Autor Thema: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?  (Gelesen 35526 mal)

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Wulfhelm

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #75 am: 30.06.2013 | 16:42 »
Übrigens habe ich ad&d gespielt und die eine Minute als Kampfrunde fand ich fürchterlich. Ich selbst habe die Regelbücher nicht gewälzt, aber meine Mitspieler haben mir keine bildliche Darstellung liefern können, was in dieser Minute passieren soll.
Mach Dir nix draus, das konnte das System selber auch nicht.  >;D
In ihrem Spielbeispiel haben die Autoren explizit das typische "Jetzt entscheide Dich innerhalb von Sekunden oder Deine Aktion diese Runde verfällt" als wünschenswertes Spielleiterverhalten dargestellt und "Vorstürmen und zuschlagen" als eine für eine Kampfrunde angemessene Aktion angesehen...
Außerdem hat AD&D ja schon auf mittleren Stufen das Problem, das in einer Kampfrunde nichts entscheidendes passiert. Man wird vielleicht getroffen und kriegt ein paar HP wegrasiert, was aber auf kurze Sicht keinen wirklichen Unterschied macht. Die weitgehende Abwesenheit von systemimmanenten taktischen Optionen (jedenfalls ohne Magie) tut ein Übriges. Wenn aber spieltechnisch nicht viel passiert, dann stellt man sich eben auch nicht viel vor.
Generell würde ich sagen, dass Kampfrunden und Aktionen so bemessen sein sollten, dass sie das Potential haben, die Situation spürbar zu verändern. Dabei bevorzuge ich es, wenn eine Kampfrunde gar nicht exakt auf ein Zeitmaß festgelegt ist.

Zitat
Da wir uns nicht vorstellen konnten, was in dieser Minute genau geschehen sollte, haben wir ingame nur einen Schlag ausgespielt. Aber wir haben generell sehr viele Regeln ignoriert, so dass ich die Schuld für komisches Systemverhalten nicht gleich dem System zuschreiben würde.
Ja, gute Fragen. Aber von der Skalierung völlig losgelöst. Warum drängt sich der einzelne Schlag so sehr als kleinste Einheit auf? Vielleicht weil die Regelautoren vom Kampf keine Ahnung haben und dem Laien der einzelne Schlag als sinnvolle Einheit erscheint? Weil er so ins Auge springt?
Der springt eigentlich (mir jedenfalls) gar nicht so sehr ins Auge. Egal ob Boxkampf, Fechtturnier oder jegliche Art von Nahkampf im Film: Ich könnte Dir nie auch nur annähernd sagen, wer nun wie oft zugeschlagen hat.

Online Maarzan

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #76 am: 30.06.2013 | 17:01 »
Ich postuliere mal:
Für ein Rollenspiel sind das entscheidende die relevanten Entscheidungen für die Figur, urch welche der Spieler am Spiel teilnimmt.
Relevanz bedeutet einmal dass die Entscheiungen Folgen haben und der sie Treffende zumindestens eien generelle Vorstellung dieser Folgen hat.

Für diese Vorstellung der Folgen benötigt der Spieler eine Vorstellung von der entsprechenden Grundlagen der Handlung selber.
Diese Vorstellung kann für viele Handlungen aus der Realität stammen, für andere wiederum müssen Regeln geschrieben werden, wenn die Realität zu kompliziert oder ihr Status umstritten sein könnte. Akzeptierte Regeln schreiben erfordert aber auch etwas zu produzieren, wa den Leuten plausibel oder zumindest genretypisch vorkommt.

Im Kampf treffen nun Relevanz in Form drastischer Folgen wie auch meist relativ geringe Fakten- aber um so mehr "Genre"-Kenntnisse aufeinander. Eine regelseitige Behandlung ist also dringend erforderlich, wenn Kampf eine typische Handlunsgweise sein sollte. Dazu kommt der Adrenalinrest aus wenigstens dem genetischen Gedächtnis angesichts solcher Aktivitäten und die Tatsache, dass Kampf eine der inklusivsten Aktivitäten ist, wo jeder etwas zu tun hat und wenn es die richtige Deckung suchen ist. 
Also bietet es sich an sich genau hier auch auszutoben. Man muss eh tätig werden, um diese üblichen Diskrepanzen zu überwinden und es lohnt sich wegen der grundlegenden und gemeinsamen Aktivierung aller Spieler. (Gruppensex im Spiel hat sich noch nicht so durchgesetzt ...)

Alternativen sind sicher denkbar, aber wohl nur immer mit einem Blick auf eine Minderheit an Spielern und mit dem Risiko in dieser Minderheit nicht nur auf aus Medien gebildete zu treffen, sondern ggf echte Fachleute odder interessierte Laien, was die Latte für akzeptierte Qualität doch recht hoch legt.
Rein soziale Mechaniken wiederum sind extrem breit und mit den Spielern als persönlich Betroffene auch im RL ähnlich schwierig zu behandeln wie spezialisierte Themen, aber plötzlich ist jeder ein wenigstens gefühlter Experte.

Kampfsysteme sind da bei allen Fanwars trotzdem noch ein einfaches und dankbares Metier.
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Wulfhelm

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #77 am: 30.06.2013 | 17:21 »
Finde ich für das Beispiel des Boxkampfs sehr gelungen. Die Frage ist aber was man daraus allgemein übertragen könnte, denn z.B. die meisten Selbstverteidigungssituationen in der Realität (also richtige Kämpfe abseits des Sports) dauern nur wenige Sekunden... (in Bezug auf die physischen Aktionen, Vorgeplänkel etc. könnte je nach Situation natürlich noch dazu zählen)
Reale Duelle haben oft durchaus mehrere Minuten lang gedauert. Auch Zweikämpfe von einer halben Stunde und mehr gab es. Ein zehnminütiger Kampf wären bei DSA4 200 Kampfrunden (und bei D&D 3.x 100.)

