Ausgehend von
meiner eigenen Rollenspielentwicklung und einem
Thread vom Beatboy möchte ich gerne mal eine These (die ich auch nur von Mike Holmes – glaube ich zumindest – geklaut habe) in den Raum stellen:
Jeder Rollenspieler kann mit jedem Spielstil großen Spaß haben.Das ist jetzt etwas überspitzt dargestellt, aber es gibt den Kern der Idee sehr gut wieder. (Ein paar Einschränkungen werde ich weiter unten versuchen zu geben.)
Eine Voraussetzung gibt es allerdings dafür, dass man auch mit für einen selbst eher „untypischen“ Spielstilen Spaß haben kann:
Der Spielstil muss kohärent dargeboten werden.Da der Kern hier die Kohärenz ist, möchte ich im Folgenden versuchen, einige Punkte vorzustellen, die die Kohärenz erhöhen. Die Liste ist sicher nicht vollständig, aber aus meiner Sicht dennoch ein guter Anfang. Und los geht’s.
1. Allen Beteiligten muss klar sein, worauf sie sich einlassen. Es muss also gewisse „Regeln“ für das Spiel geben. Die betrifft folgende Unterpunkte:
- Ziel. Es muss klar sein, was der Stil erreichen will und wie das Endergebnis (Spielerlebnis) in etwa aussehen soll. Auch wichtig: Was kann/will der Stil nicht leisten.
- Rollen. Wer ist für was zuständig, was wird von wem erwartet. Hier müssen evtl. die Rollen des Spielleiters und der Spieler (und ggf. andere Rollen) definiert werden und deren Aufgaben beschrieben werden. Wichtig auch: was kann jemand mit einer bestimmten Rollen nicht tun.
- „informelle“ Regeln. Die Regeln, die für die Interaktion der Beteiligten an Tisch grundlegend sind, müssen klar sein. Dabei handelt es sich typischerweise um die Dinge, die nicht oder nur begrenzt im Regelwerk geklärt werden (Darf man auf der Metaebene spielen? Darf man reden, wenn der Charakter nicht anwesend ist? usw.)
- „formale“ Regeln. Die Regeln im Regelwerk.
Das Ganze läuft in etwa darauf hinaus, dass allen Beteiligten das „Lumpley-System“ des Spiels klar sein sollte (oder wenigstens bin ich nah an der Definition dran
).
2. Alle Spieler müssen das Spiel mit diesem Spielstil zu diesem Zeitpunkt wollen und mit einer positiven emotionalen Grundeinstellung an das Spiel herangehen. Wenn einige Spieler bereits mit einem „das wird sowieso nichts“ an das Spiel rangehen, wird es vermutlich auch nichts werden.
3. Die Beteiligten müssen die oben festgelegten Regeln in Spiel auch einhalten. Dazu gehört auch, aktiv das gesetzte Ziel anzustreben und in der Interaktion auf das gewünschte Feedback zu achten.
4. Die Regeleinhaltung durch alle muss transparent sein. Es muss allen klar sein, dass sich alle zu jeder Zeit an die Regeln halten und im Optimalfall auch, warum die Regeln sind, wie sie sind und wie damit das Spielziel erreicht werden soll.
Um das alles etwas zu verdeutlichen mal zwei (verkürzte) Beispiele aus den Bereichen Skyrock-artiges ARS und Erzählonkel.
ARsig
Ziel: Es geht darum herauszufinden, wer die coolere Sau ist. Wir messen uns.
Rollen: Der SL macht die Opposition, die Spieler treten dagegen an, messen sich aber auch untereinander. Der SL darf nicht unfair sein, die Spieler dürfen der Herausforderung nicht ausweichen.
„informelle Regeln“: Es kann ruhig etwas härter zugehen. Die Metaebene ist erlaubt. Das Ergebnis muss offen sein. Erfolg sollte entsprechend kommentiert werden.
Vor diesem Hintergrund wären Spieler jetzt zu Recht angepisst, wenn der SL unfair ist, schummelt, hinter dem Schirm würfelt, railroadet usw. Der SL wäre genervt, wenn die Spieler schummeln oder seine Herausforderungen ignorieren.
Erzählonkel
Ziel: Wir wollen gemeinsam eine coole Geschichte genießen.
Rollen: Der SL bereitet eine Story vor und präsentiert diese den Spielern. Er bindet die Spieler möglichst gut in die Story ein. Die Spieler „spielen mit“, stellen ihre Charakter dar. Der SL darf die Spieler nicht langweilen oder zu völligen Statisten degradieren. Die Spieler dürfen nicht „gegen die Story“ spielen.
„informelle Regeln“: Im Zweifelsfall entscheidet der SL. Metaebene ist verboten. Emotionales Involvement der Spieler ist gefordert.
Vor diesem Hintergrund wären die Spieler jetzt zu Recht angepisst, wenn der SL einen Charakter völlig undramatisch sterben lässt (weil er einen Würfel nicht „gedreht“ hat), der SL offen würfelt, sie keine Möglichkeit zur Charakterdarstellung erhalten, der SL sie nicht in die Story einbindet oder eine schlecht vorbereitete Story präsentiert. Der SL wäre genervt, wenn die Spieler nicht bei der Story mitspielen, auf der Metaebene planen oder bei der Story indifferent bleiben.
Sind diese Vorraussetzungen gegeben, kann meiner Meinung nach derselbe Spieler an zwei (und mehr) sehr unterschiedlichen Spielstilen großen Spaß haben. Sicher gibt es dennoch persönliche Präferenzen (welchen Stil man häufiger spielen möchte) und evtl. sogar einzelne Stile, die für einzelne Personen überhaupt nicht gehen. Aber in großen und ganzen können die allermeisten Spieler mit den allermeisten Spielstilen viel Spaß haben, wenn diese kohärent präsentiert werden.
Kleiner Exkurs. Dieser Ansatz würde auch folgende Beobachtung ganz gut erklären: Viele Leute berichten, dass sie mit anderen Spielern Spielstil X ausprobiert haben und diese ganz begeistert waren bzw. sogar sagten, dass das besser sei, als der Stil, den sie sonst spielten. Daraus wird dann gerne geschlossen, dass alle Spieler Stil X präferieren würden (gelle, Set…
). Dabei heißt es nur, dass a) alle Spieler (den kohärenten) Stil X
auch mögen und b) das dann besser ist, als der inkohärente Krams, den sie sonst spielen.
Wollte ich nur mal gesagt haben. Ich bin offen für Gegenargumente und/oder weitere Punkte, die größere Kohärenz herstellen können.