Autor Thema: Warum welche Arten von Spielern Realismus wollen  (Gelesen 12054 mal)

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Offline Gummibär

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Thema ist folgendes Zitat (später noch zweites Zitat hinzugefügt):
Die Diskussionen werden nie aufhören, aber ich fände es entspannend, wenn man genauer anschaut, warum, auf welcher Motivationsgrundlage, welche Art von Spieler "Realismus" wollen und wie er bereits versucht wurde, im Hobby umzusetzen.
Das wurde nochmal präzisiert:
Mir geht es dabei nicht um das Mindestmaß, das für einen gemeinsamen Vorstellungsraum unumgänglich zu sein scheint, sondern um die Frage: Welche Spieler(typen) suchen aktiv nach möglichst realistischen Regeln auch jenseits unmittelbarer Charaktervorteile, in welchen Bereichen sollen diese Regeln "realistisch" sein (ich habe z.B. noch nie erlebt, dass soziologische Theorien über die Glaubwürdigkeit von Fantasy- oder Sci-Fi-Kulturen diskutiert wurden), welchen Detailgrad wünschen sie und was versprechen diese Spieler sich davon?



Ich fange nun an mit einer ersten Antwort zu diesem Thema:

Wenn ich in eine fremde Welt eintauchen will und ich erlebe dort, wie zwei Autos ineinandercrashen und daraufhin explodieren, dann entsteht für mich ein Glaubwürdigkeitsproblem, da ich das, was mir präsentiert wird, als unrealistisch empfinde. (Ja, das stört mich auch bei Actionfilmen. Ich habe einen Mangel an Fähigkeit, an Action als Genre Spaß zu empfinden. Ich wende meinen Realismus-Anspruch darauf an und denke mir, dass mir da ziemlich schlechte Realismus-Qualität präsentiert wird. Ich blende meinen Realismus-Anspruch dort nicht aus.)
Stichwörter sind hier Immersion und SIM.

Realismus kann auch Tacticians helfen. Eine realistische Welt ist leichter verständlich, da man weniger Abweichungen zur bekannten Realität berücksichtigen muss. Die Fantasie ist geübter darin, Situationen der Realität zu beurteilen. Und man kann taktische Kenntnisse aus der realen Welt direkt ins Spiel übertragen.
Vergleiche dieser Thread.
« Letzte Änderung: 17.11.2012 | 04:35 von Gummibär »
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Offline Turning Wheel

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Re: Warum welche Arten von Spielern Realismus wollen
« Antwort #1 am: 16.11.2012 | 00:29 »
Ich will aus dem Rollenspiel etwas für die Realität mitnehmen.

Ich weiß nicht, ob das unbedingt auf einen bestimmte Art von Spieler (nach Laws) bezogen sein muss. Ich glaube nicht.

Offline Blutschrei

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Re: Warum welche Arten von Spielern Realismus wollen
« Antwort #2 am: 16.11.2012 | 00:53 »
Also ich wil ein gewisses Maß an Realismus, da ich die Folgen meines Handelns einschätzen können möchte.
Wenn sich die Folgen meines Handelns null mit meiner Erwartung decken, ist meine Entscheidung im Bezug auf das Erreichen meiner Ziele irrelevant gewesen.

Beispiel:
Ich möchte einen Unfall des Geschäftswagens meines Konkurrenten vortäuschen.

Ich schnapp mir den Wagen, und möchte ihn an eine Hauswand fahren. Das Kennzeichen und Auto sollen erkennbar bleiben, Motorhaube und Mechanik sollte größtenteils zerstört sein, damit niemand die Karre vor Morgengrauen beseitigen kann.

Ich fahre also langsam auf die Wand zu, in der Erwartung, dass ich gleich HAuswand und/oder Motorhaube ordentlich zerschrubben würde.

Stattdessen beschreibt mein SL plötzlich, wie das Auto explodiert, schließlich spielt man ja "cineastisch" /rolleyes.
Mein gesamtes Vorhaben wurde also zunichte gemacht, weil mein SL sich denkt "scheiß auf die realistischen Erwartungen meiner Spieler".
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Offline rettet den wald

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Re: Warum welche Arten von Spielern Realismus wollen
« Antwort #3 am: 16.11.2012 | 03:52 »
Persönliche Meinung von mir: Ein Setting sollte in sich schlüssig sein... Und da die meisten mir bekannten Settings das Prinzip haben "Ist im Prinzip wie die Realität, außer bei den extra erwähnten Ausnahmen", ist es wichtig zu wissen, wie etwas in "Realität" funktioniert. Wenn ich ein Fantasy-Setting spiele, das dieses Prinzip verfolgt, und der SL legt irgendwas fest, was ich als "unrealistisch" empfinde, und es ist keine der vom Setting explizit erwähnten Abweichungen von der Realität, dann ist das Setting nicht mehr in sich schlüssig. Das ist für mich die Bedeutung von "Realismus" im Rollenspiel.