Aus diesen und anderen Gründen bevorzuge ich schon seit einiger Zeit flexible, aber tendenziell längere Kampfrunden. Es löst ja noch viele andere Probleme: Die Tatsache, dass man den Spielern eigentlich während der Kämpfe jegliche Kommunikation untersagen müsste, weil ja jede Runde nur wenige Sekunden sind. Dass auch zwischen SCs und Gegnern eigentlich nichts stattfinden kann, weil man in der Zeit höchstens ein paar Worte rauskriegt. Dass jedes Taktieren und überlegen eigentlich wegfallen müsste. Dass Kämpfe eigentlich nie unter Zeitdruck stattfinden können, weil sie sowieso keine nenneswerte Zeit benötigen etc. etc.
« Letzte Änderung: 30.06.2013 | 17:26 von Wulfhelm »

Online Maarzan

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #78 am: 30.06.2013 | 17:32 »
Kampf ist halt nicht so homogen, wie es typischerweise abgehandelt wird.

Wenn mein System mal fertig sein sllte, wird es wohl zwei Zeitraster geben, ein Plänkeln - deutlich langsamer, aber auch deutlich sicherer und wohl eher psychologisch und positionierend geprägt und dann unter entsprechenden psychologischen Hürden die Eskalation in den rasanteren, chaotischen aber deutlich gefährlicheren und fehlerträchtigeren infight. 
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Offline Galatea

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #79 am: 30.06.2013 | 18:21 »
Es löst ja noch viele andere Probleme: Die Tatsache, dass man den Spielern eigentlich während der Kämpfe jegliche Kommunikation untersagen müsste, weil ja jede Runde nur wenige Sekunden sind. Dass auch zwischen SCs und Gegnern eigentlich nichts stattfinden kann, weil man in der Zeit höchstens ein paar Worte rauskriegt. Dass jedes Taktieren und überlegen eigentlich wegfallen müsste. Dass Kämpfe eigentlich nie unter Zeitdruck stattfinden können, weil sie sowieso keine nenneswerte Zeit benötigen etc. etc.
Haben wir in einer unserer Spielrunden exakt so gemacht und das waren die geilsten Rollenspielkämpfe die ich je hatte. Da wurde meist im vorhinein ein Plan festgelegt (wer stürmt das Haus von wo, wer sichert, wer deckt, wann wird nachgerückt). Der SL hat dafür gesorgt, dass die Handlungszeiten kurz blieben - man hatte 5-10 Sekunden um sich zu entscheiden was man tut und die 1-2 Sätze zu sagen, die man sagen wollte. Da eine Kampfrunde meist weniger als 2 Minuten gedauert hat war es auch überhaupt kein Problem, dass man nur 1-2 Sätze herausbekommen hat, meist waren die Kommandos eh kurz (NIEMAND hält während eines Feuergefechts einen minutenlangen taktischen Dialog) - es entspannte sich dann im gegebenen Fall halt ein Dialog der über mehrere Kampfrunden ging.
Taktiert wurde sehr wohl, nur eben auf einer völlig anderen Ebene als bei üblichen Rollenspielen. Bei uns war vor allem Bewegungstaktik, gegenseitige Deckung und Behinderung des Gegners (z.B. durch Unterdrückungsfeuer) wichtig - wenn nicht jeder da war wo er hingehörte konnte der Kampf jederzeit eine sehr hässliche Wendung nehmen. Die Kombination von Feats und anderen Spezialfähigkeiten spielte praktisch keine Rolle (denn dem Scharfschützen nützt sein "Deckung ignorieren" Feat garnichts, wenn er an einer Position steht von der aus er den Gegner nicht beschießen kann).
Das ganze war allerdings auch ein ModernWarfare/SciFi-Setting, d.h. die meisten Gegner waren nach dem ersten guten Treffer kampfunfähig oder tot (die Spieler/besseren NSC die etwas High-Tech-Powersuits trugen hielten meist so 2-3 Treffer aus bevor sie kampfunfähig wurden, wobei eine Panzerfaustgranate auch für sie jederzeit jähen Tod bedeuten konnte).
Sowas ist aber natürlich nur schwer auf ein Fäntelalter-Schwertduell zu übertragen.

« Letzte Änderung: 30.06.2013 | 18:30 von Galatea »
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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #80 am: 30.06.2013 | 18:22 »
Reale Duelle haben oft durchaus mehrere Minuten lang gedauert. Auch Zweikämpfe von einer halben Stunde und mehr gab es.

Das war aber sicher kein durchgehender Schlagabtausch.

Falls längere Pausen oder auch "nur" ein vorläufiger Stillstand eintreten, überspringe ich Runden oder verlasse das Kampfsystem komplett.

Es löst ja noch viele andere Probleme: Die Tatsache, dass man den Spielern eigentlich während der Kämpfe jegliche Kommunikation untersagen müsste, weil ja jede Runde nur wenige Sekunden sind. Dass auch zwischen SCs und Gegnern eigentlich nichts stattfinden kann, weil man in der Zeit höchstens ein paar Worte rauskriegt.

Dann dauert eine Kommunikation eben mehrere Runden - erst mal kein Problem.
Und wenn es die Situation nicht her gibt, fällts eben aus.

Dass jedes Taktieren und überlegen eigentlich wegfallen müsste.

Schon mit wenigen Sekunden KR-Länge finde ich das ziemlich unproblematisch.
Da stört es mich eher, dass in entsprechenden Duellsituationen o.Ä. meistens kein spielmechanischer Anreiz zum Taktieren besteht und es deswegen auch nicht gemacht wird.

Dass Kämpfe eigentlich nie unter Zeitdruck stattfinden können, weil sie sowieso keine nenneswerte Zeit benötigen etc. etc.

