Autor Thema: Wie hat sich eure Art zu leiten verändert  (Gelesen 6663 mal)

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Offline bobibob bobsen

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Wie hat sich eure Art zu leiten verändert
« am: 8.06.2009 | 14:58 »
Ich Leite seit ca. 30 Jahren verschiedene Rollenspielrunden und wenn ich an diese lange Zeit zurückdenke muß ich feststellen, das sich meine Art zu leiten deutlich geändert hat.
Zu Beginn (13-15 Jahre alt)hatte man natürlich keine große Ahnung bzw es fehlte häufig die Sicherheit in Regelfragen und ich habe viele Hausregeln eingeführt um diese Unwissenheit zu verbergen.
Später (20-30 Jahre alt) haben wir Fairnessregeln aufgestellt und jeder hat versucht sich daran zu halten. Meine Art zu Leiten hat sich zu diesem Zeitpunkt gravierend geändert. Ich habe mich als Spielleiter deutlich Freier gefühlt und war deshab beim Leiten eher großzügig.
Inzwischen habe ich so viel Erfahrung das ich viele Dinge gar nicht mehr vorbereite. Regeln werden von mir nun eher strickt eingehalten. Ich habe die Erfahrung gemacht das es Gut ist sich auf ein einheitliches Regelwerk zu einigen und dieses möglichst genau umzusetzen das erspart viele Diskussionen.

Es wurde im Laufe der Zeit auch für mich immer wichtiger das ich als SL auch meine "Spotligts" habe (Landschaftsbeschreibungen, interessante NSC, etc) damit ich mir die Freude am Spiel erhalte.

Zur Anzahl der Kämpfe ist mir aufgefallen, das diese kontinuierlich abgenommen haben. Wenn man sich früher von einem Kampf zum nächsten geschleppt hat, kann es heute vorkommen das die Spieler lange Zeit auf keine Gegner treffen und statt dessen andere Dinge bewältigen müssen (diplomatische Aufgaben, Kletterpartien, Dinge finden, Fallen entschärfen etc.). Der Spaß-Faktor kommt aber nie zu kurz.

Als letztes ist mir aufgefallen das meine Settings (meist selbst erstellt) immer düsterer geworden sind.

Ich wollte mich hier einfach mal nach euren Erfahrungen erkundigen.



Ludovico

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Re: Wie hat sich eure Art zu leiten verändert
« Antwort #1 am: 8.06.2009 | 16:09 »
Als ich damals mit 7te See richtig angefangen habe zu leiten, nutzte ich zum Einstieg eine Kampagne, die nach dem Inselsystem aufgebaut war (die SC mussten Hardpoints durchlaufen und dazwischen gab es grobe Softpoints). Zusätzlich war ich in vielen Bereichen noch unsicher, nutzte offizielle Pet NSCs, die ich mir immer gerne aufbewahren wollte als Endgegner und sie selbst dann nicht sterben lassen wollte, neigte zum Beißreflex (wenn ein SC besonders heftig war im Kampf, nahm ich das teilweise persönlich und wollte ihn gerne auch mal unterbuttern).

Alles in allem lag mir sehr daran, die Charaktere unter Kontrolle zu halten, aber es auch jedem Recht zu machen, so dass alle Spaß hatten (inklusiver Goldener Regel und SL-Schirm und Würfelwurf drehen). Schon da legte ich Wert auf Player Empowerment, also Spieler sollten nicht mehr fragen, was in greifbarer Nähe ist, sondern einfach zulangen, ihre Aktionen beschreiben...

Heutzutage bin ich entspannter. Ich überlege mir, was die Bösewichter vorhaben, wer sie sind und dann lass ich die Charaktere in die Situation tapern und passe dann lediglich das Verhalten der Opposition an. Kritische NSCs gibt es für mich nicht mehr. Player Empowerment ist mir umso wichtiger geworden (weil es das Leiten einfacher macht). Spieler dürfen und sollen bei mir NSCs auch übernehmen, wenn die Gruppe mal getrennt ist. Den Beißreflex hab ich immer noch, unterdrücke ihn aber, sondern gehe mit einer gewissen Laissez-Faire-Einstellung an die Sache.
Ob die Spieler nun Spaß haben, ist für meine Art zu Leiten nur indirekt wichtig, eher sogar unwichtig. Es ist halt kein Spielziel mehr, weil ich für mich zum Entschluss gekommen bin, dass der Spass von alleine kommt, wenn man spielt, die Runde sich versteht und das drumherum halbwegs stimmig ist.
Sie können mir jederzeit sagen, was sie gut finden und was sie gerne anders sehen möchten. Regelmäßige Feedback-Runden sind leider aber bisher gescheitert, werde sie aber bei meiner nächsten Runde wohl als Bedingung vorgeben (ich leite gerne, muss aber nicht).

Alles in allem bin ich mit meinem Leitstil zufrieden und hatte lediglich insofern Probleme, als dass ich aufgrund des Burnouts zum Systemhopping neigte und deshalb erstmal Pause mache damit.

Wolf Sturmklinge

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Re: Wie hat sich eure Art zu leiten verändert
« Antwort #2 am: 8.06.2009 | 23:30 »
Meine Anfänge machten Insel der Schrecken, Hügel des Grauens und Rahasia aus. Teilweise stures Gekloppe, bis auf letzteres: Rahasia habe ich mit der roten Box geleitet, in AD&D, AD&D2 und D&D3 und es wirde immer verschachtelter, ich habe mir eigens Vorgeschichten und Begegnungen (unter anderem mit dem Elf Alki) zusammen geschustert bis beim letzten Mal ein wirklich bombastisches Abenteuer entstand, daß zwar immer noch die Prinzessinen-Rettung als Mittelpunkt hatte, aber auf ein sehr hohes Rollenspiel-Volumen angewachsen war.

Im Gegensatz zu früher, gehen meine Gedankengänge auf weite Reisen, überlegen sich welche Motivationen die NSC haben, wie sie zueinander stehen und mit welchen Mitteln sie ihr Leben leben. MAnchmal ist es schade, daß die Spieler nicht zu diesem Wissen gelangen, aber das ist halb so schlimm. Ich versuche auch meine Abenteuer nicht mehr so verworren zu gestalten, wie ich es früher gemacht habe.