...Wenn ich auf der anderen Seite von vornherein weiß, dass ein Setting nicht auf diesem Prinzip basiert, dann bleibt das Setting auch bei "unrealistischen" Ereignissen noch in sich schlüssig. Wenn ich Streetfighter oder ähnliches spiele, habe ich kein Problem mit explodierenden Autos oder Leuten, die nach einer Salve aus dem Sturmgewehr immer noch stehen und dir daraufhin einen Feuerball nachschmeißen. Das Setting ist trotzdem in sich schlüssig.
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Offline Drudenfusz

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Re: Warum welche Arten von Spielern Realismus wollen
« Antwort #4 am: 16.11.2012 | 08:52 »
Ich fahre also langsam auf die Wand zu, in der Erwartung, dass ich gleich HAuswand und/oder Motorhaube ordentlich zerschrubben würde.

Stattdessen beschreibt mein SL plötzlich, wie das Auto explodiert, schließlich spielt man ja "cineastisch" /rolleyes.
Mein gesamtes Vorhaben wurde also zunichte gemacht, weil mein SL sich denkt "scheiß auf die realistischen Erwartungen meiner Spieler".
Deswegen sollte man sich als Spielgrupe vielleicht mal darüber unterhalten was man von dem Setting erwartet und nicht einfach drauf bauen das Realismus gemacht wird. Die Leute mit denen meine Person spielt wissen zum Beispiel das mir Realismus zu langweilig ist, aber meine Person sagt dann immer klar an das die nächste Kampagne halt Pulp, Cinematisch oder was auch immer werden soll (Spiele gerade Marvel Heroic Roleplaying, und da soll es dann natürlich möglichst Comicbuch-artig sein).
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Offline Crimson King

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Re: Warum welche Arten von Spielern Realismus wollen
« Antwort #5 am: 16.11.2012 | 09:13 »
Ein Mindestmaß an Realismus, ein nicht zu geringes obendrein, will jeder Spieler, weil sonst die Spielweltkausalitäten auseinanderfallen oder zumindest undurchschaubar werden.

Effektiv wollen alle Spieler, dass die Physik in der Spielwelt genau so funktioniert, wie unsere, minus spezieller Genre/Settingkonventionen (Magie, überlichtschnelle Raumschiffe, explodierende Autos, durch die Luft fliegende Shaolin-Mönche etc). Und die Anzahl der speziellen Genre/Settingkonventionen ist endlich.
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Offline Oberkampf

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Re: Warum welche Arten von Spielern Realismus wollen
« Antwort #6 am: 16.11.2012 | 13:50 »

Stichwörter sind hier Immersion und SIM.


Das glaube ich auch, dass "Realismus" vor allem von Spielern mit einer starken SIM-Leidenschaft eingefordert wird, aber eben einer bestimmten SIM-Richtung. Das Problem liegt nämlich tatsächlich darin, dass nicht wenige phantastische Genres (und sogar einige nicht ausdrücklich phantastische Genres, Action wurde ja schon genannt) ganz klar unrealistische Konventionen pflegen (z.B. explodierende Autos). Wenn man in dem Fall genretypische Welten simulieren will, kommt man mit "Realismus" nicht sonderlich weit. Auch das Versinken in einem Charakter kann für einige Leute, glaube ich, davon abhängen, ob Genrekonventionen im Spiel berücksichtigt werden. Trotzdem würde ich der Aussage generell eher zustimmen: Realismus ist was für SIM-Spieler und Immersionsspieler.

Ein Mindestmaß an Realismus, ein nicht zu geringes obendrein, will jeder Spieler, weil sonst die Spielweltkausalitäten auseinanderfallen oder zumindest undurchschaubar werden.


Da der Thread auf einer Frage von mir aufbaut: Mir geht es dabei nicht um das Mindestmaß, das für einen gemeinsamen Vorstellungsraum unumgänglich zu sein scheint, sondern um die Frage: Welche Spieler(typen) suchen aktiv nach möglichst realistischen Regeln auch jenseits unmittelbarer Charaktervorteile, in welchen Bereichen sollen diese Regeln "realistisch" sein (ich habe z.B. noch nie erlebt, dass soziologische Theorien über die Glaubwürdigkeit von Fantasy- oder Sci-Fi-Kulturen diskutiert wurden), welchen Detailgrad wünschen sie und was versprechen diese Spieler sich davon?
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Offline Gummibär

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Re: Warum welche Arten von Spielern Realismus wollen
« Antwort #7 am: 17.11.2012 | 01:30 »
@ Spoiler

Ich denke, dieser Wunsch wurde bisher noch nicht in der Rollenspieltheorie formalisiert, ist aber natürlich trotzdem eine passende Antwort. Danke. :)



@ SLF

Ich habe deine Präzisierung des Themas auch im OP hinzugefügt.
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Online Maarzan

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Re: Warum welche Arten von Spielern Realismus wollen
« Antwort #8 am: 17.11.2012 | 01:43 »
Ein Mindestmaß an Realismus, ein nicht zu geringes obendrein, will jeder Spieler, weil sonst die Spielweltkausalitäten auseinanderfallen oder zumindest undurchschaubar werden.

Effektiv wollen alle Spieler, dass die Physik in der Spielwelt genau so funktioniert, wie unsere, minus spezieller Genre/Settingkonventionen (Magie, überlichtschnelle Raumschiffe, explodierende Autos, durch die Luft fliegende Shaolin-Mönche etc). Und die Anzahl der speziellen Genre/Settingkonventionen ist endlich.