Für einen konkreten Schlagabtausch ist das richtig.
Aber ein Kampf kann ja durchaus aus mehreren Etappen bestehen mit längerem Leerlauf aus irgendwelchen Gründen (Beschwichtigungsversuche, von Umstehenden getrennt, Fluchtversuch einer Seite, gedecktes Manövrieren etc. pp.).
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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #81 am: 30.06.2013 | 19:29 »
Zum Einen hat ein Boxkampf eine ganz andere Struktur als ein "echter" Kampf, basierend sowohl auf den Zielen der Beteiligten als auch auf den Regeln und der verwendeten Ausrüstung.
Einverstanden.

Betrachtet man aber Kämpfe (ggf. mit Waffen) in freier Wildbahn und deutlich anderen Zielsetzungen und Konsequenzen, ergibt z.B. eine minutenweise Abhandlung oder ein einziger Wurf nach jedem Taktikwechsel o.Ä. mMn keinen Sinn.
Diese Kämpfe spielen sich i.d.R. in so kurzen Zeiträumen ab, dass zumindest einzelne Kombinationen/Angriffskomplexe als kleinste Einheit durchaus geeignet sind.
Was meinst du mit Kombinationen und Angriffskomplexen? Entsprechen sie dem klassischen Einzelschlag der Regelsysteme?

Für diese Vorstellung der Folgen benötigt der Spieler eine Vorstellung von der entsprechenden Grundlagen der Handlung selber.
Diese Vorstellung kann für viele Handlungen aus der Realität stammen, für andere wiederum müssen Regeln geschrieben werden, wenn die Realität zu kompliziert oder ihr Status umstritten sein könnte. Akzeptierte Regeln schreiben erfordert aber auch etwas zu produzieren, wa den Leuten plausibel oder zumindest genretypisch vorkommt.
Die Laienvorstellung ist offenbar, dass ein Kampf aus einer Aneinanderreihung von Schlägen besteht. Es gibt zwar regelseitig meist Sondermanöver (Wuchtschlag, gezielter Schlag, entwaffnen, festhalten usw.), aber in der Praxis habe ich noch nicht erlebt, dass das gehaltvoll angewendet wird.

Aber ein Kampf kann ja durchaus aus mehreren Etappen bestehen mit längerem Leerlauf aus irgendwelchen Gründen (Beschwichtigungsversuche, von Umstehenden getrennt, Fluchtversuch einer Seite, gedecktes Manövrieren etc. pp.).
Genau, und es wäre doch spannend, das abzubilden. Was du da ansprichst, sind Manöver im weitesten Sinn, und so wie ich es einschätze, lassen sie sich nicht sinnvoll in einen Sekundentakt pressen.

Oder um es anders zu formulieren: Die Sekunde oder der einzelne Schlag ist nicht unbedingt der entscheidende Taktgeber in einem Kampf. Ich kann spontan nicht sagen, was der entscheidende Taktgeber ist, aber wenn man sich die Frage einmal stellt, findet man sicher auch eine Antwort. Die Antwort könnte man probeweise in Regeln operationalisieren.

Das Mystix-Beispiel hörte sich gut an. Gibt es irgendwo ein Diary mit Kampfsequenz, wo man einen konkreten Ablauf nachvollziehen kann?

Das Beispiel von Galatea klingt ebenfalls spannend. Welche Regeln habt ihr benutzt? Welchen Teil der Regeln habt ihr eventuell weggelassen/umgewandelt, um das beschriebene Vorgehen möglich zu machen?
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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #82 am: 30.06.2013 | 19:43 »
Reale Duelle haben oft durchaus mehrere Minuten lang gedauert. Auch Zweikämpfe von einer halben Stunde und mehr gab es.

Und Du bist sicher, dass das Kämpfe auf Leben und Tod waren...? Ohne Regeln? Wäre dafür relativ ungewöhnlich, wenn das auch sicherlich hin und wieder vorkam...
Klar, wenn die Kontrahenten defensiv bleiben und sich z.B. kontaktlos "belagern" oder z.B. in einer Bodenkampfpattsituation feststecken, kann durchaus mal ne gewisse Zeit vergehen, aber das ist ja nicht unbedingt das "Normale". Dementsprechend macht es IMO relativ wenig Sinn sich primär an der Ausnahme-Situation zu orientieren.

Die typischsten Fälle des Kampfs auf Leben u. Tod sind sicherlich die Selbstverteidigungs- und die Schlachtfeld-Situation (allein schon in Bezug auf die historische Häufigkeit). Dort geht es normalerweise um wenige Sekunden, da der menschliche Körper einfach sehr fragil ist, wenn es die richtigen Stellen erwischt ("arbeitet" man natürlich einfach Lebenspunkte runter, ist das was anderes :p). Und mit der entsprechenden Entschlossenheit schaffen das selbst Ungeübte relativ schnell, dann wird eben mal ein Stein gegriffen und auf den Schädel geschlagen o.ä. bzw. selbst ohne jegliche Form von Waffe ist es sehr leicht innerhalb von Sekunden kampfentscheidende Verletzungen beizubringen - ok, natürlich kann es z.B. bei 2 ungeübten Bauern, die einfach nur zuschlagen und treten ne ganze Weile dauern, aber es ist sicherlich logischer sich als Grundannahme erstmal daran zu orientieren, dass bei vielen Kämpfern zumindest eine gewisse kriegerische Grundausbildung vorhanden ist...



« Letzte Änderung: 30.06.2013 | 19:55 von OldSam »

Offline YY

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #83 am: 30.06.2013 | 20:07 »
Was meinst du mit Kombinationen und Angriffskomplexen? Entsprechen sie dem klassischen Einzelschlag der Regelsysteme?

Ich meine eine zusammenhängende Menge/Folge von Angriffen. Also mehrere Angriffe, die in einem Sinn- oder Handlungszusammenhang stehen.
Im Kampfsport meinetwegen das Reingehen mit einem Kick aus der langen Distanz gefolgt von mehreren Geraden und Haken bis in den Clinch oder auch wieder raus.

Oder die altbekannten zwei Schuss in die Brust und einen in den Kopf.

Kurz: Angriffsserien oder eben -komplexe, zu denen sich zumindest grob im Vorfeld entschlossen wird.
Und je nachdem, wie die dann genau verlaufen, macht man einfach weiter oder setzt ganz neu an.

