Es ist nämlich mitunter recht interessant, dass es eine deutlich Tendenz gibt Spielleiter-Entscheidungen wertend zu kategorisieren, während Spieler-Entscheidung per se erst einmal als grundsätzlich positiv gesetzt werden, nach dem Motto je mehr, desto besser.
Bei Spielern ist kritische Entscheidungen zu treffen, das, was man als Spieler tut um das Spiel zu spielen. - Ohne Entscheidungen SPIELT MAN NICHT!
Dieses Spielen durch das Treffen von Entscheidungen gilt genauso für den Spielleiter. Auch der Spielleiter SPIELT DAS SPIEL und trifft somit kritische Entscheidungen.
Aber der Spielleiter LEITET auch das Spiel und mehr noch:
er LEITET die gesamte GRUPPE der Spielenden.Die Verantwortung des Spielleiters für die Spielrunde ist deutlich größer und erfordert deutlich ANDERE Abwägungen als nur die, welche notwendig sind um nur das Spiel zu Spielen. - Ja, auch Spieler haben ihren Teil an Verantwortung für das gemeinsame Spiel, aber der Spielleiter ist letztlich für ALLE und ALLES verantwortlich. Und solch eine Verantwortung KANN auch immer nur genau EINER haben. Die läßt sich nicht teilen.
Aufgrund der besonderen und besonders hohen Verantwortungsposition des Spielleiters innerhalb der Gruppe, hat der Spielleiter auch MEHR ENTSCHEIDUNGS-MACHT als andere am Spieltisch.
Und diese Entscheidungs-Macht (insbesondere im Bereich all dessen, was ein Regelwerk inklusive Hausregeln NICHT explizit regelt, und im Bereich der Darstellung der Spielwelt) ist es eben, die auch MISSBRAUCHT werden kann.
Daher geht die Spielleiter-Rolle in einer Spielgruppe auch einher mit einem MORALISCHEN ANSPRUCH. - Spielleiter, die ihre Entscheidungs-Macht zu UNMORALISCHEN Zwecken, zum Dominieren der Spieler, zu deren Kleinhalten, zum BESCHEISSEN der Spieler, die dem Spielleiter Vertrauen schenken, mißbräuchlich nutzen, sind problematisch.
Eine Form der mißbräuchlichen Nutzung der Entscheidungs-Macht des Spielleiters, des Vertrauensbruchs, der UNMORALISCHEN Verhaltensweise ist das Railroading.
Die Intention des Spielleiters ist hierbei sogar ein zu schwacher Begriff. Es geht hier um eine Frage der
Spielleiter-ETHIK.
Und die Erkenntnis, daß Spielleiter für ein faires, zufriedenstellendes, GEMEINSAMES Spiel eben moralisch einwandfreien Gebrauch von ihrer Entscheidungs-Macht machen müssen, ist etwas, was leider viel zu langsam in die eingefahrenen, ethische Fragestellungen gerne vermeiden wollenden Sichtweisen vieler Rollenspieler vordringt.
Der Gute Spielleiter. - Das ist ein Spielleiter, der durchaus dem entspricht, was klassische Alignment-Kategorien als Lawful Good bezeichnen.
Er ist vertrauenswürdig, fair, steht zu seinem Wort, läßt die geltenden Regeln ohne jeglichen Beschiß zum Tragen kommen, stellt eine persönliche "Konstante" im Spiel der Gruppe dar, und trifft seine Entscheidungen nach seinen WERTEN. Werte, die FÜR die Gruppe, die zum WOHLE der Gruppe das moralisch Richtige entscheiden lassen, statt destruktiv, ausbeutend, niederhaltend, egoistisch, dominierend, benachteiligend zu wirken.
Ist der Spielleiter Lawful Good, dann ist die Spielrunde ein Ort höchster SPIELFREUDE und eine Ansammlung von SPIELFREUNDEN. - In jeder anderen Richtung der beiden Achsen wird das Spiel stets schlechter bis hin zum bösartigen, chaotischen Spielrunden-DURCHLEIDEN für alle Beteiligten außer dem unmoralischen Spielleiter, der das Elend zu verantworten hat.
Moralische Entscheidungen trifft ein Spielleiter nicht nur WÄHREND des Spiels in einer Spielsitzung, sondern in der Nachbereitung und in der Vorbereitung, also außerhalb der Präsenzspielzeit. - Dazu gehört auch die Entscheidung über die ZUSAMMENSETZUNG der Spielgruppe!
Spieler XY spielt mir NICHT in meiner Runde.
Wenn ich Spiel ABC spielen möchte, dann möchte ich dazu Spieler JK, LM, und NO dabei haben, damit das Spiel wirklich rocken kann.
Diese Überlegungen sind "Spielgruppenhygiene-Überlegungen". Und die werden vom SPIELLEITER vorgenommen und er trifft nach seiner eigenen Überzeugung, nach seiner Menschenkenntnis, nach seinen Werten für ein gutes Spiel mit einer guten Gruppe die Entscheidung, wer mitspielt und wer nicht. - Das kann man sehr schön bei diversen Session Diaries hier im Forum nachlesen. Da schildern manche Spielleiter auch ihre BEWEGGRÜNDE, geben also eine moralische Rechtfertigung ihrer Entscheidungen z.B. den einen Störer aus der Gruppe rauszuschmeißen oder bewußt ein bestimmtes Spiel mit einem bestimmten Schlag an Rollenspielern spielen zu wollen und nicht mit einem anderen.
Diese Überlegungen hilft einem kaum, sogar eher KEIN Regelwerk wirklich zu tätigen - und selbst wenn: die ENTSCHEIDUNG, wer mitspielt, die trifft immer noch der Spielleiter!
Man kann natürlich versuchen sich der Diskussion über ethische Fragen beim Spielleiten zu entziehen und alles auf technokratischer Ebene zu behandeln. Hier eine "Stellschraube" gedreht, und schon ist die Runde viel besser als früher. - Doch so funktioniert das nicht!
Es geht NUR über die PERSÖNLICHKEIT des Spielleiters. Dieser steht mit seinem ganzen Selbst für das ein, was er spielt, und für die Art ein, wie er spielt, sowie für die Leute, mit denen er spielt.
Es ist der Spielleiter, der die Gruppe auf Kurs bringt, oder sie in die Sargasso-See des gegenseitigen Mißvergnügens fährt.
Ich bin der Meinung, daß den Fragen der Spielleiter-ETHIK zum einen und der Wirkung der Spielleiter-PERSÖNLICHKEIT zum anderen bislang zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird.Tipps, Ratschläge, "Techniken" sind nicht von Übel, aber sie reichen NICHT AUS! Und ein "Glaube an die SL-Technik" ersetzt eben leider KEINE markante Persönlichkeit, die eine gute Spielrunde von einem öden Abspulen von Regelanwendungen oder einer leidvollen Zeit des einem unmoralischen Despoten Ausgeliefertseins unterscheidet.