@Kaffeebecher (Plotgegenstand):
Finde ich eine sehr interessante Frage, die fast einen eigenen TRhread wert wäre: "Ist das Schlüssel-Schloss-Lösungsprinzip" (super Bezeichnung, Tudor the deadish
) Railroading?"
Persönlich würde ich sagen, die Frage ist, wie offen der Weg zum Schlüssel vorgezeichnet und begehbar ist, und wie offen/fair diese Lösung den Spielern präsentiert wurde. Das heißt: Gibt es mehrere Möglichkeiten, an den Schlüssel zu kommen, die auch unterschiedliche Herausforderungen an die Spieler/Charaktere stellen? Dann wahrscheinlich kein RR. Ist es offen, ob die Spieler den Schlüssel finden? Wahrscheinlich kein RR! Wird der Schlüssel den Spielern ohne Eigenleistung in jedem Fall von einem NSC aufgedrängt? Wahrscheinlich RR.
@Markus:
Identifizierung von RR: mit dem abwiegen bin ich Deiner Meinung, ich fürchte bloß, dass das Identifizieren einer RR-Handlung über die Intention des SL fast unmöglich ist, da man ja dem SL nicht in den Kopf gucken kann, und in meiner Spielpraxis kaum einer zugibt, dass er die Gruppe auf die Geleise gesetzt hat. (Hier beneide ich ja die DSA-Spieler, die das offen kommunizieren.)
Das Verhindern
einzelner,
bestimmter Lösungsschritte sehe ich dabei genau wie Du nicht zwangsläufig als RR an. Ich glaube auch, dass man das manchmal tun muss, um Abenteuerinhalte ins Spiel zu bringen. Beispiel: In den meisten Stadtabenteuern verhindere ich
mit Ansage fast jeden Versuch der Spieler, Probleme (Aufgaben) an die Stadtwache oder sonstige Behörden abzugeben (wobei ich mir meistens einen Hintergrund dafür einfallen lasse). Auf diese Art verhindere ich, dass die Spieler sich selbst "entmündigen", indem sie Abenteueraufgaben von NSCS lösen lassen. Und ich bin mir vollkommen bewusst dabei, dass ich meinen Spielern Optionen durch Zwang vorenthalte (siehe unten, innere Struktur von Szenen).
Deswegen halte ich die
Häufigkeit solcher Verhinderungen für ein wichtiges Indiz, ob RR vorliegt. Ein Stoppschild im Abenteuer ist ok, um allzu bequeme Nebenpfade zu verschließen. Zwei sind noch tragbar. Bei dreien beginnt bei mir als Spieler schon der RR-Verdacht zu keimen, denn dann sieht es stark so aus, als wolle der SL den Spielern einen bestimmten, planierten Pfad aufzwingen. Bei vier Schildern schlägt der Verdacht Wurzeln usw.
Hinsichtlich der inneren Struktur ist mir Deine Kritik gerade unklar. Ich breite darum nochmal aus, was ich unter "innerer Struktur" in Bezug auf RR und die Frage verstehe, vielleicht kannst Du dann gezielt Deine Kritik anbringen. (Ob jemand, der seine Abenteuer szenisch ordnet, per se ein Railroader ist, ist eine andere Diskussion.)
Innere Struktur: der Aufbau einer Begegnung oder einer Szene, insbesondere hinsichtlich der Möglichkeiten der Spieler/Charaktere, in der Szene zu handeln. Was können Spieler/Charaktere tun? Was müssen sie tun? Was können sie
nicht tun? Was
sollten sie
nicht tun? Was ist riskant? was ist schwierig? Was können sie an Belohnungen/Schätzen/Informationen usw. gewinnen?
Die Frage, was Spieler/Charaktere tun können, kann natürlich nie abschließend behandelt werden, aber was sie besser nicht tun sollten bzw. was äußerst riskant/gefährlich ist, kann man in der Vorbereitung oder bei der Improvisation üblicherweise schnell abschätzen.
Ein einzelner Encounter, den man nicht mit der Standardlösung angehen kann, die sonst immer wirkt (z.B. niederknüppeln) ist
kein zwangsläufiges Indiz für RR. Dabei spielt es für mich keine Rolle, ob das "natürlicherweise" (also aufgrund einer sauber vorbereiteten Dungeonökologie) so ist, oder ob es aufgrund einer lahmen Ad Hoc Entscheidung so ist. (Daran unterscheidet sich nur die Qualität des Spielleiters als Bühnenzauberer.)