Das ist im Prinzip ähnlich dem, was manche Systeme machen, wenn sie ihre längeren Kampfrunden als ein Hin und Her mehrerer Angriffe und Paraden definieren - nur einen Tick weniger abstrakt.

Was du da ansprichst, sind Manöver im weitesten Sinn, und so wie ich es einschätze, lassen sie sich nicht sinnvoll in einen Sekundentakt pressen.

Da stimme ich zu.
Umgekehrt bin ich aber auch der Meinung, dass bei einer Regelung, die diese Geschichten mit in die Kampfrunde "zieht", die Darstellung der entscheidenden Sekundenbruchteile, in denen tatsächlich gekämpft wird, leidet.

Meine Lösung ist es wie gesagt, an solchen Stellen auf die spielmechanische Betrachtung einzelner Kampfrunden (in denen ja sowieso nicht gekämpft würde!) zu verzichten.

Zum Thema Taktgeber:
Ein solcher längerer Konflikt, in dessen Verlauf ggf. mehrmals gekämpft wird, aber auch andere Sachen stattfinden, läuft gefühlt mit verschiedenen Geschwindigkeiten (daher auch mein Ansatz).

Als Vergleich mag das Befahren einer Rennstrecke dienen. Das ist sicher durchgehend stressig, aber an bestimmten Schlüsselstellen wird es eben richtig haarig und im Vergleich sind andere Abschnitte relativ entspannt.

Fasst man das unter einer Betrachtungsweise zusammen, geht etwas verloren.
Da geht mir Maarzans oben erwähnter Ansatz mit verschiedenen Zeitrastern schon eher in die richtige Richtung - so mache ich das ja auch, nur verwende ich für die geruhsameren Abschnitte den normalen Nichtkampf-Regelsatz anstelle einer zweiten Variante für die Zeitmessung/Handlungsabwicklung im Kampf.
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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #84 am: 30.06.2013 | 20:53 »
Vielleicht fehlt es einfach an sinnvollen Beispielen für Manöver. Und vor allem an ihrer taktischer Verzahnung.

Ein weiteres Makel ist wohl, dass die Lebenspunkte als einziger Endpunkt aller Kampfhandlungen dienen und somit einen Großteil der real vorhandenen Taktiken obsolet machen.

Ein weiteres Problem hängt unmittelbar mit den Lebenspunkten zusammen: Wenn ich phantasieanregend beschreibe, wie ich den Gegner zu köpfen versuche, und mir der Wurf auch gelingt, der Gegner aber nur ein paar LP verliert und in seiner Kampffähigkeit kein bisschen behindert ist, hat die Phantasie ein Problem. Gut, einmal kann ich mir vorstellen, wie ich den Hals nur knapp verpasse und stattdessen eine Schramme in der Brust verursache. Wenn aber der ganze Kampf aus einer langen Serie solcher knapp verpasster Todesurteile besteht, ist es des Guten zu viel.

Das wiederum berührt einen Punkt, der zwischendurch kurz angesprochen, aber nicht weiter verfolgt wurde. Die Frage, was zuerst kommt - der Handlungsplan oder der Wurf - ist von großer Relevanz. Wenn Handlung und Handlungsziel konkret angesagt werden, finde ich es schwieriger, das anschließend zum Würfelergebnis passend hinzubiegen. Ich stelle es mir viel angenehmer vor, zuerst zu würfeln und dann das Ergebnis erzählerisch zu interpretieren - ohne vor dem Wurf anzusagen, was man genau vorhatte. Dann hat man viel mehr Freiheitsgrade, das Würfelergebnis in der Phantasie auszuschmücken. Man ist gedanklich noch nicht auf eine bestimmte Handlungsschiene gestellt. Letzteres ist mir bisher aber noch nicht untergekommen am Spieltisch. Ob es in der Spielpraxis wirklich angenehmer wäre, wie ich es mir vorstelle, weiss ich gar nicht. Hypothese: beim stupiden Schlag-Gegenschlag zum LP-Abziehen wäre es besser, nach dem Wurf die Handlung zu interpretieren. Vorher ansagen ist besser, wenn man tatsächliche taktische Optionen hat.

Hm, das führt jetzt von der Frage der Zeiteinheiten ab, aber was solls. Die Kernfrage ist ja, welche Regelelemente die bildliche Vorstellung des Kampfes fördern und welche sie behindern. Die anfangs vermuteten Zeiteinheiten sind vielleicht nicht des Rätsels Lösung. Oder zumindest nicht allein entscheidend.
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Eulenspiegel

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #85 am: 30.06.2013 | 21:10 »
Ein weiteres Problem hängt unmittelbar mit den Lebenspunkten zusammen: Wenn ich phantasieanregend beschreibe, wie ich den Gegner zu köpfen versuche, und mir der Wurf auch gelingt, der Gegner aber nur ein paar LP verliert und in seiner Kampffähigkeit kein bisschen behindert ist, hat die Phantasie ein Problem.
GURPS macht da den Ansatz, dass einzelne Treffer extrem wirkungsvoll sein können. Wenn da ein angesagter Treffer auf den Kopf gelingt, dann ist der Gegner in über 50% aller Fälle tatsächlich kampfunfähig.

Zitat
Hm, das führt jetzt von der Frage der Zeiteinheiten ab, aber was solls. Die Kernfrage ist ja, welche Regelelemente die bildliche Vorstellung des Kampfes fördern und welche sie behindern. Die anfangs vermuteten Zeiteinheiten sind vielleicht nicht des Rätsels Lösung. Oder zumindest nicht allein entscheidend.
Ich würde sagen, es hängt von unterschiedlichen Spielertypen ab. Für einige ist es sehr hilfreich, wenn die Regeln detailliert sind und sich ihre Vorstellung an den Regeln entlanghangeln kann.

Für wieder andere ist es hilfreich, wenn sie ihrer Phantasie freien Lauf lassen können und die Regeln ihnen nicht im Weg stehen.

