Wär's ein guter, taktischer Shooter (beispielsweise Stile von Rainbow Six) geworden, idealerweise auch noch mit einer soliden Technik, wäre der Umstieg zu verkraften gewesen. Ja wär's zumindest ein guter Old-School-Shooter geworden oder ein spannend inszenierter "Hollywood-Shooter", ich hätte eben alle taktischen Erwartungen beiseite gelegt und vielleicht trotzdem meinen Spaß gehabt. So ist's nur eine herbe Enttäuschung.
Die Steuerung ist eine Katastrophe. Sowohl mit Maus/Tastatur als auch mit Xbox-Gamepad fand ich das Spiel unsteuerbar, trotz Zielhilfen. Die Maus reagiert je nach Sensitvity-Einstellung elend träge oder unpräzise hektisch, der Gamepad-Analogstick scheint nur die Extreme "unendlich langsam" und "hektisches Umhergezucke" zu kennen, je nach Druck. Wirklich präzises Zielen, in einem Ego-Shooter eine conditio sine qua non, war unmöglich – Grund genug für mich, das Spiel nach einer Stunde spielen auf nimmerwiedersehen sein zu lassen.
Leider bleibt's nicht dabei. Auch die Grafik war für mich sehr enttäuschend. Nicht so sehr, weil sie nicht an aktuelles High-End-Niveau herankommt, auch nicht wegen dem Art Design – das ist eigentlich äußerst gelungen. Aber die furchtbar übertriebenen Überstrahleffekte sind im besten Fall lächerlich bis störend und sorgen im schlimmsten Fall dafür, dass man vor lauter Stahlen die Gegner nicht mehr sieht. Ein weiterer Fall von völlig in die Hose gegangenem Einsatz von HDR – wohl eine der missverstandensten Grafiktechnologien der letzten Jahre überhaupt (Syndicate ist ja nicht das einzige Game mit übertriebenem HDR, es ist bloß ein absolutes Extrembeispiel dafür). Getoppt wird das schließlich durch permanente Texturfehler an den Charaktermodellen, ganz egal, welche der Grafikeinstellungen (von denen es ohnehin nur eine magere Hand voll) gibt.
Weiters gestört hat mich die extrem hektische Bewegung. Herumgezappel ist ja in Ego-Shootern seit einigen Jahren "in", aber Syndicate übertreibt meines Erachtens auch hier maßlos. Von der Wildheit der Kamera her hat man das gefühl, dass sie nicht am Kopf des Charakters sitzt, sondern irgendwo auf der Waffe. Noch dazu ist sie ungenau, sowohl mit Tastatur und Gamepad sind die Schritte "sprunghaft", irgendwie verzögert. Die Waffenmodelle sind außerdem riesengroß, was zusammen mit dem geringen, nicht veränderbaren FOV für ein geringes Blickfeld sorgt. Außerdem werden sie immer wieder, sei's beim Laufen oder vor Deckungen, in das Blickfeld gehoben, sodass man außer der Waffe kaum mehr etwas sieht. Gerade an Deckungen ist das lästig, wenn man eigentlich zielen will und der Protagonist seine Waffe plötzlich quer ins Blickfeld hebt.
Vom Deckungssystem bin ich ebenfalls enttäuscht – auch hier lässt die Bedienung zu wünschen übrig. Während beispielsweise Gears of War und Deus Ex hier durchaus vernünftige Lösungen gefunden haben, lässt die Umsetzung in Syndicate zu wünschen übrig.
Nun ja, wie man sieht: Der Genrewechsel alleine ist das geringste Problem von Syndicate. Gut dass ich das Spiel bei einem Kumpel anspielen konnte, sonst hätte ich mich maßlos geärgert. Ich geb keine Bewertung zur Story ab, soweit bin ich nicht gekommen – nach einer Stunde Spielzeit hat mich das Spiel dermaßen geärgert, dass ich den Controller beiseite gelegt hab.
Deus Ex 3 -> Härtester Schwierigkeitsgrad -> Kein Zielkreuz -> Covermechanik -> zielen nur über Zielkreuz ausser Waffe hat eine Optik -> härtester schwierigkeitsgrad -> Cover nutzlos ausser man spezialisiert sich auf Scharfschützengewehre...
Mag sein dass mich jetzt alles täuscht, aber wenn ich mich recht erinnere konnte ich bei allen Waffen – sei's Pistole oder Sturmgewehr – auch aus der Deckung über Kimme und Korn zielen.
Wobei ich hier prinzipiell eine Lanze für Deus Ex 3 brechen will: die Bosskämpfe waren zwar fehldesignt (für mich mit lauter Hacking- und Stealth-Augmentations und Taser und Betäubungsgewehr als Hauptwaffen ne ziemlich frustrierende Angelegenheit) und die Enden waren wenn nicht enttäuschend, dann zumindest unbefriedigend – aber ansonsten war das Spiel richtig geil und mit einer großen Liebe zum Detail designt. Das Setting ist wirklich cool und vermittelt eine dichte "Post-Cyberpunk"-Atmosphäre, die mir die eine oder andere Inspiration für potentielle Rollenspiel-Abenteuer eingebracht hat.
Klar hat das Spiel auch seine kleinen Schwächen, aber die meisten davon fallen mir jetzt erst im Nachhinein auf: "Hey, das hätte man vielleicht besser machen können." Im Spiel selbst hab' ich mich bloß über das fitzelige, immer zu kleine Inventar geärgert und darüber, dass das Umgehen von Wachen und Sicherheitssystemen weniger (weil – abgesehen vom "Ghost"-Bonus – gar keine) XP bringt als sie Auszuschalten (sei's lethal, nicht-lethal oder per Hacking). Dass die K.I. zwar in Kämpfen meistens durchaus vernünftig agiert hat (Verwendung von Deckung, Verstärkung u. ä.), ansonsten aber relativ "nachsichtig" war, ist mir im Spiel zwar aufgefallen, hat mich aber nicht sonderlich gestört, da ich das flott in die Schublade "Feature/Spielmechanik/ist halt so" eingeordnet hab. Dasselbe gilt dafür, dass sich nicht alle Türen öffnen lassen und Detroit und Hengsha vergleichsweise kleine Open World-Städte sind. Suspension of Disbelief eingeschaltet, mehrere Abende lang unglaublich viel Spaß gehabt.