Alles in allem habe ich den Ernst des Spiels gegen Spaß getauscht und obwohl Rollenspiel nur ein Spiel ist, ist es das für mich nicht.

alexandro

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Re: Wie hat sich eure Art zu leiten verändert
« Antwort #3 am: 8.06.2009 | 23:46 »
Am Anfang war alles was die Spieler erlebt haben (zumindest in der WoD) Teil der gleichen Welt.

Die Spieler haben immer mal wieder Charaktere (und Spiellinien innerhalb der WoD) gewechselt und teilweise im selben "Umfeld" (Stadt) der anderen Charaktere gespielt. Gab dann jedesmal riiiieesige Kontinuitätsprobleme, wenn die "alten" Charaktere wieder gespielt werden sollten und geklärt werden musste, was diese in der Zeit wo sie nicht gespielt wurden gemacht hatten (ohne dass die Leistungen der gespielten SC nachträglich retconned' werden mussten). Spätestens nachdem ich mit der Alten Welt angefangen habe, habe ich mich schrittweise von diesem einengenden Leitkonzept befreit (was zumindest in einer spektakulären "Weltuntergangs-Kampagne" mündete, von der die Spieler heute noch sagen "ich habe mich noch nie so bekifft gefühlt (ohne was geraucht zu haben), wie in dieser Kampagne"  >;D).

Ein weiteres Element welches ich inzwischen losgeworden bin ist die Angewohnheit komplexe Hintergründe für die Abenteuer zu entwerfen, welche locker für eine komplette KAMPAGNE ausreichen würden und das Woche für Woche für Woche...für jedes Abenteuer was neues (und mich dann zu wundern, warum ich die Hälfte meiner Vorbereitung nicht anbringen konnte  ::)).

Offline Joerg.D

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Re: Wie hat sich eure Art zu leiten verändert
« Antwort #4 am: 8.06.2009 | 23:56 »
Früher habe ich auf Biegen und Brechen den Konflikt gesucht die Spieler gerne mal bei Zufallsbegegnungen umgelegt und streng auf die Würfe der Spieler geachtet.

Heute können meine Spieler immer noch sterben, aber dann in einer Szene, wo es sich lohnt und nicht durch Zufall. Sie würfeln halt was sie würfeln, dass ist mir inzwischen total egal.


An sonsten hat sich an meinem Stil nicht wirklich viel verändert, außer dass ich über viel bessere Techniken verfüge um zu leiten und meine Spieler viel stärker in die Verantwortung nehme.
« Letzte Änderung: 8.06.2009 | 23:59 von Joerg.D »
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Offline der.hobbit

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Re: Wie hat sich eure Art zu leiten verändert
« Antwort #5 am: 9.06.2009 | 09:59 »
Im Laufe der Zeit ist mir beim Leiten der Korken aus dem Hintern gefallen.

Früher also sehr gut vorbereitet, aber damit auch nur einen engen Rahmen zugelassen, und ich kam in arge Probleme, wenn die Spieler ihre eigenen Ideen hatten.

Inzwischen bereite ich weniger vor, bin offener. Ist aber nicht nur gut, denn damit geht bei mir auch eine Unvorbereitetheit einher, die nicht immer gut ist.

Aktuell bereite ich eine Kampagne für Qin vor (und das wird so toll, das wird so toll, lalallala!) und gehe da einen etwas anderen Weg: Ich bereite mich gut vor, aber nur einen Ort, lebendige Charaktere und Plothooks - also ein kontrollierter Sandkasten. Bin gespannt, was daraus wird - etwas Tolles, natürlich, aber wie toll? ;)
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Offline Haukrinn

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Re: Wie hat sich eure Art zu leiten verändert
« Antwort #6 am: 9.06.2009 | 17:02 »
Am Leitstil hat sich bei mir eigentlich seit 20 Jahren nix verändert. Ich habe von Anfang an mit hohem Improvisationsanteil und sehr ergebnisoffen geleitet (und dabei so manches DSA-Abenteuer in die Tonne getreten und nur die schicken Karten benutzt... ;)).

Wo ich sicherlich, vor allem in den letzten 5-6 Jahren dagegen extrem viel dazu gelernt habe ist bei den Techniken: Womit kann ich meine Improvisation stützen, wie kann ich die Ideen der Spieler besser aufgreifen, wie komme ich schneller an Szenarien, wie sorge ich dafür, dass alle gleich viel Screen Time bekommen und wie gehe ich fair mit den Spielern um? Und ich lerne immer noch dazu...
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Online Nachtfrost

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Re: Wie hat sich eure Art zu leiten verändert
« Antwort #7 am: 9.06.2009 | 17:09 »
Ich habe früher eine sehr verquere Mischung geleitet. Einerseits hatte ich das Gefühl cineastische emotionale geile .... Schlüsselszenen anbringen zu müssen, um die ich dann mein Abenteuer gestrickt hatte. (Ganz zu schweigen von den TOLLEN NSCs mit ihrem krassen Hintergrund; Mary Sue lässt grüssen.  ;D) Nur fanden die Spieler die Szenen und die NSCs meistens nicht so geil und dem Abenteuer ging zum Ende hin irgendwie immer mehr die Luft aus.
Andererseits habe ich mir von den Spielern irgendwie die Butter vom Brot nehmen lassen.
Also, ehrlich gesagt, ein ziemlich schlechter SL, so im nachhinein betrachtet  ::).

Heute leite ich seit langer Zeit als nur-Spieler ab und zu wieder. Ich bin viel härter geworden und wenn es notwendig ist, nehme ich die Zügel auch mal fester. Mit meinem Stil möchte ich ein lebendiges Bild der Welt zeigen, NPCs sollen keine Abziehbilder sein, Handlungen haben Konsequenzen (auch mal harte  8]) etc. Ich bereite mich nur dahingehend vor: Was? Welches ist der Hintergrund der Ereignisse, die sich im Spiel auftun. Wer? Wer sind die involvierten Personen, was ist ihre Motivation. Wo? Die wichtigsten Locations werden vorher kurz skizziert, damit ich einen Überblick habe. Wann? Erfolgen bestimmte Ereignisse zu gegebenen Zeiten.