Was ich allgemein als sehr hinderlich für die Vorstellung gefunden habe, ist, wenn man extrem viel rumrechnen muss. Optimalerweise läuft der Wurf nebenher ab. Er soll zwar eine Bedeutung haben, es soll aber nicht zuviel Zeit in Anspruch nehmen, die Bedeutung aus dem Würfelergebnis herzuleiten.

Offline Galatea

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #86 am: 30.06.2013 | 21:16 »
Das Beispiel von Galatea klingt ebenfalls spannend. Welche Regeln habt ihr benutzt? Welchen Teil der Regeln habt ihr eventuell weggelassen/umgewandelt, um das beschriebene Vorgehen möglich zu machen?
Wir haben eine modifizierte Version von Opus anima genommen. Das Regelwerk findet sich hier: http://tanelorn.net/index.php/topic,83003.0.html (das ist die noch etwas erweiterte Mass Effect Version, wir haben damals mit der Starship Troopers Version gespielt).

Verändert haben wir vor allem die Fernkampfregeln (kein Grundschaden -> Schaden hängt komplett vom Angriffswert ab bzw. AoE-Waffen haben Festschaden), die Fahrzeugregeln (die OA-Originale sind ja bestenfalls rudimentär) und die Waffenregeln (es gibt verschiedene Eigenschaften/"Traits", z.B. vollautomatisch, Kegel oder Zweibein, mit denen man sich wie in einem Baukastensystem den gewünschten Waffentyp zusammenschrauben kann).

Das System sieht auf den ersten Augenblick auch recht regellastig aus (irgendwo ist es schon ein "Tabletop light"), wenn man es erstmal drauf hat besticht es aber durch ungeheure Geschwindigkeit. Kampfrunden (8 Spieler, 8 -10 NSCs) unter 2 Minuten sind gut machbar.
Der größte Trick dabei ist dass alle Spieler gleichzeitig würfeln und ihre Werte verteilen, d.h. bei 8 Spielern braucht man nicht die 8-fache Zeit, sondern eher die Doppelte bis Dreifache. Außerdem kann man den Schaden praktisch direkt ablesen - wenn ein Spieler mit seinem Fernkampfangriff (respektive Nahkampfangriff) 5 Punkte über der Fernkampfschwelle (respektive Paradewert) des Ziels liegt und seine Waffe 2 Schaden pro Teilerfolg macht, dann bekommt das Ziel 10 Schaden.
Man muss nicht nochmal Schaden würfeln und das Ziel hat auch keinen Resistenzwurf oder ähnliches, Rüstung ist rein passiv. Außerdem halten wenige Ziele mehr als 1-2 gute Treffer aus. Ein Wurf pro Kampfrunde spart halt erheblich Zeit, ganz besonders eben wenn alle Spieler diesen Wurf gleichzeitig machen (Hordengegner werden vom SL üblicherweise mit einem Wurf bedient, der dann für alle Individuen er Gruppe gilt).

Ein weiteres Problem hängt unmittelbar mit den Lebenspunkten zusammen: Wenn ich phantasieanregend beschreibe, wie ich den Gegner zu köpfen versuche, und mir der Wurf auch gelingt, der Gegner aber nur ein paar LP verliert und in seiner Kampffähigkeit kein bisschen behindert ist, hat die Phantasie ein Problem. Gut, einmal kann ich mir vorstellen, wie ich den Hals nur knapp verpasse und stattdessen eine Schramme in der Brust verursache. Wenn aber der ganze Kampf aus einer langen Serie solcher knapp verpasster Todesurteile besteht, ist es des Guten zu viel.
Was zu einem guten Teil aber auch dadurch bedingt ist, dass Personen (SCs und NSCs) in den meisten Systemen einfach lächerlich stabil sind. Wenn Spieler mit 80 LP rumrennen und ein Langschwert 2W6 Schaden macht, dann gelten die normalen Gesetze der Physik sowieso nicht mehr. Da sind untödliche Kopftreffer noch das harmloseste - in einem solchen System kann man einem Krieger 5 Schwerter durch die Brust treiben ohne dass ihn das umbringt.

« Letzte Änderung: 30.06.2013 | 21:27 von Galatea »
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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #87 am: 30.06.2013 | 21:41 »
Wenn Handlung und Handlungsziel konkret angesagt werden, finde ich es schwieriger, das anschließend zum Würfelergebnis passend hinzubiegen.

Für eine wirklich konkrete Ansage muss es auch eine passende Regelgrundlage geben. Dann brauche ich auch nichts hinbiegen, weil das jeweilige Ergebnis eindeutig ist.
Ordentlich umgesetzt kenne ich das nur von GURPS.

Hypothese: beim stupiden Schlag-Gegenschlag zum LP-Abziehen wäre es besser, nach dem Wurf die Handlung zu interpretieren. Vorher ansagen ist besser, wenn man tatsächliche taktische Optionen hat.

Zustimmung zum ersten Satz.

Taktische Optionen kann man alternativ aber auch erst dann auswählen, wenn man den entsprechenden Wurf geschafft hat - darauf muss das Regelwerk dann aber auch recht umfassend ausgerichtet sein.
Runequest und Trauma machen das z.B. so.
Einigen Spielern gefällt es aber nicht, quasi "ins Blaue" zu agieren, ohne vorher ihre genaue Absicht kundtun zu "können" (obwohl es an dieser Stelle eigentlich stets "müssen" genannt werden müsste).
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Wulfhelm

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #88 am: 30.06.2013 | 22:06 »
Und Du bist sicher, dass das Kämpfe auf Leben und Tod waren...?
Oh ja.

Zitat
Ohne Regeln?
Nö, natürlich gab's Regeln, die gab's bei Duellen immer. Aber keine, die irgend welche Kampfpausen erzwungen hätten.

