Bzgl. der Technik glaube ich nicht an Hard SciFi und halte es eher mit Dan Simmons: mit ausreichend Technobabel klingt alles irgendwie "wissenschaftlich" und kann damit alles hinnehmen, was mir ein Setting als plausible Erklärung für FTL und dergleichen liefert.
Das kann ich sogar irgendwie nachvollziehen - in vielen Fällen ist der Unterschied zwischen Hard SF und Fantasy, wenn man nach der Glaubwürdigkeit der dargestellten physikalischen Welt anhand unseres heutigen Wissensstands geht, zu vernachlässigen.
Der Unterschied ist meiner Meinung nach in der Regel eher einer der Poetik: Hard SF erzählt innerhalb unseres aufgeklärten Paradigmas vom Wunderbaren, geht also in der Regel davon aus, dass unerklärliche Phänomene nicht einfach aus Gründen von Schicksal, Bestimmung oder übernatürlicher Gewalt "da sind", sondern dass sie mit den Mitteln der Wissenschaft erklärbar sind und vor allem dass ihre Erklärung ein ebenso komplexes wie interessantes Unterfangen ist. Es gibt ja auch bewusst kontrafaktische SF, die beispielsweise in Universen mit anderen Naturgesetzen spielt und die Implikationen dieser anderen Naturgesetze durchspielt (zum Beispiel die großartige Kurzgeschichte "Ausatmen" von Ted Chiang in dem Band "Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes"). Von der Poetik her handelt es sich bei solchen Geschichten ganz eindeutig um Hard SF, oft sogar um die "härteste" Form der Hard SF, weil es hier ganz unmittelbar um wissenschaftliche Erklärbarkeit geht, obwohl die in solchen Geschichten dargestellten Welten den uns bekannten Naturgesetzen grundlegend widersprechen.
Worauf ich hinaus will: Hard SF definiert sich m.E. weniger darüber, ob die in ihr erzählten Ereignisse nach unserem Stand der Naturgesetze möglich sind, sondern ob auf die dargestellte Welt wissenschaftlich zugegriffen wird. Ist das der Fall, kann ein solcher Text sich auch ins höchst Spekulative oder Kontrafaktische Bewegen, ohne sich dabei der Fantasy anzunähern.
Grenzfälle sind wohl Geschichten, in denen Magie existiert, sie aber in einem pseudowissenschaftlichen Paradigma beschrieben wird. Wenn dazu dann noch SF-typische Motive bei der Handlung kommen (gesellschaftliche Konflikte, Lösung eines wissenschaftlichen oder magischen Rätsels), dann kann man vielleicht nicht von Hard SF reden, aber mindestens von Fantasy, die einer SF-Poetik folgt (da fielen mir Beispielsweise die Bas-Lag-Romane von China Mieville ein).
Andere Grenzfälle sind Sachen wie Star Trek, wo bewusst kontrafaktische oder höchst unglaubwürdige Physik (beamen, zahlreiche Humanoide Alienspezies) zu Storyzwecken eingesetzt und das Paradigma der Wissenschaftlichkeit meistens eher durch inhaltslosen Technobabbel als durch einen bewussten Versuch, kontrafaktische Elemente spekulativ zu erforschen, aufrechterhalten wird. So sehr ich Star Trek mag, hat mich das doch immer ein bisschen gestört ...
Es ist gar nicht so leicht zu sagen, was dagegen das Fantasy-Paradigma ist, jedoch mit Sicherheit ein anderes. Ich habe allerdings das Gefühl, Fantasy- und SF-Poetik ziemlich unabhängig vom konkreten Inhalt eines Storyuniversums unterscheiden zu können und dabei Fantasy mit Raumschiffen ebenso vorfinde wie SF mit Arten von "Magie".
Dazu noch am Rande, wobei ich nicht weiß, ob und in welchem Zusammenhang das mit dem zuvor geschriebenen steht: Beim Marvel-Filmuniversum fällt es mir komischerweise leichter, die Thor-Filme als SF zu akzeptieren als die Iron-Man-Filme. Bei Thor greift bei mir tatsächlich das Clarke'sche Gesetz - ich kann mir vorstellen, dass die "magischen" Aspekte sozusagen nur Repräsentation einer Technik und Kultur sind, die sich radikal von der unseren unterscheidet. Die SF-Einsprenksel reichen für mich gerade, damit ich diese andere Welt in Gedanken in ein wissenschaftliches Paradigma einordne.
Die Iron-Man-Filme ordne ich dagegen in unserer Welt ein, muss dann aber feststellen, dass praktisch die gesamte dargestellte Technik absolut unplausibel ist. Allein schon der Grundgedanke des genialen Wissenschaftlers, der Maschinen baut, die offenbar nur von anderen genialen Wissenschaftlern kopiert werden können, ist für mich so hahnebüchen, dass sich der ganze Rest schon fast erledigt hat. Der wissenschaftliche Anstrich von Iron Man stört mich da irgendwie mehr als die Entscheidung bei Thor, Wissenschaft, wie wir sie kennen, ganz aus dem Fenster zu werfen.