankommt, wie flexibel man sich gibt, wie ich oben beschrieb.
Und wenn sich jemand gerailroadt fühlt, hat es mit dem Storytelling, wie ich es spielen würde, nichts mehr gemein.

Aber meiner Meinung nach gibt es zwei unterschiedliche Dinge:
Railroading als Spielgefühl (schlecht)
Railroading (im Sinn von lenken) als Werkzeug (wertfrei - gut oder schlecht einsetzbar)

Es mag sein, daß es für die zweite Variante einen anderen Begriff gibt, aber ich kenne ihn nicht und bitte dies zu entschuldigen.

Beste Grüße,
Ingo

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Re: Wie lässt sich Storytelling charakterisieren?
« Antwort #98 am: 20.05.2012 | 15:42 »
Entschuldige bitte, Railroading ist so negativ besetzt, dass ich es überhaupt nicht als Tätigkeit beschreiben würde. Railroading ist das Gefühl, dass sich bei Teilnehmern einstellt, die sich in ihrer Teilhabe beschnitten fühlen. [Hervorhebung von mir.]

Danke, muss ich mir merken - so wird für mich endlich ein Schuh aus dem komischen Begriff.  :D

...Beim herausforderungsorientierten/Old School-Spiel ist Pacing eigentlich egal. Die Dinge passieren, wenn sie passieren, und nicht, wenn es dramatisch schön wäre. Wenn es die Spieler schaffen, den heftigsten Gegner schon nach einer Stunde zu erschlagen - super, die waren echt gut. Wenn sie zwei Stunden im leeren Dungeon herumsuchen - okay, ist langweilig, aber irgendwann werden sie schon weitergehen.

Beim Storygaming sorgen zum Einen schon die Regeln für ein gewisses Pacing (es gibt häufig eine festgelegte Anzahl an Szenen, die gespielt wird), andererseits ist gesamte Gruppe dafür zuständig. Eine vorzeitige Begegnung mit dem Hauptkonflikt ist meistens gar nicht möglich oder wird von der ganzen Gruppe als unerwünscht angesehen.
Allerdings ist Pacing auch in einer Storygames-Runde ein schwieriges Thema und häufig einer der Gründe, warum eine Sitzung nicht so ganz rund läuft.

Beim Storytelling ist der SL fürs Pacing verantwortlich. Er muss dafür sorgen, dass der Spannungsbogen gewahrt bleibt und der Hauptkonflikt am Höhepunkt auftaucht.
Das macht es echt schwierig, weil die Spieler eigentlich nur für ihre Charaktere verantwortlich sind und die Charaktere meistens kein Interesse an einem dramatischen Verlauf der Sache haben.
Railroading und Illusionismus wird dann eben von SL eingesetzt, um ein dramatisches, angemessenes Pacing zu erhalten. Das ist vermutlich auch der Hintergrund hinter der Frage "Hab ich den Plot kaputtgemacht?" - es geht vermutlich nicht unbedingt immer um den vorbereiteten Plot, sondern viel mehr um das Pacing der Runde. Ist ja auch klar: Die Spieler, die am Tisch sitzen, sind ja meistens nicht doof und haben auch einen Instinkt dafür, wie eine Geschichte dramaturgisch verlaufen sollte.

Sehr spannende und erhellende Gedanken! (Vielleicht sogar noch allgemeiner als Pacing: die Erzeugung dramatischer Struktur? - *grübel*) Ich glaube aber, dass die Verantwortung für das Pacing nicht per se beim SL lag - sondern, dass sich grade dort die Unklarheiten in der Definition von ST begründen. Das Geschehen am Tisch (beinahe wäre mir schon wieder "Spielrealität" rausgerutscht) führte zugegebener Maßen oft (meistens?) dazu, dem SL die Zügel zu überlassen. Und vielleicht ist dies dann auch das aktuelle Kriterium für ST...?

Überhaupt schienen mehrere Storyteller auch nur seltenst gut miteinander auszukommen. Wohl weil es eben keine Übereinstimmung über was den nun "die beste Story" ist gab.
Im obigen Sinne richtig. Vor allem gab es keine Übereinstimmung darüber, wie die dramatische Struktur erzeugt wird. 1of3's Frage nach erfolgreichem Storytelling würde sich demnach an dem Konsens über die "Pacing-Hoheit" messen lassen.

Grüße, Henning
»Gute Geschichten sind so gut aufgebaut, daß Lehrer natürlich denken, sie seien vorher geplant,
aber jede Geschichte hätte auch in eine Million andere Richtungen gehen können.«

– Keith Johnstone, Theaterspiele