Und wenn die Genre/Phantasie/whatever-Regeln entsprechend sauber und verlässlich formuliert sind, kräht in der Regel auch kein Hahn nach.
Das Problem taucht typischerweise am Spieltisch auf, wenn das gesetzte Abstraktionsniveau verletzt wird - wo es nur Trefferpunkte gibt, gibt es eben kein sauberers Kehle durchschneiden- viel öfter aber eben einfach eine Seite nicht nachgedacht hat oder es gerade zum eigenen Vorteil war einen Widerspruch in der Spielwelt erzeugt hat und jetzt beleidigt ist darauf hingewiesen zu werden oder (zum Teil zum Decken dieses Widerspruchs eben) sich in immer abstruse Wahrscheinlichkeiten hineinsteigert, um irgendeine Agenda am laufen zu halten.

Allesamt verhindern aber die relevante Beteiligung der anderen, da eben nicht mehr klar ist, auf welcher Basis die dazu gehörigen Entscheidungen für ihren Beitrag denn nun getroffen werden können.

Realismus ist zum Spiel nicht notwendig, muss aber dann entsprechend durch andere Regeln belastbar ersetzt werden, damit eine gemeinsame Grundlage für Handlungen im SIS bleibt. Ansonsten ist das Ergebnis Gehirnwichsen für einen und ein Ausschluss des Rests. Außer man veralbert das bewußt und verzichtet auf jegliche Struktur und reiht (dann mit eintsprechend gleichverteilten Erzählrechten) Nonsens aneinander. Dann wird zumindest ein lustiges Erzählspiel draus. Als Rollenspiel ist so etwas tot.
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Re: Warum welche Arten von Spielern Realismus wollen
« Antwort #9 am: 17.11.2012 | 12:59 »

Realismus ist zum Spiel nicht notwendig, muss aber dann entsprechend durch andere Regeln belastbar ersetzt werden, damit eine gemeinsame Grundlage für Handlungen im SIS bleibt. 

Zum Teil halte ich das auch für einen wichtigen Punkt, den ich - hoffentlich richtig verstanden - noch einmal hervorheben möchte: Realismus ist nicht das Gleiche wie Regeltreue!

Ganz im Gegenteil: Realismusdiskussionen (am Spieltisch, aber auch außerhalb) entstehen sich nicht immer, aber oft dadurch, dass regeltreues Spiel den Vorstellungsraum eines Spielers verletzt und "unrealistische" Ergebnisse bringt (z.B. wenn ein hochrangiger Charakter mit vielen HP einen 50 m Sturz ohne Magie überlebt).

Daraus entsteht für mich übrigens ein Problem, das ich mit Gummibärs Verbindung zwischen "Taktiker" und "Realist" habe (wobei ich kein Experte für Taktikerspieler bin): Man kann taktisch auch mit Spielregeln umgehen, selbst dann, wenn sie unrealistische Ergebnisse liefern, wenn bspw. der Spieler des Charakters an der Klippe überlegt: "Ich kann verhindern, dass mein SC gefangengenommen wird, indem ich ihn die Klippe 'runterspringen lasse, macht 15d6 Schaden - max 90, wahrscheinlich zwischen 50 - 60, das halte ich aus." In dem Fall ist eine Aushebelung der Spielregel durch Realismusüberlegungen ein klarer Strich durch die Rechnung des Taktikers.
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Offline Arldwulf

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Re: Warum welche Arten von Spielern Realismus wollen
« Antwort #10 am: 17.11.2012 | 13:31 »
Der 50 Metersturz ist doch eigentlich ein gutes Beispiel dafür dass es bei diesen Regeldebatten nicht um Realismus selbst geht.

Weder der Realist noch ein anderer Spielertyp würde wirklich sagen dass es unmöglich ist so einen Sturz zu überleben. Tatsächlich gibt es ja gute Möglichkeiten wie dies funktioniert. Die Klippe ist nicht senkrecht, hat Stellen an denen der Fall abgebremst wird. Unten ist vielleicht ein Fluss oder Gebüsch. Und im Zweifel kann der Charakter auch selbst etwas tun, versuchen sich festzuhalten oder sonstwie sein Glück beeinflussen.

Das Problem hierbei ist nicht der Realismus solcher Umstände. Das Problem ist: Die Regel ist schlecht. Weder deckt sie Umstände ab noch gibt sie eine sinnvolle Abschätzung des üblichen Ergebnisses ab.

Aber der Spieler der beschreibt sein Charakter hält sich an einem verdorrtem Gestrüpp fest das dort an den Felsen wächst bis er abrutscht, über den Abhang rollt und sich alles aufschürft aber zum Glück es mit blutigen Wunden und ein paar Brüchen überlebt ist nicht weniger "realistisch" als derjenige der das ganze als "runtergefallen / tod" darstellt.

Online Maarzan

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Re: Warum welche Arten von Spielern Realismus wollen
« Antwort #11 am: 17.11.2012 | 13:37 »
Zum Teil halte ich das auch für einen wichtigen Punkt, den ich - hoffentlich richtig verstanden - noch einmal hervorheben möchte: Realismus ist nicht das Gleiche wie Regeltreue!