Und dann lass ich es laufen... Die Spieler schaffen es schon selbst, sich in Schwierigkeiten zu bringen. Ich werfe den Haken aus und wenn sie angebissen haben ist der Rest der Geschichte Interaktion zwischen den Spielern und den 4 W's. Nix mehr mit vorgefertigten Schlüsselszenen. Verlangt zwar einiges an Improvisation und schnellem Reagieren aber ich bin heute zufriedener  :D

Edit: Fehlerkorrektur  ;)
« Letzte Änderung: 9.06.2009 | 17:17 von Nachtfrost »
Ich kann die Gedanken hinter den Regeln ja durchaus verstehen. Dämonen sollen schliesslich schreckliche und furchteinflößende Wesen sein. Daher müssen auch die entsprechenden Regeln grauenvoll sein.

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Offline Lord Verminaard

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Re: Wie hat sich eure Art zu leiten verändert
« Antwort #8 am: 9.06.2009 | 17:19 »
Erst habe ich D&D, AD&D und Cthulhu geleitet und hatte keinen Plan.

Dann habe ich Star Wars d6 gelesen und habe so geleitet, wie es da stand, also Illusionismus, allerdings nicht in der Extrem-Railroading-Variante, die angeblich existieren soll, sondern in der verbreiteten gemäßigt-sozialverträglichen Variante, auch Participationism genannt.

Dann bin ich durch das Spiel bei neue SLs und Mitspieler von diesem dominanten Leitstil abgekommen und insbesondere bei einem Conan-Eigenbau (kurzzeitig auch Vampire und DSA) einen total reaktiven, nicht zielgerichteten Leitstil ausprobiert, der punktuell sehr gut ankam, insgesamt aber in keiner Gruppe zu wirklich zufriedenstellenden Ergebnissen führte.

Dann habe ich mich eine Weile aufs Spielen verlegt und, wenn überhaupt, nur kooperative Forge-Spiele geleitet, bei denen die Aufgabenteilung eh formalisiert und der Stil damit vorgegeben war. Aber das war gar nicht so toll. Ich habe über Bass Playing und Flag Framing gelesen und diese ausprobiert.

Nunmehr habe ich mir einen proaktiven, kooperativen Leitstil angewöhnt (bzw. abgeguckt/zurechtgelegt), den ich hier näher beschrieben habe und der sich ganz knapp wie folgt umschreiben lässt: „Spiele mit den Spielern.“

Alles in allem schon eine ganz schöne Wandlung, finde ich.
« Letzte Änderung: 10.06.2009 | 09:28 von Lord Verminaard »
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Offline hexe

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Re: Wie hat sich eure Art zu leiten verändert
« Antwort #9 am: 9.06.2009 | 17:28 »
Ich habe Mitte der 90er nach 2 Shadowrunabenden mit DSA3 angefangen zu spielleitern. Nach einem halben Jahr hatte ich tolle Hausregeln (um eine ganze Menge Zufallsquatsch hinauszunehmen), die immer noch verwende. Also entweder habe ich mich kaum weiter entwickelt, oder auch war damals schon genial. Ich tendiere natürlich zu letzterer Aussage. ;)

Schon das erste Kaufabenteuer wurde in die Tonne getreten und ich habe nur noch Lösungswege skizziert. Meine NPCs zu eigenständigen Personen gemacht und da ich schon immer sehr faul war, meine Methoden entwickelt möglichst wenig vorbereiten zu müssen. Vielleicht hat es sich in soweit geändert, dass ich mir nicht einmal mehr Lösungswege skizziere und die Spieler alleine machen lasse. Denen fällt schon etwas ein.

Offline Oberkampf

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Re: Wie hat sich eure Art zu leiten verändert
« Antwort #10 am: 9.06.2009 | 18:54 »
Spielleiterentwicklung:

Angefangen mit DSA. Keine Ahnung von Tuten und Blasen, also an den wenigen vorhanden Kaufabenteuern orientiert. (Ja, das waren damals wenig bei DSA!) Also gelernt:
a) Rollenspiel besteht aus Räumen, in denen Monster sind, die die Spieler töten, bis die Spieler etwas gefunden haben, was ein Oberbösewicht bei sich trägt. (Wald ohne Wiederkehr)
b) Plots sind papierdünn (Wald ohne Wiederkehr, Wirtshaus zum Schwarzen Keiler)
c) Wenn Spieler des Plots wegen eingesperrt werden, mögen sie es nicht und man hat stundenlange Diskussion am Tisch ("Wirtshaus zum Schwarzen Keiler" als SL, "Unter dem Nordlicht" ein Jahr oder so später als Spieler)

Da Abenteuer teuer (pardon the pun) und selten waren, die DSA 1 Regeln sehr wenig regelten, die Welt noch nicht ausgearbeitet und der Monstersatz etwas beschränkt war (6 Monster im Grundregelwerk), musste ich lernen zu improvisieren, zu hausregeln und zu erfinden. Deswegen habe ich auch immer noch einen schwach ausgeprägten Respekt vor Regelwerken und gebe mehr auf Gruppenkonsens. Die Schwächen und Lücken des Regelwerks trieben mich zur Suche nach einem anderen Fantasyrollenspiel.

Weiter gings mit Midgard. Neu gelernt: Man kann Monster und NPCs auch nach Regeln erstellen, anstatt nur willkürlich stats zu verteilen. Man kann Abenteurer auch Klettern, Springen und Schwimmen lassen, anstatt Gefahren nur durch Kämpfe zu simulieren. Statt Dungeonabenteuer leitete ich jetzt mehr Reiseabenteuer.
Neues Problem: Charakterklassen sind vom Gefühl her nicht mehr ausgewogen. Führte wieder zu starker Verhausregelung.

