Ich bin ganz sicher schon mal hiergewesen, ich weiß nur nicht mehr wann.
Ich hatte gestern durch Zufall das Mißvergnügen, in eine DSA-Runde zu geraten, die ich furchtbar und entsetzlich langweilig fand, die aber genau so ablief, wie die viele DSA-Runden, die ich kenne. Und die mangels Kenntnis von Alternativen von den Beteiligten für "normales" Rollenspiel gehalten wird, aber wahrscheinlich mit Gewinn durch das gemeinsame Schauen von Germany's Next Top Model ersetzt werden könnte.
Die Spieler waren allesamt sehr nette Menschen, die schon geraume Zeit spielen und Aventurien kennen. Der Meister war mir als sehr kreativer Spieler bekannt, intelligent, sozial kompetent (von der Sorte: kann mit jedem gut) also eigentlich die Sorte Mitspieler, beim dem man sich ohne Bedenken an den Tisch setzt. Er ist auch als Meister sehr beliebt und könnte ohne Probleme zwei Gruppen finden, die er bespielt. Gut, wir haben im Vorfeld kurz über Kaufabenteuer gesprochen und als er zu den vielen Flaschenhälsen und zu den teilweise überhaupt nicht zur genannten Spielerstufe passenden Werten und zum Fehlen besiegbarer Unterschurken (bei der 7G-Kampagne), den Klassiker "das kann ich als Meister ja anpassen" auffuhr schwante mir schon, dass sein rollenspielerischer Horizont nicht der breiteste ist. Als er mir dann noch versicherte, er lenke die Geschichte ohne dass die Spieler das merken (Illusionismus) hat sich dieser Eindruck noch verstärkt, aber der Sachverhalt war unklar genug, dass mir das Ganze einen Blick wert schien.
- Schneckentempo
Wir spielten Perlwasser aus der Anthologie Strandgut und kamen in vier Stunden ungefähr zwei Seiten weit. Wir gingen an Bord eines Schiffes, hatten eine Begegnung mit der Sulman al Nassori und kämpften abschließend gegen eine Seeschlange. Die Zeit dazwischen war "Charakterspiel" und zog sich sicher dadurch in die Länge, dass zwei neue SCs und die Schiffsbesatzung eingeführt werden mussten.
- Französische Baguette-Salami aus dem Supermarkt
Das Spiel war nicht hartwurstig in dem Sinne, dass gänzlich unwichtige und uninteressante Teile breit gewalzt wurden. Die Interaktionen mit der Besatzung waren ja notwendig, um die NSCs kennen zu lernen. Das Problem war eher, dass 90% dieser Interaktionen belanglos waren. Es stand kein Konflikt dahinter, es war im Grunde völlig egal, wie sich die SCs verhalten, es war einfach nur Schaulaufen.
Die Szenen haben uns auch wenig über die anderen SCs oder die NSCs verraten: Die Efferdgeweihte maulte ein bisschen über den SC-Korgeweihten, die Seeleute zeigten sich abergläubisch, der 1. Offizier verteidigte sein Revier und gab den harten Hund, der Zwerg war kauzig und sagte oft "Angrosch" und so weiter und so fort. Erinnerlich ist mir eigentlich nur eine Szene, in der der 1. Offizier die Elfe erst mit körperlicher Gewalt daran hinderte, die Seeleute auf die Seeschlange hinzuweisen und sie dann überraschend ins Vertrauen zog und bat, die Mannschaft nicht zu beunruhigen. Das war interessant und hat uns Neues über den NSC verraten. Leider war es ein Einzelfall.
- Spielerkleinhalten deluxe
Fast alle NSCs schienen wahnsinnig interessiert daran, ihr Territorium abzustecken und eine Hackordnung zu etablieren. Inhaltlich war das einigermaßen nachvollziehbar, die Expedition wird von der Schule der SC-Magierin nur teilfinanziert und an Bord gelten andere Regeln als an Land. Dummerweise hatte der Meister versäumt, die komplexen Zuständigkeiten im Vorfeld klar zu machen. Das führte zu einigen absurden Szenen: Ein Einbrecher/BGB Fischer-SC wurde vom 1. Offizier angemault, weil er bei irgendwelchen Kisten rumstand ohne irgendwas zu machen. Der SC-Korgeweihte opferte vor Abfahrt mit ausführlicher Beschreibung und Liturgie eine Katze, nur um gleich danach in der Gunst der Seeleute klar von der - für mich überraschend, weil vorher unerwähnt - auftauchenden Efferd-Geweihten ausgestochen zu werden, die nebenbei ein paar Perlen ins Wasser warf. Die Magierin, Repräsentantin der Schule, die die Expedition mitfinanzierte, bekam keine ordentliche Kajüte, sondern musste sich von der Efferdgeweihten, die AFAIK alleine eine Kajüte belegte, auf ihren Platz verweisen lassen. Mein SC (Seemann BGB Gladiator) wollte sich nützlich machen, obwohl er nicht zur Mannschaft gehörte. Der Versuch, irgendwo mit anzupacken (als Seeman sollte er IMO wissen wo) wurde mit einem "Das ist mein Tau" quittiert. Als er daraufhin dem Bootsmeister seine Hilfe anbot musste er sich von diesem auch noch anscheißen lassen (der Meister schien zu erwarten, dass ich mir das nicht bieten lasse) und landete dann im Ausguck. Am besten kam der Kor-Geweihte weg, weil er schon höherstufig war und schlicht niemand an Bord es mit ihm aufnehmen konnte. Beim Schwanzvergleich mit einer Magierin von der Sulman al Nassori hat er gut gewürfelt - um ihren Namen zu erfahren.