Yup. Oft bis meist ganz was anderes. Eigentlich sogar immer, wenn man halt annimmt, dass die meist notwendige Abstarktion von Regeln schon nicht mehr völlig realistisch ist.
Realitätsnähere Regeln sollten allerdings die Zahl der Konflikte reduzieren helfen.

Zitat
Ganz im Gegenteil: Realismusdiskussionen (am Spieltisch, aber auch außerhalb) entstehen sich nicht immer, aber oft dadurch, dass regeltreues Spiel den Vorstellungsraum eines Spielers verletzt und "unrealistische" Ergebnisse bringt (z.B. wenn ein hochrangiger Charakter mit vielen HP einen 50 m Sturz ohne Magie überlebt).

Das war der Abstraktionskonflikt oben. Und oft genug ist der SL schuld, weil er dann Situationen einführen will, welche eben nach den (abstrahierten) Regeln nicht mehr möglich sind. Wenn der Schlussmonolog 3 Minuten dauert, Allheilung aber nur 1min Zauberdauer hat, wird der Typ eben nicht an dem Bolzen in der Brust abnippeln und weitere Fragen beantworten / rechtmäßiger Thronfolger sein / whatever können.

@Arldwulf: Der Trick ist die Wahrscheinlichkeit, was u U dazu führt, dass dies wöchentlich passiert.
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Offline Arldwulf

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Re: Warum welche Arten von Spielern Realismus wollen
« Antwort #12 am: 17.11.2012 | 13:48 »

@Arldwulf: Der Trick ist die Wahrscheinlichkeit, was u U dazu führt, dass dies wöchentlich passiert.


Natürlich, aber die Wahrscheinlichkeit definiert nur wie gut die Regel ist, nicht wie realistisch der Spieler spielen mag oder wie detailliert er sich Gedanken über die physikalischen Hintergründe der Spielwelt machen will.

Oder um es anders zu sagen: Der Spieler der mit der 15d6 Fallschaden Regel spielt, der Spieler der einfach gern "zu hoch, du bist tot" als Regel mag und der Spieler der selbst die Szene beschreibt und sie darüber modifiziert könnten alle entweder Realismus und physikalische Details mögen - oder auch nicht.

Und ein Grund warum viele Realismusdebatten hochkommen ist in erster Linie einfach nur: Manche Regeln machen nicht das was sie eigentlich tun sollten. Der andere ist meist am besten als "Leute die die Realität nicht so recht kennen" zu beschreiben, oder weniger überspitzt: "Leute die über ihre Aussagen nicht sonderlich tiefgründig nachgedacht haben und dabei Dinge als unrealistisch darstellen die eigentlich sehr wohl realistisch sind" aka "Das Kreaturen etwas ausscheiden verstößt gegen den Energieerhaltungssatz!" / "Einen endlosen Wasserspender in die Wüste bringen würde die doch begrünen!" oder ähnliches.
« Letzte Änderung: 17.11.2012 | 13:52 von Arldwulf »

Eulenspiegel

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Re: Warum welche Arten von Spielern Realismus wollen
« Antwort #13 am: 17.11.2012 | 14:01 »
Und auch Rollenspiele, die bekannt dafür sind, dass sie unrealistische Regeln haben, halten sich noch größtenteils an Realismus.

Man stelle sich nur mal Schach, das RPG vor:
SC1(General): Vorwärts ihr Bauern, mäht die gegnerische Kavallerie nieder.
*Bauern bewegen sich einen Schritt vor, gegnerischer Springer springt über die Bauern hinweg*
SC2(Späher): Mon Generale, die gegnerische Kavallerie ist über unsere Bauernmiliz hinweggesprungen. Zum Glück gab es keine Veletzten. Aber die Kavallerie steht jetzt im Rücken unsere Miliz. Ich schlage vor, dass wir unsere Beuernmiliz jetzt wenden.
SC1: Vorwärts immer, Rückwärts nimmer. Wir können unsere Miliz nicht wenden.
SC2: Und was schlagt ihr vor?
SC1: Wir rennen mit unserer Bauernmiliz bis zum Ende des Schlachtfeldes. Dort akstrieren wir die Bauern und als neue Eunuchen Damen werden sie dann spielend mit der Kavallerie fertig.

Oder man stelle sich mal Go, das RPG vor:
SC1: Unsere Gruppe am Flussufer ist fast eingekreist. Schnell, schickt noch mehr Truppen hin.
SC2: Wir haben 30 Einheiten dort stehen, und der Gegner hat nur 15 Einheiten. Sollten wir ihn nicht fertig machen?
SC1: Nein, denn er hat uns gleich eingekreist und ein Durchbruch ist immer unmöglich.
SC2: Anstatt weitere Truppen zu opfern, könnten wir doch stattdessen versuchen, mit den bestehenden Einheiten auszubrechen.
SC1: Niemals. Wenn ich einer Truppe einmal den Befehl erteilt habe, sich zu positionieren, bleiben sie auch dort stehen.
SC2: Und was schlagens ie jetzt vor?
SC1: Wir haben bereits ein Auge. Ich versuche, ein 2. Auge zu bilden, dann kann uns der Gegner nichts mehr anhaben.

