Im Prinzip müsste es in diesem Thread um diese Frage gehen: Warum stirbt die Art von Rollenspiel, die für Oger den heiligen Gral der Freizeitbeschäftigungen darstellt, aus?
Und selbst dann würde ich noch behaupten, dass sie es nicht tut.
Dabei nervt mich diese Herumreiterei auf der Art und Weise, wie sich das Spielleiten auf das Hobby insgesamt auswirkt. Und natürlich kommen auch wieder die "Pfui, böäh! RR! Da hat ein RRoader/Storyteller auf das makellos weiße Laken unsres Hobbys gepinkelt!" Es ist schön, wenn sich die blaublütigen SLs hier die Hand und über die anderen den Kopf schütteln können -- für sie, es sei ihnen gegönnt. Aber es muss auch gesagt werden, dass es ein wenig albern ist. Zumal, wenn man es nicht dabei belässt, sich einfach nur auszutauschen, welche Art zu spielleiten einem mehr liegt oder gefällt, sondern daraus wieder einen Kreuzestod macht, der allein das Rollenspiel von den Sünden minder begabter SLs erlösen kann.
Da halte ich es eher wie EE und Teylen, denn ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man auf verschiedene Arten Spaß haben kann, auch mit RR, Storytelling, Kauf-ABs.
Das ist ungefähr so, als würde man sagen: "Weil die Fleischer lieber mit fertig marinierten Hüftsteaks und vorgefertigten Cordon Bleus Geld machen wollen und damit die Kunden versauen, kommt heute niemand mehr auf die Idee, selbst einen Sauerbraten einzulegen, geschweige denn, verschiedene Sauerbraten-Rezepte auszuprobieren, und damit geht die ganze carnivore Kultur unsres Menschengeschlechts vor die Hunde."
Ich -- und bestimmt viele andere auch -- hätte nicht mit dem Rollenspiel angefangen, wenn es mir nicht vorgekaut worden wäre. Bei vielen Systemen habe ich mich früher gefragt, wie man das denn nun spielen soll? Die klassischen Einstiegs-Systeme dagegen boten alle mundgerechte ABs, um mal zu sehen, wie das funktioniert. Und seit Anbeginn des Rollenspiels gab es Spiele, für die massenweise ABs publiziert wurden, und solche, für die es kaum welche gab (Ars Magica, Harnmaster, anfangs WoD). Es muss also immer schon Spieler gegeben haben, die ABs und Vorgekautes wollten, und solche, die lieber selbst Kampagnen gebastelt haben. Und selbst bei den AB-lastigen Spielen gab es schon von Anfang an genug Spieler, die vorgefertigte ABs abgelehnt haben. Warum sollte das heute anders sein? Wenn heute jemand mit Warhammer 3rd oder D&D4 zum Rollenspiel kommt, wieso sollte der sich anders verhalten als der DSA-Spieler von Anno 1986?
Und ich verstehe nicht, weshalb man marinierte Steaks und selbstgemachten Sauerbraten nicht einfach nebeneinander stehen lassen kann. Hauptsache, die Leute essen Fleisch und jeder das, was ihm schmeckt (oder was er sich leisten kann? Es soll Leute geben, die nicht den Luxus üppiger Freizeit haben und sich lieber schnell ein Steak in die Pfanne hauen, als stundenlang in der Küche zu stehen ...)
Von daher bin ich da bei Teylen: Soll doch jeder zu dem greifen, was ihm Spaß macht. Und das Geheule über die WoD, die angeblich das Rollenspiel versaut hat, ist mir ziemlich unverständlich, denn wie hier u.a. von TAFKAKB bereits dargelegt wurde, konnte man mit der WoD ganz prima frei drauflosspielen. Auch hier liegt es doch nicht am System, sondern daran, was die Spieler damit machen. Ich kann mich auch noch ziemlich gut an Kommentare von Spielern und Rezensionen zu den WoD-Büchern in den 90ern erinnern, und da kamen die AB zuallermeist schlecht weg, weil die Spieler das Vorgefertigte nicht wollten (während ich damals immer dachte: gebt mir ABs, damit ich endlich mal kapiere, wie so eine Changeling-Kampagne aussehen soll!).
Inzwischen habe ich eine Abneigung gegen RR und vieles andere entwickelt, was ich früher gut fand und was mir Spaß gemacht hat. Und ich wünsche mir sehr, dass zum Beispiel DSA-Produkte meinem neuen Geschmack künftig näher kommen (und dafür gibt es erfreuliche Anzeichen, und das obwohl die erfolgreichen Rollenspiele das "gute Rollenspiel" doch scheinbar so gar nicht begünstigen -- seltsam, da stirbt das freie Rollenspiel aufgrund der Verlagspolitik aus, und gleichzeitig unternimmt Ulisses Vorstöße in Richtung freies Spiel. Verrückte Welt!). Aber ich finde, es geht zu weit, ständig irgendwelche Krankheiten wie RR oder oWoD an die Wand zu malen und zu behaupten, diese hätten das Rollenspiel als Ganzes ins Siechtum gestürzt und (oft nicht direkt ausgesprochen, aber in dem aggressiven Tonfall doch irgendwie implizit) müssten "ausgemerzt" werden oder so ähnlich.