Eine andere Technik von der gleich noch die Rede sein wird war "NSCs würfeln nicht". Besonders deutlich wurde das, als die Magierin von der al Nassori mit ihrem Djinn wieder abhob, und die SCs ein Körperkraftprobe würfeln mussten. Eine prima Gelegenheit für die Magierin und den Korgeweihten peinlich auf dem Hosenboden zu laden. Die umstehenden NSCs waren diesem Risiko nicht ausgesetzt.
- Illusionismustechniken
Völlig klar, dass wir weder der al Nassori noch der Seeschlange ausweichen konnten, auch wenn letztere, wie ein Spieler anmerkte, die Wahrscheinlichkeit realisierte, dass sich zwei 30 Meter lange Objekte auf einer Fläche von tausend Quadratkilometern begegnen. Geschenkt, genau wie die mangels Optionen völlig sinnlose Planungsphase vorher, die am Spieltisch noch dadurch in die Länge gezogen wurde, dass Magierin und Kor-Geweihter in-game diskutierten, die Magierspielerin aber die Magieregeln nicht gut kannte, der Geweihtenspieler schon. Also musste sie ihn out-time fragen, was ihr SC in-time zu seinem SC sagen würde. Das war ein bisschen umständlich bis die Sache einfach out-time durchdiskutiert wurde.
Der Endkampf war der Punkt, an dem der Meister alle Register zog und nicht bloß Spielerentscheidungen entwertete, sondern die Spieler überflüssig machte. Das war ein großer Film in seinem Kopf in dem die SCs heroisch zu sein hatten, die Spieler ihn aber möglichst nicht stören sollten. Das setzte er sehr kunstvoll um:
(1) Spielweltkontrolle
Bsp 1: Seeschlange kommt heran, Viertelzauberelfe legt Bogen an, setzt Magie ein (Magischer Meisterschuss) und will Angriff würfeln. Meister "Die Seeschlange ist abgetaucht." Äh, wie, gerade eben kam sie doch noch gleichmäßig auf uns zu. "Nee, die ist plötzlich sehr schnell geworden."
Bsp 2: Mein SC will eigentlich die am Heck liegende Seeschlange angreifen. Meister bedeutungsvoll "Du siehst, dass die beiden am Buggeschütz hantieren, hilfst du ihnen?" Nach dem Schuss, mein SC läuft wieder nach vorne "Du siehst eine Pike herumliegen, die gut zum Kampf geeignet wäre. Nimmst du die?" Ja Meister, aber ich hab dann AT 9, weil mein SC mit sowas nicht umgehen kann "Ach, das passt schon."
Bsp 3: Weder die NSCs, noch die von uns angeheuerten Seesöldner haben sich nennenswert am Kampf beteiligt, letztere haben erst am Schluß noch eine Armbrustsalve abgegeben.
Bsp 4: SC ist vom Kopf der Schlange auf's Deck gefallen, will wieder angreifen: Meister "Du siehst, dass du über die Aufbauten wieder auf den Rücken der Schlange kommen könntest. Machst du das?"
Man muss gerade beim letzten Beispiel dazusagen, dass es keinen Plan gab, keine Positionierung und eigentlich die ganze Zeit die Dinge da waren, wo sie halt im Kopffilm des Meisters gerade waren. Wo die Aufbauten herkamen und was genau das war entzieht sich meiner Kenntnis.
(2) Würfeldrehvarianten
Viele Dinge sind einfach so passiert, ohne das gewürfelt wurde. INI-Reihenfolge, Angriffe durch die Seeschlange, war alles egal, Hauptsache jeder kam mal dran und es war "spannend". Wenn gewürfelt wurde (Sturzschaden auf's Deck) ging's rein nach Meisterdramaturgie, einmal wurde ein Spieler ganz offen aufgefordert, einen Wurf zu wiederholen, damit's besser passt. Ein andermal wäre ein SC nach vergeigter Parade im Maul der Seeschlange gelandet, als plötzlich aus dem Nichts ein Seesöldner sich mit dem Schild dazwischen warf und gefressen wurde. Besonders häufig war die Technik, unbeliebte Dinge durch Mehrfachproben hinzubiegen, wobei der Meister nach einer KK+5 und einer GE+5 das Ergebnis akzeptiert hat. Dafür kam die Technik auch zum Einsatz als weit vorher im Spiel bei einem freundlichen SC-Schaukampf mit Holzschwertern ein SC 10 Ausdauerschadenspunkte abbekommen hat. Ohne erfolgreiche KO + GE Probe sind die SCs dann auf's Deck geklatscht (siehe auch Spielerkleinhalten).
