Und bei dem Punkt Höhepunkt durch Spielleiterplanung, weiss ich nicht genau wie ich die Spieler in diese Entscheidungssituation und Planungsszene bringe, kannst du dazu noch mehr sagen?
Uggh, auch wenn ich damit in die Balancing-Diskussion grätsche, will ich mal versuchen, auf Deine Nachfragen einzugehen. Eigentlich wollte ich schon immer mal was zu dem Thema schreiben. Dann lasse ich hier meiner Egomanie mal freien Lauf. Ich hoffe daher nicht zu sehr ins Schwafeln zu geraten oder alte Szene-Hüte aufzukochen (aber einfach nur eine Linksammlung posten wäre ja auch irgendwie unfreundlich
).
In KürzeGrundhaltung des SLs wäre in meinem Fall der ‘improvisierende Dramaturg’. Ich sehe meine Hauptaufgabe also im spontanen Erzeugen einer dramatischen Struktur. Die Spieler wären demgegenüber die ‘improvisierenden Dramatiker’ und schaffen die eigentliche Handlung. (Die Kategorien mache ich nur zur Verdeutlichung auf, wirklich trennscharf ist die Rollenteilung nicht.)
Also Stichwort Struktur: Ich plädiere für einen relativ klaren Ablauf innerhalb eines ‘Aktes’. Dabei kann ein einzelnes Abenteuer aus einer unterschiedlichen Menge dieser Akte bestehen. (Klassischer Weise drei, bei mir oft vier...)
Aufs Einfachste herunter gebrochen liest sich dieser Ablauf so:
Entscheidungssituation -> Zielsuche -> Herausforderungen -> Höhepunkt -> Wendung -> goto Akt+1: Entscheidungssituation
Der 'Dreiklang' meint einfach eine sehr wirksame Abfolge von drei Wendepunkten, die immer in dieser Reihenfolge auftauchen:
1. Wendung: Hinter dem vermeintlichen Ziel befindet sich eine viel größere Gefahr.
2. Wendung: In der Höhle des Löwen erhalten die SC einen unverhofften "Schatz". (Gabe, Information, Elexier usw.)
3. Wendung: Nachdem sie die größere Gefahr gebannt haben, werden die SC mit der Ausgangssituation konfrontiert und können nun den "Schatz" zum Einsatz bringen.
(Klingt formelhaft, funktioniert zuverlässig...)
Im Zusammenhang einer Kampagne betrachtest Du nun ein einzelnes Abenteuer als einen Akt in der Kampagne. Dies erreichst Du insbesondere dadurch, dass Du dem Finale die Funktion einer Wendung im größeren Kontext verleihst.
Die Zielsuche ist also die Entscheidung der SC. Beim Erreichen dieses Ziels, versuche ich einen Höhepunkt zu erreichen. Es geht also tatsächlich darum, dass die Planung der SC zu den Höhepunkten führt. Als SL plane ich einen Klimax eher selten...
Heldenreise & ArchetypenOK, wenn wir schon bei Cambpell sind: ich glaube auch, dass da einiges an Potential drinsteckt. (Auch wenn ich - mit Verlaub - erbrechen muss, wenn ich weiterhin so viele Film-Trailer zu sehen bekommen, in denen der Monomythos klischee-triefend wortwörtlich ausgelegt wird. Das ist derzeit eine Plage... ernsthaft, ich find’s furchtbar.)
Ganz wie Du sagst: es ist recht vielschichtig und als Instant-Rezept (gute Beschreibung
) mit zunehmendem Verzehr immer unbekömmlicher.
Ich bereite nicht gerne vor... und wenn dann doch, dann am liebsten NSC sowie deren Antriebe und Beziehungen - gefolgt von frei einsetzbaren Objekten und Schauplätzen. (Fiasco? - Keine Ahnung, was ist das?
)
Ein erster Schritt, die Heldenreise im RSP zu Nutzen, ist das Modell der
Archetypen. (Von C.G. Jung über Campbell bis zum übersichtlicheren Modell von Vogler.) Hier kommt das gaaaanz große
ABER:
Ich kenne verschiedene SL-Ratgeber (bzw. Meister-Hinweise), die vorschlagen einzelne NSC konkret als passenden Archetyp zu entwerfen. Das halte ich für eine große Falle, die gerne auch in oben beschimpfte Klischees abdriftet.
Ein Archetyp ist weniger eine konkrete Figur, als vielmehr eine Funktion - in unserem Fall ein dramaturgisches Mittel. Ein Archetyp ist (nach Vogler) eine Maske, die verschiedene Figuren im Laufe des Handlungsbogen aufsetzen können.
Jetzt da das gesagt ist, werde ich weiter unten konkret Archetypen vorschlagen. Immer unter der Prämisse: überlege für alle NSC, welche
verschiedenen archetypischen Funktionen sie erfüllen könnten, und mach Dir eventuell eine entsprechende Notiz. In der konkreten Spielsituation steigt dann die Chance, dass Du unkompliziert die richtige Figur zur Hand hast: “Oh, ich benötige einen Mentor - da wäre doch...”
EntscheidungssituationenMit den Entscheidungssituationen beziehe mich ziemlich direkt auf eine Technik aus der
Forge (berühmt-berüchtigtes Indie-RSP-Forum) bzw. aus
Sorcerer (RSP von Ron Edwards). Der entsprechende Begriff lautet:
Bang. Ich habe ihn oben nicht verwendet, da er erstens nicht jedem bekannt ist und zweitens eine
moralische Entscheidung impliziert. (Ich halte moralische Dilemmata zwar für bereichernd aber nicht als notwendig für ‘Erzählkunst’.)