Nächster Sprung: Cineastische, nach Szenen geordnete Systeme. Neu gelernt: Stadtabenteuer sind eigentlich nur Reiseabenteuer, wo die Begegnungen nicht auf eine Karte gezeichnet werden. Die Spieler werden von einer Szene zur nächsten geleitet, zwischendrin würfelt man Kämpfe aus. Betrügen "zugunsten der Spieler" (wirklich?) ist erlaubt. Die Story steht im Mittelpunkt, sie hat mehrere Wendungen, die die Spieler verfolgen dürfen. Damit die ersten Schritte in die Falle des Illusionismus getan.

Vampires: Die dunklen Jahre. Neu gelernt: Beim Rollenspiel geht es darum, seelische Konflikte darzustellen. Dazugelernt: Das mag kaum jemand spielen. Deshalb stellte ich wieder die Story in den Vordergrund. Ich beginne, meine Storys intensiver vorzubereiten. Meine ersten beiden (und einzigen) Mary Sue NSCs entwickelt. Darauf gemischtes Echo aus den Gruppen. Als Spieler Abneigung gegen übermächtige NSCs entwickelt und schließlich aufs eigene Leiten übertragen. Ende der 90er wächst bei mir die Skepsis an sich selbst abwickelnden Plots.

Zurück ins Fantasysetting: Earthdawn. Seit langer Zeit verstärkt Rückgriff auf Kaufabenteuer. Drei neue Erfahrungen:
a) Spieler spielen oft nicht so, wie es Charakter und darauf zugeschnittener Plot verlangen. Zuschneiden des Plots ohne Absprache mit Spieler abgewöhnt (dauerte lange).
b) ich stehe auf mittelalterlich/frühneuzeitliche Settings mit einem Hauch von Fantasy, nicht auf völlig magische Welten.
c) Funktionierende Regelsysteme sind wichtig.

Rückgriff auf AD&D: Besser einfache Regeln mit Lücken als ein schlechtes Regelsystem. Kombination aus Stimmungsspiel, Story und Kampf gespielt, verstärkte Rückfragen an Spieler, wohin die Reise im weiteren Abenteuerverlauf gehen soll. Spielern mehr Mut zur Eigenständigkeit nahe gelegt und auch Glück mit der Gruppe gehabt. Zum ersten Mal eine Serie aus (konvertierten) Kaufabenteuern zuende gespielt.

Umstieg auf 3E: Kämpfe gewinnen an Bedeutung, Story wird dünner, Monster- und Kampfvorbereitung nimmt mehr Zeit in Anspruch. Erste Zufallsdungeons nach Methode des DMG ausprobiert. Einige Spieler beschweren sich über die dünnen Storys. Erste Erfahrungen mit dem Versuch, eine "böse" Gruppe zu leiten - ich mag es nicht. Die zunehmende Unausgewogenheit der Charaktere stört mich außerdem. Das Lei(d)ten eine Weile hingeschmissen und zum Spieler mutiert.

Seitdem neue Versuche: Überwiegend versuche ich ein Gleichgewicht zwischen Story und Action herzustellen. Storys werden grundsätzlich vorbereitet und nach Herausforderungen geordnet. Mindestens ein Lösungsweg wird skizziert (weil ich als Spieler schon an Abenteuern verzweifelt bin, in denen der Spielleiter jeden Lösungsansatz der Spieler ausgehebelt hat und wenn man ihn hinterher fragte, was man hätte tun sollen, einfach die Schultern gezuckt hat). Alternative, von mir nicht angedachte Lösungsansätze der Spieler werden nach Möglichkeit "mechanisiert", d.h. in Fertigkeitsproben übersetzt o.ä. Vertrauen in den Würfel wieder gewonnen. Suche nach Kompromissen zwischen Flavourbedürfnissen in der Gruppe. Private Hintergrundstorys sind weitgehend alleinige Sache des Spielers - er arbeitet die Szenen/NPCs usw. aus, in denen der Hintergrund erspielt wird.

Hui, lange Post.
Dans un quartier qui est triste à tuer
Prends des bombes de peinture et bombe tout
Ecris se que tu penses sur les murs!
Couleurs sur Paris...nanana...
Il est temps de changer... na nana na

Offline JS

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Re: Wie hat sich eure Art zu leiten verändert
« Antwort #11 am: 9.06.2009 | 19:38 »
ganz, ganz früher motiviert, vielseitig, improvisativ, feurig,
dann dito, aber mit hoher erwartungshaltung an die spieler,
dann desillusioniert, weniger motiviert, weniger feurig, nur noch kaufabenteuer,
dann vor langeweile gar nicht mehr,
nun seit entdeckung von warhammer und schattenjäger wieder motiviert, feurig, nur noch kaufabenteuer und viel entspannter.
Wer gern sagt, was er denkt, sollte vorher etwas gedacht haben.

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Re: Wie hat sich eure Art zu leiten verändert
« Antwort #12 am: 9.06.2009 | 20:53 »
Ich schlage meine Spieler nicht mehr freundschaftlich mit Büchern, wenn sie zu dumm sind.

Offline Haukrinn

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Re: Wie hat sich eure Art zu leiten verändert
« Antwort #13 am: 9.06.2009 | 21:13 »
Oh, Du bist aufs offensichtlich feindselige Verprügeln umgestiegen?  >;D
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Offline SeelenJägerTee

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Re: Wie hat sich eure Art zu leiten verändert
« Antwort #14 am: 9.06.2009 | 23:00 »
Früher:
König ans Bein gepisst?
Die Garde kommt: Ihr seid Tot!


Jetzt wird die Sache bis zum Ende durchgezogen:
König ans Bein gepisst?
Garde kommt (hinweis ihr solltet Laufen - den natürlich alle überhören).
Kampfrunde 1.
....
Du erhälst 20 Schaden.
...
(Hinweis auf das offen stehende Fenster!)
...
Du erhälst 12 Schaden.
Du hast 0 Lp.
Ihr seid Tot!