Auch sehr beliebt Monopoly, das RPG:
SC1: Ha, ich muss nur noch die Schlosstraße kaufen, dann kann ich anfangen, Hotels zu bauen.
SC2: Wieso beginnt ihr nicht jetzt schon mit dem Hotelbau?
SC1: Das geht nicht. Erst muss ich noch die Schlosstraße kaufen.
SC2: Und wann kauft ihr die Schlosstraße? Ich meine, mit eurem Vermögen sollte das doch ein Einfache sein...
SC1: Das ist nicht so einfach. Ich muss viel Glück haben und mal zufällig durch die Schlosstraße kommen, ehe ich sie kaufen kann.
SC2: Zum Glück habe ich einen Stadtplan. Schaut her: Die Schlosstraße ist nur 1 Straße hinter uns. Das heißt, wir müssen einfach umkehren, und die Straße zurücklaufen, dann sind wir da.
SC1: Verdammt, das bedeutet, dass ich nochmal durch die ganze Stadt irren muss, ehe ich die Chance habe, nochmal durch die Schlosstraße zu ziehen.
SC2: Oooder... wir drehen einfach um und gehen eine Straße zurück.
*ein paar Züge später*
SC1: Verdammt, ich war so reich. Und nur weil ich in fremden überteuerten Hotels übernachtet habe, bin ich fast Pleite.
SC2: Ihr habt hier überall eigene Hotels stehen. Wieso übernachtet ihr nicht einfach in eurem eigenen Hotel.
SC1: Ich muss gestehen, ich kann euren Stadtplan nicht lesen. Und immer wenn die Nacht hereinbricht, muss ich halt in dem erstbesten Hotel übernachten, das in der Nähe ist.
SC2: Ich mache euch einen Vorschlag: Ich rufe ein Taxi und fahre euch zurück in eurer Appartement. Ihr könnt eure Geschäfte dann aus eurem Appartement heraus tätigen.
SC1: Niemals. Erstens fahre ich nie Taxi und zweitens will ich persönlich vor Ort sein, wenn ich ein Geschäft tätige.
SC2: Aber wieso übernachtet ihr dann nicht wenigstens abends zu Hause?

Mein absoluter Liebling ist aber Fuchs und Gänse, das RPG:
SC1(Gans): OK, wir müssen dahin, wo jetzt der Fuchs ist.
SC2(ebenfalls Gans): Aber kann uns der Fuchs dann nicht einfach essen?
SC1: Deswegen locken wir ihn ja auch hervor. Und wenn wir erstmal da sind, wo der Fuchs jetzt ist, dann kann der Fuchs nicht mehr zurück und wir sind sicher.
SC2: Wenn ihr das sagt. Aber wie locken wir den Fuchs heraus?
SC1: Gut dass ihr fragt: Ihr geht jetzt am besten vor, bis ihr zwei Meter vor dem Fuchs seid. Und wenn er vorgeht, um euch zu fressen...
SC2: Dann renne ich ganz schnell zurück!
SC1: Nein. Eine Gans tritt niemals den Rückzug an!
SC2: Äh ja... Dann springe ich also elegant zur Seite, damit mich der Fuchs verfehlt.
SC1: Nein. Du könntest zwar zur Seite springen, aber dann könnte der Fuchs dich trotzdem essen.
SC2: OK. Und wie verhindere ich dann, dass ich gefressen werde?
SC1: Gut dass du fragst: Also, du gehst nach vorne und lockst den Fuchs hervor. Und wenn der Fuchs kurz vor dir steht und versuch dich zu essen, dann renne ich schnell hinter dich. Solange ich hinter dir stehe, kann der Fuchs dich nicht essen.
SC2: Sehr vertrauenserweckend. - Aber was ist eigentlich, wenn ich mal ganz alleine irgendwo rumstehe und keine andere Gans mir Deckung geben kann?
SC1: Dann renne in eine Ecke. Solange du in einer Ecke stehst, kann dir der Fuchs nichts anhaben.

Und mit Mühle, das RPG fange ich jetzt lieber nicht an.
« Letzte Änderung: 17.11.2012 | 14:05 von Eulenspiegel »

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Re: Warum welche Arten von Spielern Realismus wollen
« Antwort #14 am: 17.11.2012 | 14:08 »
Alter, Eugenspiegel, dass MUSS ins best of!

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Re: Warum welche Arten von Spielern Realismus wollen
« Antwort #15 am: 17.11.2012 | 14:12 »
In der Diskussion kommen jetzt, glaube ich, zwei Punkte zusammen, die getrennt, zu mehr Einsichten verhelfen:

Ich habe das Beispiel mit den 15d6 eingebracht, um die Frage zu beleuchten: Welcher Spielertyp möchte realistische Regeln haben, insbesondere im Hinblick auf den Taktiker. meine Hypothese ist, dass Taktiker sowohl mit Realitätsannahmen als auch mit Regelkenntnis taktieren können - selbst unter der Bedingung, dass eine Regel auf den ersten Blick unrealistische Ergebnisse liefert. Wichtig ist, so meine Hypothese, für den Taktiker, dass die Regeln, die er in seine Überlegungen einbezieht, auch by the book - RAW- bespielt werden.