Lesenswert ist dazu das Spielleiterkapitel aus
Malmsturm (
hier gibt’s das Regelwerk als freies PDF), bzw. dessen Urform: der erste Artikel in
diesem Kassiber. Noch tiefer in die Materie dringt
dieser exzellente Thread aus dem englischsprachigen Story-Games Forum.
Wichtig sind an erster Stelle
SC mit Wertvorstellungen. Jede Hauptfigur sollte Dinge haben, die ihr unbedingt am Herzen liegen. Ziele, Ideale, Schützenwertes usw. Es geht um Sachen, die Opferbereitschaft wecken.
Es wurde ja
grade erst über Gewalt im Rollenspiel diskutiert. Meiner Meinung nach, ist physische Gewalt grade dann (über-)dominant im Spiel, wenn die SC keine klar erkennbaren Werte haben. Als letzte Instanz ist dann das eigene Leben noch immer das, was jedem SC (und seiner/m Spieler/in) am Herzen liegt. Gibt es nichts anderes, so bleibt die Bedrohung von Leib und Leben als das wesentliche Konfliktpotential. Sprich: die Spannungs-Quelle des Handlungsbogens ist Gewalt.
Bitte nicht mißverstehen, ich halte physische Gewalt für eine wesentliche, formende Kraft menschlicher Kultur. Und ich bin schwer dafür zu haben, das auch im Rollenspiel zu thematisieren.
Entscheidungssituationen sind ihrem Kern nach Konfliktsituationen - Zwickmühlen, Dilemmata - nenn es wie Du willst. Du brauchst also Dinge, die den SC etwas bedeuten, um diese in Gefahr zu bringen oder in Frage zu stellen.
Verschiedene Systeme haben solche Flaggen (oder: Flags) inzwischen mit an Bord. Entsprechende Tipps dürftest Du hier im Forum reichlich finden. Ansonsten: Welche NSC bedeuten den SC viel? Welcher Kultur und entsprechenden Ideale haben sie? Was möchten sie noch erreichen?
Solche und ähnliche Fragen kannst Du Dir und vor allem auch Deinen Spielern stellen. Finde heraus, worauf die SC anspringen und bringe Deine Spieler dazu, diese Werte zu kommunizieren. Manchmal klappt das schneller, manchmal wirst Du erst nach diversen Runden wissen, womit Du sie ‘an den Haken’ bekommst. (Leider springen nicht alle Spieler auf selbst festgelegte Ideale an.)
Viele SC haben natürlich auch diverse universelle Werte: Geld horten, das Gesetz vertreten, Prinzessinnen retten, die Enterbten rächen (Du weißt schon...)
In einer Entscheidungssituation tust Du zunächst einmal nichts anderes, als (mindestens) zwei solcher Werte
gegeneinander aufzustellen.
Optimaler Weise...
- ...ist Innaktivität auch eine Entscheidung, die zu Konsequenzen führt.
- ...bergen alle Entscheidungen die Gefahr eines Opfers.
- ...kann, bei möglichst objektiver Betrachtung, keine Entscheidung als richtig bzw. ‘besser’ gelten.
Die SC (ein Mensch, ein Elb und ein Zwerg) sind ausgezogen, um einen Halbling und seine drei Kumpanen bei einer gefährlichen Mission zu unterstützen und zu beschützen. Während der Reise haben sich enge Bande der Freundschaft (tadaa: ein Wert) geknüpft.
In den Wirren eines Kampfes trennt sich besagter Halbling von der Gruppe, da er erfahren musste, dass sein Auftrag auch die Stärksten zu dunklen Taten verleiten kann. Er und sein engster Gefährte schnappen sich ein Boot und setzen an das andere Ufer eines Flusses über. Die anderen beiden Halblinge jedoch...
So langsam ist klar worauf ich hinaus will?
Archetypen für EntscheidungssituationenDer
Herold ist der klassische ‘Überbringer des Aufrufes zur Entscheidung’. Im Zweifel kannst Du sogar zwei Herolde einsetzen, die Unvereinbares von den SC erbitten oder verlangen.
Der
Mentor tritt gerne auch in Personalunion mit dem Herold auf. Die Aufgabe des Mentors in der Entscheidungssituation ist die Verdeutlichung derselben. Teilweise ganz direkt: “Nun, ich denke Ihr müsst einen Weg wählen...” Teilweise als Frage: “Habt Ihr Euch schon überlegt?” Teilweise umständlicher: “Ich werde mich in diese Richtung entfernen, doch Euch bleibt sie verschlossen.”
Ein Sonderfall ist die ‘Wahl durch neue Macht’. Hier stattet der Mentor die SC mit Gaben aus, die sie mächtiger machen. Beispiele: Zauberspruch, Superwaffe, geheime Adressen usw. (Eigentlich verleiht der Mentor seine Gaben
nach der Zielsuche.) Die Entscheidung die gefällt werden muss heißt: “Was tun wir mit dieser Macht?”
Deutlich wichtiger wird der Mentor übrigens bei der Zielsuche...
Ein
Schatten ist eine Figur, die eine reale oder scheinbare Bedrohung ausstrahlt. Wenn ein Wert bedroht wird, ist die Entscheidungssituation auch nicht mehr fern.
Ein
Verbündeter kann seine eigenen Interessen anmelden. Streng genommen wird er damit vorübergehend zum Herold.
Der
Trickster stellt durch seine unkonventionelle Art den Status Quo in Frage. Wenn eine Figur die Umwelt der SC oder deren Wahrnehmung durcheinander wirbelt, ist das oft ein Zeitpunkt, der eine Entscheidung verlangt.
Bevor ich weiter sabbelOK, gut, es wird viel Geschwafel... und mich verlässt die Lust am Tippen. Soll ich demnächst mit der Zielsuche weitermachen? Oder genügt das für’s Erste?