Zitat
Wäre dafür relativ ungewöhnlich, wenn das auch sicherlich hin und wieder vorkam...
Woher willst Du wissen, dass das ungewöhnlich war? Ich habe gerade eine Beschreibung eines Duelles gelesen, das mit vier Minuten als ungewöhnlich kurz eingestuft wurde...

Zitat
Die typischsten Fälle des Kampfs auf Leben u. Tod sind sicherlich die Selbstverteidigungs- und die Schlachtfeld-Situation (allein schon in Bezug auf die historische Häufigkeit). Dort geht es normalerweise um wenige Sekunden,
Feuergefechte zwischen militärischen Einheiten dauern nicht selten Stunden...

Das war aber sicher kein durchgehender Schlagabtausch.

Falls längere Pausen oder auch "nur" ein vorläufiger Stillstand eintreten, überspringe ich Runden oder verlasse das Kampfsystem komplett.
Wenn ich 90% oder mehr aller Runden überspringen muss, oder das Kampfsystem ständig ein- und ausschalte, kann ich auch gleich flexible Kampfrundenlängen nehmen - was ich ja auch tue. Oder ggf. auf die Rundenstruktur komplett verzichten.

Zitat
Dann dauert eine Kommunikation eben mehrere Runden - erst mal kein Problem. Und wenn es die Situation nicht her gibt, fällts eben aus.
Ein durchschnittlicher Kampf in einem System wie Shadowrun - unter der Maßgabe, dass man RAW benutzt - dauert ungefähr so lange, wie man braucht, um diesen Satz hier auszusprechen; und das ist schon ein Problem.

Zitat
Für einen konkreten Schlagabtausch ist das richtig.
Aber ein Kampf kann ja durchaus aus mehreren Etappen bestehen mit längerem Leerlauf aus irgendwelchen Gründen (Beschwichtigungsversuche, von Umstehenden getrennt, Fluchtversuch einer Seite, gedecktes Manövrieren etc. pp.).
Ja, aber warum soll ich das aus dem Kampfsystem heraustrennen? Manövrieren, belauern etc. gehört zum Kampf dazu, das macht man ja nicht aus Spaß. Ich gehe nicht a priori davon aus, dass ich kleinteiligste Kampfrunden aus irgend einem Grund brauche, also brauche ich auch keine Maßnahmen zu treffen, um sie beizubehalten.
« Letzte Änderung: 30.06.2013 | 22:29 von Wulfhelm »

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #89 am: 30.06.2013 | 22:25 »
Woher willst Du wissen, dass das ungewöhnlich war? Ich habe gerade eine Beschreibung eines Duelles gelesen, das mit vier Minuten als ungewöhnlich kurz eingestuft wurde...

Dann nenne doch auch Ross und Reiter - wer wann wo mit welcher Ausrüstung?

Sonst spekuliert hier jeder außer dir wild rum und wir kommen doch nirgends an.

Feuergefechte zwischen militärischen Einheiten dauern nicht selten Stunden...

Mit entsprechenden Leerlauf-, Belauerungs- und Manövrierphasen.
Die reine Schießzeit bewegt sich dabei für die meisten Schützen im niedrigen Minutenbereich.


Anekdote dazu:
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
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Eulenspiegel

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #90 am: 30.06.2013 | 22:27 »
In diesem Video sind auch ein paar Beispielkämpfe gezeigt.

Und auch, wenn man sich auf Mittelaltermärkten oder so historischen Schwertkampf (und keinen Showkampf) anschaut, stellt man fest, dass dieser sehr kurz ist.

Bei Duellen konnte es zwar hin und wieder vorkommen, dass einer starb, aber das war nicht die Norm. Meistens kämpfte man bis zum ersten Blut oder bis einer aufgab.

Zu Fernkämpfen:
Ja, wenn beide Seiten sich verbarrikadiert haben, dann dauert es recht lange, bis man mal einen Zufallstreffer gemacht hat.

Wulfhelm

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #91 am: 30.06.2013 | 22:37 »
Dann nenne doch auch Ross und Reiter - wer wann wo mit welcher Ausrüstung?
Zwei französische Politiker, mit Schwertern (als Rapiere bezeichnet), 1888. Der eine (ein General Boulanger) war dem Artikel zufolge als Fechter erfahren, der andere nicht, hat sich aber trotzdem gut gehalten. Boulanger hatte ebenfalls dem Artikel zufolge unbedingt vor, seinen Gegner zu töten.

Zitat
Sonst spekuliert hier jeder außer dir wild rum und wir kommen doch nirgends an.
Wenn jemand anders Erkenntnisse über die Dauer von Duellen, Gefechten, Turnieren etc. hat: Immer her damit. Die sind ziemlich selten (was ja auch kein Wunder ist, da das selten ein kritisches Überlieferungsinteresse ist und ohnehin kaum jemand mit einer Stoppuhr daneben stand.)
« Letzte Änderung: 30.06.2013 | 22:40 von Wulfhelm »

Offline Makaber

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #92 am: 30.06.2013 | 22:40 »
In diesem Video sind auch ein paar Beispielkämpfe gezeigt.

Und auch, wenn man sich auf Mittelaltermärkten oder so historischen Schwertkampf (und keinen Showkampf) anschaut, stellt man fest, dass dieser sehr kurz ist.

Man sollte solche Videos als Veranschaulichung von Regeln verwenden, die den Kampf weniger feinkörnig gestalten. Ich bin auch eher ein Freund von so feinkörnig wie nur möglich. Aber nach dem video kann ich mich auch mit Mechanismen anfeunden, die einen kompletten Kampf über einen einzigen vergleichenden Wurf regeln

Eulenspiegel

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #93 am: 30.06.2013 | 22:46 »
@Wulfhelm und YY
Hier ein Zeitungsartikel zum Duell Boulanger vs. Floquet.

Die 4 Minuten kommen dort auch vor. Allerdings wird es nicht als besonders schnell dargestellt. Und die vier Minuten beinhalten auch die Zeit, die Boulanger vom Sekundanten verarztet wurde.