Die andere Diskussion dreht sich um den Realismus der Regel selbst, bzw. ihren Abstraktionsgrad. Bezogen auf diesen Thread spielt das vielleicht insofern eine Rolle, wenn man sich fragt: Welcher Spielertyp kommt denn mit einem hohen Abstraktionsgrad der Regeln gut zurecht? Ich behaupte mal (wieder nur Hypothese), dass es für eine bestimmte Sorte Storyteller (Storygamer) kein Problem ist, Regeln eines sehr hohen Abstraktionsgrades als realistisch einzustufen, weil sie die Spielweltbeschreibung nach der Ermittlung des regelkonformen Ergebnisses so anpassen, dass der Vorstellungsraum nicht verletzt wird. Wenn der SC den Sturz also überlebt, kommt eine Beschreibung, für die Arldwulf schon Beispiele aufgeführt hat.

Das funktioniert aber, würde ich behaupten, nicht bei Regeln, deren Abstraktionsgrad sehr niedrig ist und/oder die sehr detailierte Weltbeschreibungen vor der Anwendung voraussetzen, also beispielsweise eine Liste mit Modifikatoren der Sturzschäden hinsichtlich des Untergrundes, des Steigungsgrades, der Glattheit der Wand und der Windrichtung bzw. Windstärke. Genausowenig funktioniert das bei Spielern, die auf hohe Detailangaben vor dem Würfelwurf wert legen (und das können natürlich wieder Taktiker sein, die möglichst viele Faktoren kennen wollen, die in ihren Plan einfließen können).

Nebenbei: Eulenspiegels Argumentation ist ein ganz schönes Beispiel für einen Spieler, der nach der Regelabwicklung die Spielwelt so beschreibt, dass die Regelanwendung realistische Ergebnisse produziert hat.
« Letzte Änderung: 17.11.2012 | 14:19 von SLF »
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Re: Warum welche Arten von Spielern Realismus wollen
« Antwort #16 am: 17.11.2012 | 14:24 »

Ein hoher Abtraktionsgrad ist hinderlich für Leute, welche nicht nur aufs Ergebnis schielen und sich das dazwischen zur Not nachträglich zusammen reimen, sondern den Prozess in der Spielwelt selber erfahren wollen.
Das kann der immersierende "Charakterfahrer" sein oder eben ein Taktiker, der seine Herausforderung eben auch auf dem spielweltnahen Detailniveau sieht.

Wobei viel halt davon abhängt, wie eigentlich abstrakte Regeln dann in der Spielweltrealität reflektiert werden. Wenn in der Spielwelt anzunehmen ist, dass eine Aktion möglich ist, sie aber von den Regeln her nicht möglich ist, gibt es einen Konflikt. Theoretisch könnte die Spielwelt auch den Regeln angepasst werden und der Konflikt so wieder aufgelöst werden.
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Offline ArneBab

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Re: Warum welche Arten von Spielern Realismus wollen
« Antwort #17 am: 17.11.2012 | 20:01 »
Ein Mindestmaß an Realismus, ein nicht zu geringes obendrein, will jeder Spieler
Sobald irgendjemand sagt „das will jeder“, gehen bei mir die Alarmglocken los.

Was definierst du als Realismus? Ist es schon Realismus, dass Sachen auf Planeten nach untern Fallen?
1w6 – Ein-Würfel-System — konkret und direkt, einfach saubere Regeln.
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Re: Warum welche Arten von Spielern Realismus wollen
« Antwort #18 am: 17.11.2012 | 20:08 »
Alter, Eugenspiegel, dass MUSS ins best of!
Oh ja!

Der erste echte Lichtblick heute - danke dir!
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Re: Warum welche Arten von Spielern Realismus wollen
« Antwort #19 am: 17.11.2012 | 20:20 »
Eulenspiegels Post hat mich gerade darauf gebracht, dass für mich ein wichtiger Punkt ist, dass im Rollenspiel die Vorstellung in klaren Fällen gegen die Regeln gewinnt.

Natürlich können sich Bauern rückwärts bewegen, und Rollenspieler würden das tun - es sei denn, das Genre ist sehr klar definiert (dann spielen sie explizit Schach-Bauern).

Unsere SL hat mal einen Ninja zwischen unsere Shadowrun-Charaktere springen lassen. Er begann seinen „ich bin mächtig“-Drohdialog. Bevor er fertig war, hatten wir ihm den Kopf weggeblasen. Im Vorstellungsraum der SL konnten Ninjas solche Reden halten (z.B. Anime). In unserem nicht. Da die Regeln auf unserer Seite waren, war der Kopf weg.

Unrealistische Regeln hätten hier geholfen, dass unsere Vorstellung mit der Vorstellung der SL zusammenpasst: Im Monolog kann ein Charakter nicht unterbrochen werden.
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Offline Arldwulf

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Re: Warum welche Arten von Spielern Realismus wollen
« Antwort #20 am: 17.11.2012 | 21:42 »
Wobei das mit den Bauern durchaus auf realistischen Überlegungen basieren könnte. Nach dem Motto:

 
Zitat
"Wenn wir den ungelernten Bauern einen Rückzug befehlen rennen die doch ungeordnet davon! Das ist keine Option. Eine sich geordnet zurückziehende Bauerntruppe ist völlig unrealistisch!"

Das ganze ist natürlich inzwischen über Jahrhunderte gewachsen und verwaschen. Aber die Grundidee dahinter muss nicht zwingend auf Realismus pfeiffen, könnte sogar als Verbesserung der Stimmigkeit gedacht gewesen sein diese Zugweise mit dieser Entsprechung zu verbinden.