Man sieht es läuft heute alles anders als früher. ~;D

Offline Funktionalist

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Re: Wie hat sich eure Art zu leiten verändert
« Antwort #15 am: 9.06.2009 | 23:39 »
Mein Stil hat sich nicht geändert.
ich mag es immer noch, die Chars per illusionismus zu dem Punkt zu treiben, an dem es interessant wird und dann alles freizustellen. Wenn vorher eigeninitiative kommt auch fein.

Kämpfe kommen recht selten vor, wenn dann sind sie dreckig und hart und was die REgeln angeht, bin ich auch eher konsequent.

Naja, heute gehe ich bei NSCs etwas mehr mit als früher, aber ansonsten hat sich in den paar Jahren nicht viel verändert außer, dass der Werkzeugkasten größer geworden ist.

sers,
Alex

Offline Crimson King

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Re: Wie hat sich eure Art zu leiten verändert
« Antwort #16 am: 9.06.2009 | 23:47 »
Ich ignoriere die D&D Dungeon Crawl-Zeiten mal.

Seitdem haben sich vor allem zwei Dinge geändert:

1. Ergebnisoffenheit: ich war bis vor ca. 2 Jahren ein recht heftiger Railroader mit einem gut strukturierten Plot, der gespielt werden wollte. Das ist heute anders. Selbst wenn der gut strukturierte Plot noch existiert (was er meistens tut), gehe ich konsequent auf Spielerideen ein.

2. Scene Framing: ich breche keine Szene ab, solange ein Spieler seinen Spaß in ihr hat, aber ich eröffne keine Szene mehr, in der ich keine potenzielle Plotrelevanz erkennen kann. Früher habe ich lange Reisen inklusive Nachtwachen, Marktplatz-Einkäufe etc. immer ausgespielt. Wozu? Da konzentriere ich mich lieber auf die Szenen, die den Plot voran bringen.
« Letzte Änderung: 7.07.2009 | 21:04 von Crimson King »
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

J.W. von Goethe

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Re: Wie hat sich eure Art zu leiten verändert
« Antwort #17 am: 30.06.2009 | 21:13 »
Damals, als ich angefangen habe zu leiten, bin ich erstmal mit der Ein-und Vortstellung da ran gegangen, es müsse alles perfekt sein. Ich MUESSTE es perfekt machen. Dementsprechend hab ich mega viel Zeit mit Vorbereiten verbracht, und war nach dem ersten Mal etwas verägert, weil die Gruppe nur die Hälfte des Plots geschafft hatte, und einges komplett anders gelaufen war, als von mir vorgesehen. Ich habe wirklich sehr viel Zeit mit Vorbereitung verbacht. Mein Vorbild damals war unser ehemaliger 7teSee-SL, von dem ich das so mehr oder minder übernommen hatte.

Dann gab es eine Sitzung, in der uns o.g. SL für 45 Minuten aus dem Raum schickte, weil wir als Gruppe Weg B und nicht Weg A gewählt hatten. Das gab mir damals zu denken und war schon so ne Art Schlüsselerlebnis für mich und meinen Leitstil. Im Lauf der Zeit habe ich gelernt, dass zu viel Vorbereitung eher schadet, und so habe ich mir angewöhnt, lieber weniger vorzubereiten und dafür mehr zu improvisieren.

Heute schätze ich auch Player Empowerment, habe aber kein Problem mit Spielern, die sich eher passiv verhalten. Railroading nutze ich auch ab&zu, wenn ich der Ansicht bin, dass es zur Situation passt und Stimmung & Atmosphäre steigert oder aufrecht erhält.

Was sich zudem noch sehr stark verändert hat bei mir, ist die Lust, leiten zu wollen. Anfangs konnte ich mir das überhaupt nicht vorstellen, zu leiten. Und heute leite ich lieber, als dass ich spiele. Und habe es bislang nicht bereut.  :)
"Wir leben nach den Regeln, wir sterben nach den Regeln!"

"Wer nicht den Mut hat zu werfen, der wird beim Würfeln niemals eine Sechs erzielen."

ChristophDolge

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Re: Wie hat sich eure Art zu leiten verändert
« Antwort #18 am: 30.06.2009 | 21:34 »
Beim Scene-Framing habe ich auch einige Fortschritte gemacht, früher galt: Nicht gespielt ist nicht passiert, zwischendurch war der Plot Gott und nicht deutlich plotrelevantes wurde im Nebensatz abgehandelt. Heute spiele ich mit meinen Spielern einfach alle Szenen, auf die sie Lust haben, denn in der Regel profitiert die Performance am Tisch vor allem vom Spaß der Spieler.

Ich würfle nach wie vor verdeckt, verändere aber keine Würfelergebnisse mehr zu Gunsten der Spieler.

Spielerbelohnung ist extrem wichtig geworden - und wenn man sie mitunter nur mit ein wenig Aufmerksamkeit belohnt (der Spieler hat eine Runde gerockt? dann gönn ich ihm auch mal eine Szene, in der er seinen Charakter so richtig nach Strich und Faden ausleben kann), ich habe keine Angst mehr vor mächtigen Gegenständen/ Verbündeten etc. auf Seiten der SCs und meine Gegner agieren deutlich intelligenter als früher.

Railroading wurde in unserer Gruppe zum Stilelement erhoben: Es gibt bottleneck-Sequenzen, da wird halt auch mal der Erzählonkel ausgepackt, um eine coole/spannende Szenerie aufzubauen, mit den Spielern ist abgesprochen, dass sie z.T. auf Gestaltungsfreiheiten verzichten, dafür aber auch einfach auch mal wirklich dramatische/ choreographierte Szenen geliefert bekommen und sie stehen drauf. Früher habe ich oft Nein gesagt - wenn ich merke, dass eine Szene so wie ich sie geplant habe, nicht aufgeht oder den Spielern keinen Spaß macht, dann lasse ich sie von den SCs auch mal ganz ordentlich demontieren.

Achja: SCs sterben bei uns nur in Ausnahmesituationen, war eine Gruppenentscheidung. Ganz früher konnte man noch sterben, weil man sich mit noch einem HP an einer Nadel gestochen hatte, heute geht das nicht mehr.