Wulfhelm

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #94 am: 30.06.2013 | 23:04 »
Hier ein Zeitungsartikel zum Duell Boulanger vs. Floquet.
Hmmm... es gibt keinen Facepalm-Smilie, also sage ich's direkt: Ach sag bloß.  ::)

Zitat
Allerdings wird es nicht als besonders schnell dargestellt.
Doch? Die Formulierungen "just" oder "only" sind recht eindeutig. Da ich des weiteren auf eine der von Dir zu erwartenden seitenlangen semantischen Manöverdiskussionen keine Lust habe (und daran auch nicht teilnehmen werde), wiederhole ich einfach meine Aufforderung: Immer her mit den Vergleichsdaten.

Ich muss natürlich auch noch dazusagen: Natürlich erhebe ich nicht die von vielen Spielern ja einigermaßen verteufelte historische Realität zum allein seligmachenden Maßstab. Aber Kämpfe in den ansonsten so beliebten Action-Filmen dauern auch länger als ein paar Sekunden...
« Letzte Änderung: 30.06.2013 | 23:06 von Wulfhelm »

Offline scrandy

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #95 am: 30.06.2013 | 23:07 »
Ein weiteres Makel ist wohl, dass die Lebenspunkte als einziger Endpunkt aller Kampfhandlungen dienen und somit einen Großteil der real vorhandenen Taktiken obsolet machen.
Ja LE sind wirklich problematisch. Vor allem deswegen weil eine erfolgreiche Kampfaktion immer in einem Treffer resultiert. Sowohl in Filmkämpfen als auch in realistischen Kämpfen sind erfolgreiche Kampfaktionen aber nicht immer Treffer. Treffer sind dafür viel zu gefährlich und wirkunsstark. Verletzte Kämpfer sind meist so sehr beeinträchtigt, dass sie deutlich schwächer werden oder sogar (je nach Techlevel) Totgeweiht sind. Das bedeutet also dass ein Großteil an erfolgreichen Kampfaktionen sich ohne Treffer abspielen müssen. Man kann dazu durchaus auch ein Punktesystem nehmen. Diese Punkte sollten aber sowas wie Verteidigung überwunden oder Gegner in Bedrängung gebracht repräsentieren und nicht repräsentieren wie oft der Gegner getroffen wurde. Es wäre außerdem hilfreich wenn die Punktzahl klein gehalten wird und nach jedem Kampf automatisch regeneriert. Wenn diese Punktzahl auf 0 gebracht wird müssen Wunden folgen, die entsprechende Spielwirkung haben.

Auch das alle Gegner grundsätzlich bis zum Tod kämpfen ist unrealisitisch und führt zu dem klassischen "wir töten alle Gegner"-Prinzip. Warum sollte ein Wachmann bis zum Tod kämpfen, wenn es nur sein Job ist. Warum sollte jedes Wilde Tier bei Verletzung bis zum Tode kämpfen? Oft reicht es ja schon den Gegner aus dem Weg zu räumen, zu überwältigen oder leicht zu verwunden um sein eigenes Ziel zu erreichen.

Das wiederum berührt einen Punkt, der zwischendurch kurz angesprochen, aber nicht weiter verfolgt wurde. Die Frage, was zuerst kommt - der Handlungsplan oder der Wurf - ist von großer Relevanz.
Was die Erzählreihenfolge betrifft, geht es sogar noch anders:
1.) Zuerst erklären beide die Absicht, was sie gerne erreichen wollen.
2.) Dann würfeln beide.
3.) Der SL formuliert die Absichtserklärung des Gewinners in tatsächlich stattfindende Aktionen aus.
4.) Sowohl Würfelwurf als auch Beschreibung haben Konsequnzen sowohl in form von Spielwerten als auch von ingame Fakten

Im Grunde ist diese Erzählfolge das, was ich bei Mystix gemacht habe, nur das hier noch klarer geregelt wird, wer zuerst seine Absicht erklärt und das der Zweite darauf seine Absichtserklärung anpassen muss.

Dadurch passiert erzählerisch und somit auch im gemeinsamen Vorstellungsraum sehr viel und Taktik findet immer ingame statt.


Dadurch das bei vielen Systemen die Erzählreihenfolge garnicht geregelt ist, tendieren einige Spieler dazu lediglich die Regelkomponente anzusagen, die sie nutzen ("Ich schlage mit meinem Schwert zu" ...). Nutzt man das Beschreiben nach dem Wurf wird das ganze noch einiges cinematischer, weil man dann abhängig vom Würfelergebnis schön detailliert die Regeln wieder in Fiktion unmwandeln kann.

Das von mir oben Beschriebene Konzept geht allerdings noch einen Schritt weiter, weil Beschreibung nicht nur schönes Beiwerk ist, sondern tatsächliche Konsequenzen hat. Jedes Probenergebnis besteht quasi aus dem Werteteil des Charakters und den Ideen des Spielers. Im Grunde ist das die Idee aus Wushu, dass durch die Beschreibung die Probe beeinflusst wird, in weniger Powertelling-Gefährdete Bahnen gegossen, die sich etwas klassischer anfühlen. Dadurch lässt sich schon mehr Kampf-Erleben aufbauen.
« Letzte Änderung: 30.06.2013 | 23:10 von scrandy »
Der Waldfürst gibt, der Waldfürst nimmt.

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Offline xergazz

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #96 am: 30.06.2013 | 23:17 »
Das wiederum berührt einen Punkt, der zwischendurch kurz angesprochen, aber nicht weiter verfolgt wurde. Die Frage, was zuerst kommt - der Handlungsplan oder der Wurf - ist von großer Relevanz. Wenn Handlung und Handlungsziel konkret angesagt werden, finde ich es schwieriger, das anschließend zum Würfelergebnis passend hinzubiegen. Ich stelle es mir viel angenehmer vor, zuerst zu würfeln und dann das Ergebnis erzählerisch zu interpretieren - ohne vor dem Wurf anzusagen, was man genau vorhatte. Dann hat man viel mehr Freiheitsgrade, das Würfelergebnis in der Phantasie auszuschmücken. Man ist gedanklich noch nicht auf eine bestimmte Handlungsschiene gestellt. Letzteres ist mir bisher aber noch nicht untergekommen am Spieltisch. Ob es in der Spielpraxis wirklich angenehmer wäre, wie ich es mir vorstelle, weiss ich gar nicht. Hypothese: beim stupiden Schlag-Gegenschlag zum LP-Abziehen wäre es besser, nach dem Wurf die Handlung zu interpretieren. Vorher ansagen ist besser, wenn man tatsächliche taktische Optionen hat.