Und diese Überlegungen kann man natürlich bei vielen Regeln anstellen die auf den ersten Blick in ihrer jetzigen Form unrealistisch scheinen.

Offline dunklerschatten

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Re: Warum welche Arten von Spielern Realismus wollen
« Antwort #21 am: 17.11.2012 | 22:13 »
Realismus im RGP hängt für mich in erster Linie von Konsentz bezüglich der Spielwelt ab.

Spiele ich DnD finde ich es völlig ok, das es diverse Mittel und Wege gibt die "Realworld" Physik zu umgehen. Aber dann doch bitte als in sich geschlossener Guss, eben konsistent.

Meine Vorliebe für "realistische Systeme" bzw. Systeme mit hohem Realitätsgrad wie z.b. THS gründet sich wohl primär in dem simplen Gedankengang "Back to the (reallity) roots"

An allen Ecken und Enden wird man imho mit abgedrehten Unrealistischen Aspekten bombadiert, da empfinde ich ein "Reales RPG" durchaus als erfrischend und klärend.

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"Stellt Euch den Tatsachen, dann handelt danach!"
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Offline Gummibär

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Re: Warum welche Arten von Spielern Realismus wollen
« Antwort #22 am: 20.11.2012 | 06:09 »
Daraus entsteht für mich übrigens ein Problem, das ich mit Gummibärs Verbindung zwischen "Taktiker" und "Realist" habe (wobei ich kein Experte für Taktikerspieler bin): Man kann taktisch auch mit Spielregeln umgehen, selbst dann, wenn sie unrealistische Ergebnisse liefern, wenn bspw. der Spieler des Charakters an der Klippe überlegt: "Ich kann verhindern, dass mein SC gefangengenommen wird, indem ich ihn die Klippe 'runterspringen lasse, macht 15d6 Schaden - max 90, wahrscheinlich zwischen 50 - 60, das halte ich aus." In dem Fall ist eine Aushebelung der Spielregel durch Realismusüberlegungen ein klarer Strich durch die Rechnung des Taktikers.

Ja. Deswegen sollten die Spielregeln von vorneherein was den Realismus angeht keine so großen Lücken lassen, dass ein Spieler sich beschwert.

Der innerweltliche Taktiker (Realismus + Tactician) ist natürlich nur eine Unterkategorie des Tactician. Es gibt Tacticians, die auch ohne Realismus zufrieden sind.

Der Taktiker möchte verlässliche Regeln. Das muss nicht „by the book“ sein, das können auch Hausregeln sein. Aber die Regeln müssen vorher klar sein. Zumindest im hier genannten Sinn.

"Ich kann verhindern, dass mein SC gefangengenommen wird, indem ich ihn die Klippe 'runterspringen lasse, macht 15d6 Schaden - max 90, wahrscheinlich zwischen 50 - 60, das halte ich aus."

Wenn SCs einen (nicht weiter steigerbaren) Lebenspunktewert von 70 haben und die Probe ohne gelungene Abrollen-Probe mehr Schaden machen würde, wäre das doch z.B. gar nicht unrealistisch (mal angenommen, der Abrollen-Wert ist entsprechend gut).



@ Eulenspiegel

Einfach köstlich.  :d
Du greifst Teichdragon & Co. an und äußerst jetzt Unverständnis, wenn sich einer von ihnen zu Wort meldet?

Gut gemacht.  :gaga:

Offline Jiba

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Re: Warum welche Arten von Spielern Realismus wollen
« Antwort #23 am: 20.11.2012 | 09:09 »
Meine Ansicht zum Thema ist ja die folgende: Immersion und Realismus gehen nicht zwangsweise Hand in Hand. Ja: Ich kann sogar sagen, einem Haufen Spieler, die ich als Immersionisten bezeichnen würde (mich eingeschlossen; ich bin zwar eher der Storyteller, spiele aber auch mal gerne Vollimmersion), ist Realismus im Sinne des OP scheißegal. Oder zumindest insoweit egal, dass er sich mit einer realistischen Ausgestaltung der Spielwelt durch Regeln oder klein-klein-Settingelemente nicht befassen muss, um Immersion zu erreichen. Einige meiner intensivsten Immersionserfahrungen hatte ich in Settings, die cinematischen Grundsätzen folgten und ich denke der menschliche Geist ist in der Lage sowas auch zu leisten.

Würde ich ganz stark pauschalisieren wollen, könnte ich sogar sagen: Die Leute, die cinematisch spielen können und trotzdem Immersion erleben, sind talentierter darin, eine Gedankensynchronizität, die ja in einem anderen Thread als das Merkmal von Immersion postuliert wurde, mit ihrem Charakter zu erreichen: Wer seine suspension of disbelief zugunsten des Charakters ausschalten kann und damit den Gedankengang des SCs übernimmt, dass eine bestimmte Entwicklung wie die vielzitierten, explodierenden Autos eben nicht unrealistisch sind, sondern in dieser Spielwelt als realistisch angesehen werden, ist wohl stärker im Charakter drin, als jemand, der versucht seine eigenen OT-Realitätsansprüche in den Charakter zu pressen – bei dieser Darstellung übersehe ich natürlich vielleicht einige Faktoren, aber ich erkenne darin schon einen gewissen Widerspruch.