Regelwerk ist übrigens völlig überbewertet, wir spielen Fantasy, haben meinen Heartbreaker Mystic-Legends, Dungeons & Dragons und auch DSA auf dem Tisch liegen, nutzen die Regelwerke aber v.a. als Inspirationsquelle, es wird meist auch nicht auf Werte gewürfelt, sondern auf grob geschätzte Wahrscheinlichkeiten (und oft lasse ich die Spieler selbst einschätzen, wie groß ihre Chancen stehen und fahre damit extrem gut - nicht selten sehen sie sich selber in schlimmerer Lage als der SL oder reiten sich mit Absicht in die Scheiße, um ein wenig Dramatik aufzubauen). Früher wurde recht eng an den Regeln gespielt, aber bereits mit dem ersten Ausdruck des Mystic-Legends-Regelwerkes war mir klar, dass ich so regellastig eigentlich gar nicht mehr spielen will.

Offline Falcon

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Re: Wie hat sich eure Art zu leiten verändert
« Antwort #19 am: 1.07.2009 | 00:28 »
die Erkenntnis zum Scene Framing habe ich irgendwie nie gebraucht. Überhaupt hat schon von Anfang an der übelste DSA Railroader bei uns unwichtige Szenen überspringen. Das war irgendwie völlig natürlich Dinge zu überspringen, die es nicht lohnt zu bespielen. Schön, daß es nun dafür einen Begriff gibt aber die Erkenntnis war imho immer ein No-Brainer (gut, man kann auch coole Rückblenden damit machen).
Was sich geändert hat ist zu erkennen WAS unwichtig ist. Die nutzlosen Lagerfeuer und Wacheneinteilszenen hatten wir am Anfange natürlich auch. Genauso wie das halbstündige Vor-Die-Tür gehen.

Da ich aber extrem ungeduldig bin war ich von Anfang (habe aber schon sehr lange Spieler gemacht bevor ich mich das erste mal getraut habe zu leiten) an sehr großzügig bei der Festlegung von "unwichtigen" Sachen. Zack Weg, Zack überspringen. Ich hab gehört und höre oft, daß es zu schnell ginge, wenn ich leite, mir kommts aber noch zu langsam vor. Heute habe ich nahezu sämtliche Flairszenen aus meinem Leiten entfernt und versuch mir gerade wieder etwas "Füllmaterial" anzugewöhnen.

Das Problem des peniblen Vorbereitens hatte ich auch. Ich hatte einen Plot mit (natürlich) coolen Szenen und den wollte ich durchbringen. Vor allem habe ich fast nur Fertigabenteuer geleitet (heute gar nicht mehr).Das Mogeln habe ich mir dabei schnell abgewöhnt, noch vor dem Grofafo. Stattdessen habe ich (unwillkürlich) immer weiter trainiert wie ich die Abenteuer aufbauen kann, daß die Helden einen Grund haben wahrscheinlich so zu handeln wie ich den Plot ablaufen lassen will. Mittlerweile ist die Trefferquote ganz gut, wobei ich auch keine Probleme habe wenn es in eine ganz andere Richtung geht, allerdings sehe ich mich dann nicht mehr in der Verantwortung für spannende Schlüsselszenen zu sorgen, wer die persönliche Freiheit überreizt kanns also auch mal Langeweile geben (es ist immerhin ein Gemeinschaftsspiel).
Mittlerweile brauche ich viel weniger Zeit dafür, obwohl ich mich schon früher nicht an einem Stück daran setzen konnte: Plotidee und wichtige Szenen kommen in einem Geistesblitz und Ausgestaltung und einbeziehen diverser Eventualitäten passiert in der Woche vor dem Spielabend nebenher in Denkpausen.

Meine Schlüsselerlebnisse waren damals ein 3Stündiges Lagerfeuergelaber über die Maraskanischen Götter (ich bin das einzige Mal aufgestanden und nach Hause gegangen) und eine 1 1/2 stündige One-Man-Stimmi-Show bei einem Tulamiden Emir eines Mitspieler (ich habe dann auf der Couch gepennt).
Da war mir dann entgültig klar, daß ich bei DSA mit seiner egozentrischen Spielerschaft niemals das bekommen würde, was man sich früher an spannenden Geschichten vorgestellt hat.

Im Grofafo habe ich dann extrem viele Methoden, Modelle und Ideen aufgesogen, von denen ich die meisten eigentlich nie gebraucht habe.
mitgenommen habe ich:
- Regeln müssen nicht realistisch sein und alles abdecken
- weniger Regeln sind besser
- by the book gibts nicht
- System does matter und alles spielt nach den gleichen Regeln
- berücksichtigen der Charakterwerte ist wichtiger als Stimmungsspiel, da fairer
- harte Konsequenzen der Spielerentscheidungen sind wichtig
- die D&D Philosophie ist viel spassiger als die DSA Philosophie und Miniaturenkämpfe sind in jeder Hinsicht besser
Alles Punkte über die ich mir vohrer nie Gedanken gemacht habe.

meine NPC und SC Rollenspieldarstellung ist allerdings noch genauso schlecht wie am Anfang. Gut, vielleicht minimal besser.
« Letzte Änderung: 1.07.2009 | 00:44 von Falcon »
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Offline Retronekromant

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Re: Wie hat sich eure Art zu leiten verändert
« Antwort #20 am: 1.07.2009 | 13:24 »
Also, mal grob die Entwicklung:

Angefangen mit AD&D 2nd Edition (als selbige noch brand neu war), im Zarten alter von 11-13 Jahren  ;D
Vom Taschengeld das Spielerhandbuch gekauft, und dann weil sonst kein Geld mehr da war, das PC-Spiel-Abenteuer "Eye of the Beholder" abgekupfert. Schnetzel, Metzel, Hacken und Slayen, aber sehr viel Spaß für alle beteiligten. Man war halt noch nicht so anspruchsvoll  ;D
Außerhalb des Dungeons aber railroading bis zum abwinken natürlich...(innerhalb des Dungeons passiert das ja automatisch, schließlich hat er Wände...)
Viele grottenschlechte Hausregeln haben sich entwickelt. SC sterben oft.