(3) Wird sind alle Meisterspielercharaktere
Den ganzen Abend über hatte der Meister schon recht oft Situationen ungenau beschrieben, dann eine Probe verlangt, und dann beschrieben, was der SC macht. Spielerinput war entweder durch freundliche Vorgabe (siehe Spielweltkontrolle) oder Mangel an Alternativen auf ein Minimum reduziert.
Bsp: Mein SC klettert in den Ausguck, um den dortigen x-beliebigen Seemann zu unterstützen. Ich "Ich sag Hallo, unterhalte mich ein bisschen über Seefahrerzeug, wo man schon war etc." Meister "Der Typ scheint recht desinteressiert. Ab zu und nennt er mal einen Hafen, aber die meiste Zeit redest du auf ihn ein, und er nickt ab und zu." Ich hab drauf verzichtet, klarzustellen, dass mein SC selbst ein eher ruhiger Typ ist und schnell schweigen würde (Intuition 14 sollte helfen), er war ja so schön drin in seiner Vorstellung von der Spielwelt. (Die unbewusste Projektion seinerseits, dass sich mein SC genauso verhalten würde wie der Meister sich gegenüber den Spielern verhielt ist mir erst später aufgefallen.)
Allerdings, freies, folgenloses Charaktergespräch ging immer. Manchmal ging der Meister noch weiter und hat uns auch gleich miterklärt, was die SCs fühlen und denken. Als allerdings die Spielerin der Magierin dagegen protestierte, dass er ihr erklärt, welche SCs und NSCs ihr SC körperlich anziehend findet, hat er nach einer pro-forma Probe eingelenkt.
Schön auch folgende Szene: Endkampf, mein SC hat die Pike in den Bauch der Seeschlange gerammt und macht durch abwechselndes Reinstoßen und Rausziehen per KK-Probe ordentlich Schaden (Das Vieh hat sich im Grunde nach seinem großen Auftritt faul auf's Heck gelegt und sich nicht mehr groß bewegt.) Meister: "Du siehst, dass die anderen alle am Kopf der Schlange sind und willst da auch rauf." Nö, ich bleib wo ich bin. Schadenswurf. Nächste Runde. Meister "Das Vieh ist schwer angeschlagen, die anderen hauen und stechen auf seinen Kopf ein. Du willst da doch bestimmt auch hin." Nö...ooOO(Aber bitte, hier ist mein Charakterblatt und die Würfel, du kriegst das sicher besser ohne mich hin)
- Spaßquellen
Die Stammspieler der Runde hatten an diesem Abend viel Spaß. Einmal sicher dadurch, dass der Meister gut beschreiben und erzählen konnte, kreativ im Endkampf war und dort großes Actionkino inszenierte. Wir wurden soweit gut unterhalten. Wie bei TV-Fantasyserien üblich gab's halt vorher viel sinnloses Gelaber, weil das Special-Effects Budget nur für einen Bruchteil der Zeit reichte, der Ausgang war offensichtlich und die Charaktertiefe minimal. Dennoch hatten die Stammspieler auch vorher viel Spaß und zwar (1) durch aktuelle-/Popkultur-Referenzen (Filmzitate etc.) und (2) Scherze darüber, wie blöd Spielwelt und Handlung eigentlich sind.
Bsp: Die fast blinde Navigatorin war öfter Anlass für einen Scherz auch wenn sie nicht vorkam (gespochen hat ohnehin kein SC mit ihr), die abergläubischen Seeleute inspirierten zu Überlegungen, der Viertelelfe die Ohren zuzuschneiden und die elfische Essenz über Bord zu werfen etc. Wenn der Meister mitmachte sah das aus wie ganz am Ende, als der - vollgerüstete - Zwerg überredet werden musste, der toten Seeschlange nicht nachzutauchen um sich ihren Kopf als Trophäe zu sichern und sich dann Hirnreste und ein Schädelstück sicherte und unters Kettenhemd schob.
Nun ist es so, dass ich ein paar sehr intelligente, beruflich sehr erfolgreiche junge Frauen kenne, die sich ab und zu treffen, um Germany's Next Top Modell zu schauen und ein bisschen Prosecco zu trinken. Die Sendung halten alle - nüchtern betrachtet - für unglaublichen Blödsinn, aber sie ist eine gute Vorlage. Man kann sich dabei problemlos über andere Dinge unterhalten, das abwechselnde Geschehen liefert einem immer mal wieder Vorlagen für einen Witz oder Gelegenheit zu lästern, im Minimum aber immerhin einen Anlass, sich mal wieder zu treffen.
Ich bin mir nicht sicher, ob der Unterschied zur Runde gestern darüber hinausgeht, dass Heidi Klum meistert.