Wenn der Encounter
anders als mit der Standardtaktik gelöst werden kann, liegt mit Sicherheit
kein RR vor. Das war, glaube ich, einer der Punkte im Gedankenexperiment von Ein als Threadopener, ob das Erzwingen alternativer Lösungen durch das Verschließen der Standardlösung "Kämpfen" eine Form des Railroading ist. Nein, ist es nicht, denn Spielern/Charakteren stehen außer Kämpfen noch 10 000 andere Lösungsformen offen.
(Anm.1: Die Diskussion ob es kein RR ist, weil die Charaktere ja trotzdem angreifen können, auch wenn sie dabei aller Wahrscheinlichkeit nach in den sicheren Tod rennen, es folglich begriffsgerecht erst dann RR wäre, wenn der SL jeden Kampfversuch durch SL-Entscheid blockieren würde - "Dein Schwert lässt sich nicht aus der Scheide ziehen... usw." - ist mir zu akademisch. Mir genügt es, festzustellen, dass es außer Kämpfen noch andere Gestaltungsmöglichkeiten gibt, die vom SL zugelassen werden.
Anm.2: Wenn man eine Gruppe von reinen "Frustbombern"/Butt Kickern am Spieltisch hat, handelt es sich vielleicht doch um RR, da man den Spielern den einzigen Lösungsweg versperrt, der ihnen Spaß macht und sie sich deswegen gegängelt vorkommen. Aber wo gibts das denn noch, dass eine Gruppe so einseitig besetzt ist?)
Selbst wenn ein Encounter gar nicht "lösbar"/bezwingbar ist (sondern umgangen werden muss, siehe Goblins auf dem Pass), ist das noch kein zwangsläufiges RR, wenn man das
Gesamtabenteuer betrachtet. Es ist aber, ich nenne es mal mangels eines mir geläufigen besseren Begriffs,
Szenen-RR: die innere Struktur der Szene ist so gebaut, dass in der Szene a) nur eine einzelne Möglichkeit zulässig ist - alles andere prallt an unsichtbaren Wänden ab - und b) diese Möglichkeit auf Umgehen/Vermeiden reduziert ist - was die Szene selbst zu einer "sichtbaren" Wand im Abenteuerverlauf macht. (Im "many ways to Rome-Stil" die Blockade eines Weges zum Ziel). [Der Rest des Abenteuers kann deswegen immer noch im Ergebnis und im Verlauf offen sein: es gibt viele Wege durch den Sumpf (Verlauf) und ob die Charaktere lebend durchkommen und/oder das Rätsel um die Quelle der Verderbnis im Sumpf entdecken/lösen ist noch lange nicht sicher (Ergebnis).]
Goblins auf dem Pass:
Was das Beispiel angeht hast Du wahrscheinlich recht, eher ein SL-Fehler, der sein Abenteuer falsch kommuniziert hat. Bei Spielern, die (zumindest offiziell) eher auf viel Freiheit setzen aber vielleicht kein seltener Fehler. In meinem Beispiel bin ich davon ausgegangen, dass die "offizielle" Ansage (der Auftrag oder das eigenständige Ziel der Spieler) ist, von A(ltdorf) nach B(urgstadt) zu kommen und laut Karte 2 Wege (Pass, Sümpfe) begehbar sind. Der Beispielsencounter wurde also nur entworfen, um einen Weg zu verschließen.
Beim längeren Nachdenken ist mir dabei aufgefallen, dass an der "Begründung des Encounters durch den Hintergrund" vielleicht doch etwas mehr dran ist, als ich anfangs dachte. Gut begründete, vom Hintergrund her "abgesicherte" Encounter können Spielern/Charakteren vielleicht eher einen Hinweis auf eine (vom SL nicht vorgesehene)
Möglichkeit zum "Knacken" liefern als schlecht begründete, plötzlich aufploppende. Am Beispiel: Wenn die Spieler recherchieren, vielleicht einzelne Goblins weglocken und befragen, können sie etwas über die Visionen des Schamanen erfahren und sich einen guten Bluff einfallen lassen, der die Goblins an einen anderen Ort ziehen lässt. Oder den Schamanen kidnappen. Oder...
Hier zeigt sich dann, welcher SL es mit seiner Begründung ernst meint, und welcher nur blufft. Ich muss also anerkennen, dass an dem Begründungsargument mehr dran ist, als ich dachte.