Etwas mehr Erfahrung und auch Spielmaterial. Auch mal Romane gelesen und Interesse für Greyhawk, Darksun und Forgotten Realms entwickelt. Stimmigere Abenteuer, auch mal NSCs die keine Auftraggeber, Feinde oder Händler waren  ::)
Banale Szenen ausspielen (Hartwurst), fanden wir auch ganz gut. Auch hier hatten wir ein Mords-Spaß
Mehr Spielmaterial -> weniger Hausregeln.

Dann mal kurze Eskapaden nach Shadowrun und Midgard, schnell wieder zum geliebten AD&D zurückgekehrt, dem einzig wahren.
Etwas später, ca. so mit 18 dann Kontakt zu "erfahrenen" Spielleitern der typisch-deutschen DSA-Atmo-und-Stimmungs-Kacke. Dementsprechend Stil geändert. "Würfel drehen und Schummel zugunsten des Plots ist gut und richtig" und "Nimm deinen bösen Powergamer-Spielern alles weg und gib ihnen keine EP mehr "--> Keiner hatte mehr Spaß

Die "Regeln sind unwichtig" Phase. Ewig lange Diskussionen. --> Noch weniger hatten Spaß. Standen kurz vor Gruppenauflösung.

D&D3 kommt raus. Regelumstellung ist zäh, viel wird falsch gemacht, da wir noch in AD&D verwurzelt waren. Ich habe nach langer Zeit dann den SL Posten abgegeben. Der "neue" hat dann in etwa so geleitet, wie ich vor dem Einfluss durch die DSA-Stimmis, und wir alle merken: Das macht doch wieder viel mehr Spaß so. Ab da ging es richtig aufwärts.
Mehr Story, mehr Lösungsansätze, immernoch railroading-Tendenzen. Wieder zurück zum eng-am-Regelwerk-leiten.

D&D3.5, Wilderlands. Zum ersten Mal Hexcrawl/Sandbox spielen. Quests werden improvisiert, später auf lustigen, selbstgemachten Quest-Zufallsgenerator-Tabellen ausgewürfelt. anfangs zäh, aber so viel Spaß wie lange nicht mehr. Mal variiert mit einem "overarching Plot" plus randomisierte Sidequests. SC sterben oft. Wieder weg vom Eng-am-Regelwerk, aber es werden nur Sachen hausgeregelt, die vorher gemeinsam abgesprochen wurden, bei "Streit" hat zuerst das Regelbuch das letzte Wort, und nur wenn es unklar oder die Situation nicht abdeckt entscheidet der DM.

Kürzlich: Internet entdeckt, ARS entdeckt, Handlungsmaschine entdeckt. Etwas mehr Simulation im Bezug auf Wirtschaft. Strategische Kampagnen für mich entdeckt, mit Kriegsführung und Diplomatie und entsprechenden Regeln. Es geht aufwärts und macht mehr Spaß denn je :) SC sterben selten, aber nicht etwa, weil ich als DM schummel, sondern weil ich erkannt habe, wie wichtig Information ist, in einer Realität, die erzählerisch erzeugt wird. Und wenn man es fünfmal wiederholt. Gesagt=Getan wird abgeschafft. Plot existiert nicht mehr in der Form, sondern er entsteht beim Spiel, welches mittlerweile 100%ig ergebnisoffen läuft. Tendenziell auch wieder sehr viel enger am Regelwerk, aber auch einige Hausregeln. Regeln sind wichtig, denn sie bilden die Grundlagen, quasi die "Naturgesetze" für die im Spiel geschaffene Realität.

Ein kleines Spaß-Tief gabs als wir die 4te Edition ausprobiert haben, aber das wurde schnell wieder auf Ebay vertickt  ;)
« Letzte Änderung: 1.07.2009 | 13:49 von WorldEater »
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Offline Niyu

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Re: Wie hat sich eure Art zu leiten verändert
« Antwort #21 am: 1.07.2009 | 16:44 »
Vom alten DSA 2 & 3 auf Vampire die Maskerade gewechselt und danach ein Mittelding zwischen Regeln und Regelfreiheit gesucht.
Bei D&D 3.5 gelandet und mit ein paar Hausregeln glücklich geworden. Das ganze Allerdings nicht als besseres Hero Quest aufgezogen sondern mit einer lebendigen Welt, die auch funktioniert, wenn die Spieler nicht darin agieren – aber sie merken, dass sie etwas beeinflussen können und zwar von wenig (Stufe 1) bis sehr viel (ab Stufe 10). Dazu eine allumfassende „Grundstory“ die die Spieler von Anfang bis Ende begleitet. Eine Art Kampagne die jedoch mehr als 3 Jahre andauert und eben den unbegrenzten Sidequest Möglichkeiten einer absolut offenen Welt.

Ob die Spieler nun in Faerun sind oder in den Ebenen oder ganz woanders macht nichts. Die Dinge geschehen zu einer vorgesehen Zeit – entweder sind die Spieler da und können es beeinflussen, oder sie kriegen es irgendwann mit. Dies ist tatsächlich ein wenig wie ein Buch mit mehreren Nebenlinien. Eine Linie gestalten die Spieler immer selber und daraus ergeben sich weitere Linien bzw. es laufen separate Linien nebenher, bis sich die Spieler vll. mal darum kümmern oder sich die Linie selbst beendet.

Offline Lichtbringer

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Re: Wie hat sich eure Art zu leiten verändert
« Antwort #22 am: 3.07.2009 | 14:11 »
Also ich habe immer schon selten Abenteuer vorbereitet und das meiste improvisiert. Dabei hat sich jedoch der Inhalt dieser Abenteuer deutlich gewandelt.

Zu Beginn (mit 13-15 Jahren) einfache Abenteuer mit simplen Geschichten und viel Kampf.