Was ich eigentlich sagen will: Immersion benötigt keinen Realismus! Immersion benötigt lediglich Kausalität. Und nicht mal die, sofern sich die Figur zusammen mit dem Spieler über Kausalitätsbrüche wundern soll und darf. Bestimmte Genrekonventionen können, wie Crimson King richtig sagt, realweltliche Kausalität aushebeln und beispielsweise durch Hollywood-Kausalität ersetzen. Letztlich sind die explodierenden Autos eben nichts anderes als eine Kausalkette:

(P1) Wenn zwei Autos gegeneinanderstoßen, explodieren sie.
(P2) Zwei Autos stoßen gegeneinander.
--------
(C) Die zwei Autos, die gegeneinanderstoßen, explodieren.


Das könnte man sogar noch in entsprechende Regelmechaniken packen. Insofern sind explodierende Autos nichts anderes als Magiesysteme, Waffenwerte oder Ähnliches. Und wo ich Magiesysteme, die Regeln unterliegen, akzeptieren kann, sehe ich für mich nicht, warum ich nicht auch explodierende Autos oder Kung-Fu-Kämpfer, die über Wasser laufen, akzeptieren kann. Das kann ich auch ohne Schwierigkeiten aus der Figur heraus als diese Figur.

Eine These, die ich abschließend noch zu Immersion habe, möchte ich noch aus meiner Erfahrung heraus anbringen: Ich habe bei mir gemerkt, dass mich cinematische Tropen in der Immersion nicht behindern und ich einige der intensivsten Immersionserfahrungen in Settings hatte, die mit diesen Merkmalen arbeiten. Da hat mich mangelnder Realismus nicht behindert. Und vorhandener Realismus hat mich in meiner Immersion nicht befördert, wo es ihn gab. Letztlich glaube ich, liegt das daran:

Immersion ist prinzipiell bei mir (und ich denke das trifft auch auf viele andere Spieler zu) eine emotionale Sache. Es ist mehr ein "Reinfühlen" als ein "Reindenken".

Insofern habe ich die intensivsten Immersionsphasen auch in In-Game-Situationen gehabt, die meinen SC auf einer emotionalen, moralischen, sozialen Ebene angesprochen haben – und diese Szenen sind in den meisten RPGs weit abseits dessen, was mit dem realistischen Regelwerk abgebildet wird: Wo man einen Gefallenen beweint, einen ehemaligen Freund verstößt, den ersten Kuss mit der Liebsten hat, eine Entscheidung zwischen zwei undenkbaren Alternativen abwägen muss, einen Plan aufgehen oder verfallen sieht... da schlägt die Immersion bei mir gnadenlos zu. Einfach weil ich das Gefühl habe: Diese Figur, die ich gerade verkörpere ist menschlich. Sie hat Ziele, Wünsche, Hoffnungen. Sie hat Dinge, die ihr wichtig sind. Sie hat Dinge, die sie hasst. Dieses Gefühl von Verbundenheit und Identifikation mit der Figur und mit der Synchronisation ihrer Gedankenwelt mit der meinen erreiche ich nicht darüber, dass das Schwert der Figur realistischerweise +3W Schaden macht. Das erreiche ich voll über den Faktor des "Hineintauchens" als eines "Hineinfühlens" und nicht eines "Hineinrationalisierens". Sämtliche denkwürdigen Szenen, in denen ich starke Immersion verspürte, waren von dieser Art.

Möglicherweise ist meine Beobachtung von oben doch korrekt: Spieler, deren SoD ihnen bei der Immersion in den Weg kommt, denken zu stark auf einer übergeordneten Ebene (und damit genauso außerhalb der Figur wie die Meta-Regel-Fans). Ob ein Auto explodiert oder jemand Superkräfte hat oder Magie in der Welt ist: Das macht keinen Unterschied für die Gedanken- und Gefühlswelt der Figur, in die ich mich hineinversetze. Immersion geht ohne Realismus, weil die Bereiche, in denen ich, und viele andere, mit denen ich das Vergnügen hatte zu spielen, ihren immersionistischen Zugang außerhalb der Regeln finden. Wenn man merkt, dass es der Figur um was geht, dann findet man auch in sie hinein.

Zum OP würde ich daher folgendes sagen: Alle Spielertypen können Realismus wollen! Oder eben auch nicht! Genauso wie Method Actors auf Realismus pfeifen, können Storyteller eine stark realistische Verankerung der Spielwelt in den Regeln bevorzugen. Aber die Tendenzen, die hier gesetzt werden, kann ich für mich so nicht bestätigen.   

Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

El God

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Re: Warum welche Arten von Spielern Realismus wollen
« Antwort #24 am: 20.11.2012 | 09:29 »
Zitat
Zum OP würde ich daher folgendes sagen: Alle Spielertypen können Realismus wollen! Oder eben auch nicht! Genauso wie Method Actors auf Realismus pfeifen, können Storyteller eine stark realistische Verankerung der Spielwelt in den Regeln bevorzugen. Aber die Tendenzen, die hier gesetzt werden, kann ich für mich so nicht bestätigen.   

Das.