Halte ich für eine gute Beobachtung. Im Grunde hängts wieder am System:

Möglichkeit Eins: Iterativer Kampf -> Postskriptiv
Der Spieler kloppt durch die Qualität seiner Aktionen einen Pool herunter, der mehr oder weniger den Fortschritt des Kampfes abbildet (zb Angriff > Schaden > Gegner verliert Lebenspunkte). In dem Fall macht wie du schon sagst etwas präskriptives wenig Sinn. Ich beschreibe, wie ich versuche den Gegner zu köpfen, erziele dann aber nur einen Schadenspunkt. Das Beschriebene ist aufgrund des Würfelergebnisses nicht glaubwürdig in der Spielwelt darstellbar.

Möglichkeit Zwei: Rekursiver Kampf -> Präskriptiv
Der Spieler sagt das Ziel seiner Aktion an (Conflict Resolution) und ändert dadurch bei erfolgreicher Probe die Situation oder den Ausgang des Kampfes. Er erzeugt zum Beispiel Konsequenzen wie es sie bei Fate gibt. Die Würfel geben keine Qualität an, sondern bauen auf der Ansage des Spielers auf und modifizieren sie gegebenenfalls (zB. 6 = Ja und... | 5 = Ja | 4 = Ja, aber... | 3 = Nein, aber... | 2 = Nein | 1 = Nein, und...). Somit kann das Würfelergebnis die Ansage des Spielers zwar verändern, aber immer nur in Form von "ja, aber du bringst dich in eine ungünstige Position" oder "Ja und du kannst dadurch den Kampf entscheiden" oder "Nein, aber du kannst es trotzdem erreichen, wenn du dir etwas Zeit nimmst" und so weiter.

Ich finde auch die ganze Pacing-Betrachtung interessant. Also dass nur die Teile des Kampfes genauer behandelt werden, die auch wirklich Folgen für einen der Beteiligten haben. OldSam hat ja schon etwas zu den Mook-Regeln gesagt. Was auf Storyebene ja inzwischen von einigen Systemen gemacht wird ist das spielen mit Szenen. Das ist im Grunde doch nichts großartig anderes. Vielleicht lässt sich sowas ja übertragen.
Es ist ganz einfach. [...] Diskutiert nicht. Diskutiert bitte auch nicht über denn Sinn des Threads.

Offline OldSam

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #97 am: 30.06.2013 | 23:21 »
Nö, natürlich gab's Regeln, die gab's bei Duellen immer.
Wobei Duelle aber auch wiederum in der Gesamtheit klar zu einem geringen Anteil tödlicher Kämpfe zählen, das meinte ich ja, dass man sich IMO v.a. am Regelfall orientieren sollte...

Feuergefechte zwischen militärischen Einheiten dauern nicht selten Stunden...
Klar, was Belagerungskämpfe angeht hast Du völlig recht, das gab es natürlich oft.
Aber die ganze "Wartezeit" würde man in einem RPG-Szenario ja sicherlich eh nicht in Kampfrundenzeit durchspielen wollen, wie Du selbst sagtest ;)
Das war in Runden, die ich erlebt habe, aber nie ein störendes Problem dann z.B. zu sagen, "Während ihr hinter den Sandsäcken abwartet,passiert bis auf ein paar einzelne Schüsse in die Luft 2 Minuten lang erstmal nichts weiter... Dann hört ihr auf einmal..." und man ist wieder im Runden-Modus.


Offline Arkam

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #98 am: 30.06.2013 | 23:34 »
Hallo zusammen,

ich bin mir ganz sicher das man Kampf auch grobkörnig abbilden kann.
Aber wenn es nicht auf extreme Spezialisten, alternative Lösungen oder eine Umdeutung (1) des Kampfe hinaus läuft sehe ich häufige neue Charaktere am Horizont.
Probleme sehe ich auch bei Taktiken aus der realen Welt. Spiel Taktiken wird es ja wahrscheinlich geben.

Gruß Jochen

(1) Umdeuten: Ein im Kampf besiegter Charakter ist nicht tot oder schwer verwundet sondern muss im Sinne des Gegners handeln. Bei Räubern würde also das Gold des Charakters abgegeben. Ein Anschlag durch einen Assassinen würde im Erfolgsfall dafür sorgen das der Charakter nicht als Zeuge auftreten darf und so weiter.
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Wulfhelm

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Re: Kampfsysteme - warum so feinkörnig?
« Antwort #99 am: 30.06.2013 | 23:38 »
Aber die ganze "Wartezeit" würde man in einem RPG-Szenario ja sicherlich eh nicht in Kampfrundenzeit durchspielen wollen, wie Du selbst sagtest
[Hervorhebung durch mich.]
Das sagte ich ganz sicher nicht. Aber hier zeigt sich sehr schön das Problem: Die Vorstellung, dass eine Kampfrunde eine sehr kurze Zeiteinheit ist, ja sein muss, ist so stark im Denken verankert, dass die Möglichkeit, "Kampfrundenzeit" auch anders zu definieren, gar nicht vorkommt.

Witzigerweise haben die taktischen Wargames, die hier ja schon für die Kleinteiligkeit im Rollenspielkampf verantwortlich gemacht wurden, damit weniger ein Problem: Da gibt es natürlich Kampfrunden, aber ebenso natürlich nicht im Sekundentakt.