Zwischendurch (15-17 Jahre) praktisch rein reagierende Spielwelt. Zu dieser Zeit hatte ich Spieler, die sich gerne ihr Abenteuer sozusagen selbst gesucht haben. Häufig genug, indem sie es schafften, sich in riesige Schwierigkeiten zu bringen und dann wieder rausmussten. Aus heutiger Sicht ziemlich arm, half mir aber sehr, das normale Leben in einer Spielwelt besser fassen und einbinden zu können.
Dann (mit 18-20 Jahren) das Streben nach Höherem. Komplexere Handlungen, verschachteltere Abenteuer, erste echte Kampagnen. Kämpfe treten immer mehr in den Hintergrund, Regelgepoche gibt es nur in Maßen, es wird eine Geschichte ermöglicht aber nicht erzwungen.

Die nächsten zwei Jahre dann vor allem die glaubwürdigere Spielwelt. Also vielschichtigere NSC mit eigenem Leben, die glaubwürdiger dargestellt werden. Dabei stand leider immer wieder die Einstellung einiger Spieler im Weg, die einfach miese Rollenspieler waren und immer wieder überrascht waren, dass ihre SC allen Ernstes mit den Konsequenzen ihrer Handlungen konfrontiert werden.

Dann war sowieso erstmal Spielpause wegen Studienbelastung.

Seit Herbst letzten Jahres bin ich im Paradis. Gute, motivierte Gruppe, mit der man vieles ausprobieren kann. Mein Leitstil und meine Abenteuer haben sich deutlich weiterentwickelt. Jetzt auch sehr viel Charakterspiel dabei. Kämpfe wieder etwas mehr, aber nicht um deren Existenz willen, sondern als wirkliche Handlungselemente. Außerdem weiter glaubwürdige Spielwelten. (z. B. bin ich dafür bekannt, in Fanatsywelten viele Kinder als NSC einzusetzen. Wen wundert's, die Altersstruktur unserer Gesellschaft ist nicht gerade der historische Normalfall.)
Außerdem habe ich nun Zeit regelmäßig zum kieler Rollenspielverein zu gehen. Dadurch natürlich eine viel größere Bandbreite an verschiedenen Spielern und Spielen, was für eine Auffächerung meines Leitstils gesorgt hat. Je nach Welt nun auch mal reines Erzählspiel (Scheibenwelt, Phantásien), so wie klassisches Rollenspiel mit vielseitigen Abenteuern in verschiedenen Genres.

Ich bin somit quasi austrainiert. Zumindest denke ich das momentan. Wahrscheinlich werde ich in fünf Jahren zurückblicken und mich fragen, wie ich damals nur so schlecht sein konnte.

Offline Skele-Surtur

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Re: Wie hat sich eure Art zu leiten verändert
« Antwort #23 am: 3.07.2009 | 14:31 »
Ich hab ziemlich spät mit Rollenspiel angefange, etwa mit 17. Da war ich ziemlich unsicher und habe immer versucht die komplette Kontrolle über alles und jeden zu haben, war großzügig mit Verboten usw.
Ich habe dann eine Weile garnicht gespielt, vielleicht ein halbes Jahr, und ,nach einer Weile, in der ich nur gespielt hatte, wieder das leiten angefangen.
Ich bin jetzt freier geworden, gehe souveräner vor und versuche nicht mehr auf Teufel-komm-raus meinen Plot durchzudrücken. Spielerfreiheit ist mir extrem wichtig geworden und ich versuche meinen Spielern immer die größt mögliche Freiheit zu geben.
Interne Weltlogik ist mein zweites Steckenpferd geworden. Meine NSCs sollen lebendig wirken und die Welt in sich Sinn ergeben.
Doomstone ist die Einheit in der schlechte Rollenspiele gemessen werden.

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Offline Agarnesta

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Re: Wie hat sich eure Art zu leiten verändert
« Antwort #24 am: 6.12.2009 | 06:25 »
Am Anfang habe ich viel Hack n Slay produziert, dann habe ich immer mehr Rätsel eingebracht und immer mehr Denkaufgaben.
Das Problem bei unserer Rollenspiel-Gruppe war und ist, daß die Spieler Zugriff haben auf alle Quellenbücher. Somit ist das Wissen am Tisch immer über den der Charaktere, somit mußte ich immer höllisch aufpassen mit den Regeln. Ein Abend habe ich auch damals komplett in die Tonne getreten, da ich als Meister angezweifelt wurde...
Dafür wurde ich aber bei einem anderen Abenteuer von der ganzen Gruppe gelobt für ein extrem gutes Abenteuer bzw. in diesem Fall war es ein Run.

Das hat sich alles verändert mit Earthdawn. Earthdawn spielen wir nun schon seit 1998 und ich habe dort den alleinigen Meisterplatz übernommen. Ich habe mir also die Welt von Earthdawn so auf die Gruppe zugeschnitten wie sie zu ihnen passt. Unsere Regelfuchser habe ich somit ohne weiteres im Griff, den richtigen "Rollenspielern" biete ich eine ausgewogenes Spielen und die Hack n Slay Spieler dürfen auch immer ran und ein paar Gegner verkloppen. Ich meistere mittlerweile bei keinem anderen Rollenspiel mehr, ok ab und an mal Shadowrun, aber eher selten.
Seitdem ich als fester Meister bei Earthdawn unsere Gruppe führe, gehen mir die Abenteuer leicht von der Hand und meist gehe ich von unserem Tisch und mein Kopf sprudelt über mit neuen Ideen für die nächsten Abenteuer. Meine Gruppe ist mit meinem Still zufrieden und hat jeden Abend Spaß und Laune. Ich nutze aber gern ab und an fertige Abenteuerbücher und passe sie uns an, aber ein komplettes Abenteuer in die Tonne gekloppt, wie hier einige geschrieben haben, habe ich noch nie. Die Bücher sehen aber dann auch dementsprechend aus, mit Notizen am Rand etc. :)

Jetzt nach einer längeren Pause bauen wir die Gruppe wieder neu auf und suchen auch neue Mitspieler, da einige der alten Spieler jetzt wenig Zeit haben oder nicht mehr in der Gegend wohnen. Aber ich freue mich darauf wieder meinen Platz am Tisch einzunehmen und mich und meine Mitspieler wieder in die Welt von Earthdawn entführen zu dürfen.
Denken ist oft schwerer, als man denkt. (Werner Mitsch, dt. Aphoristiker, 1936)