Autor Thema: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur  (Gelesen 8940 mal)

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Offline Beral

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Der Threadtitel bringt es nicht auf den Punkt, aber das liegt daran, dass ich das Problem selbst schwer auf den Punkt bringen kann. Vielleicht finden wir gemeinsam eine Lösung.

Es geht um die Identifikation des Spielers mit der Spielfigur, wie es Charakterspieler gern tun. Sie beanspruchen für sich, aus Sicht der Spielfigur zu denken und zu handeln und das eigene Wissen und die eigenen Antriebe dabei außen vor zu lassen.

Dazu gibt es einen Einwand, der sich sehr hartnäckig hält und auch nach Jahren nicht überwunden werden konnte:
Der SC stellt keine Überlegungen an. Der Spieler tut so, als würde der SC Überlegungen anstellen. Das ist gerade, wenn wir uns um Metaregeln Gedanken machen, ein fundamentaler Unterschied.

Ich nehme diesen Einwand ernst. Man sollte wissen, dass ich selbst dem Lager der Charakterspieler angehöre, also Dolges Meinung nicht treffend finde. Er hat Recht, aber das trifft nicht den entscheidenden Punkt. Wir scheinen von unterschiedlichen Perspektiven an die Sache heranzugehen und ich möchte sie verstehen. Meine Perspektive genauso wie Dolges. Außerdem möchte ich verstehen, warum wir nicht fähig oder nicht willig sind, die Perspektive des anderen verstehend einzunehmen. Es geht gar nicht darum, die andere Perspektive für sich zu übernehmen. Verstehen würde schon reichen.

Dolges Einwand wurde exakt in der gleichen Form auch von Beginn an gegen das 3-Ebenen-Modell vorgebracht. Die Spielwelt sei kein in sich geschlossenes etwas mit Anknüpfungspunkten, sondern alles nur Produkt der Spielerphantasie. Damit wurde die Unterscheidung von extrinsischen und intrinsischen Regeln zu negieren versucht.

Das Problem liegt tiefer. Das ist mir bewusst geworden, als der Einwand gegen die Charakterdarstellung vorgebracht wurde. Funktional gibt es keinen Unterschied zwischen der Unterscheidung von Spielrunde-Spielwelt und Spieler-Charakter. Beide Trennungen habe ich vertreten und gegen beide wird das exakt gleiche Argument angeführt. Wir stoßen uns nicht bloß an einem Gegenstand des Rollenspiels, sondern meines Erachtens an einer Denkkategorie.

Interessant ist, dass es zahlreiche Vertreter für beide Standpunkte gibt.

Ich lade euch ein, darüber zu sinnieren.
Spielertyp: Modellbauer. "Ich habe das Rollenspiel transzendiert."

"Wir führen keinen Krieg...sind aber aufgerufen eine friedliche Lösung auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen." Gerhard Schröder.

Offline Bad Horse

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #1 am: 16.11.2012 | 21:55 »
Hatten wir das nicht hier schon mal?
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ErikErikson

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #2 am: 16.11.2012 | 22:04 »
Ein Spieler sitzt immer an einem Tisch, mit anderen Spielern. Wirkliche Immersion im Sinne eines Erlebens der Spielsituation wird durch diese Tatsache stark beschränkt. Ob man dann noch eine komplizierte Regel durchführt oder eine einfache, ob man Musik hört oder nicht, das ändert nichts am Grad der "Einswerdung" mit dem Charakter. Die ist sowieso nicht doll. Es geht nicht darum, wie sehr sich der Spieler in seinen Char hineinversetzt. Es stellt sich eher die Frage, ob der Spieler gedanklich bei einer Sache bleiben darf. Ist diese Sache die Handlung eines Charakters, wird das als Immersion bezeichnet. Im Grunde geht es dem immersionsspieler nur darum, das er sich nur um seinen Charakter zu kümmern hat und um nichts anderes. Der Immersionsspieler will seinen Blickwinkel nicht ändern. Darum gehts. Eine Sichtweise, die des Charakters, und Punkt.

Warum? Weils einfach ist. Um sich in andere hineinzuversetzen, muss man immer zusätzliche kognitive Energie aufwenden. Wenn man sich stattdessen rein auf die paar Dinge konzentiert, die der eigene Charakter will, kann man ohne viel denken sofort sagen, was man tut.  

Immersion ist oft nur eine Worthülse dafür, das man jetzt keine Lust hat, sich um was anders zu kümmern als den eigenen Charakter.


Offline Teylen

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #3 am: 16.11.2012 | 22:07 »
Ich denke das es etwas anderes als Immersion ist.
Es ist doch mehr die Frage ob man Spieler und den Charakter sauber trennen kann.
Das betrifft Fragen wie ob man Charaktere spielen kann und sollte die eine stark von dem eigenen Selbst abweichende Ethik beziehungsweise Moralvorstellung hat. Zumal mitunter von den Handlungen entsprechende Rückschlüsse gezogen werden. Verkürzt Beispielsweise das Spieler welche Charaktere entsprechend blutige Taten vollbringen lassen und diese gegebenfalls noch plastisch beschreiben, als Spieler ein psychisches Problem haben respektive damit 'versteckt' ein gewisses Gewaltpotential / Sehnsüchte erkennen lassen.
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Offline Gummibär

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #4 am: 17.11.2012 | 04:07 »
Der SC selbst stellt natürlich genau genommen keine Überlegungen an. Er existiert zwar, wenn auch nur als Gedankenkonstrukt. Aber Gedankenkonstrukte können weder denken noch handeln, sondern sind lediglich eine Ansammlung von „Daten“. D.h. also, dass der Spieler die Überlegungen anstellt, allerdings kann er dies auf Grund einer eingeschränkten Basis tun. Diese Basis kann der SC-Blickwinkel sein. Wenn der Spieler Überlegungen nur auf Basis des SC-Blickwinkels anstellt, dann nutzt er dafür lediglich  Charakterwissen und kein Spielerwissen. Der SC handelt dann so, als würde es sich bei ihm tatsächlich um die gedachte Figur handeln.

Letzteres kann ein Spielziel sein, dass Spieler ihren SC glaubwürdig (auch für einen selbst) darstellen wollen. In dem Fall darf „der SC“ keine unpassenden Entscheidungen treffen.

Manche Spieler haben als ein Spielziel, in eine fremde Haut zu schlüpfen. Sie möchten sich also in eine ausgedachte Figur hineinversetzen. Dafür betrachten sie das Spiel aus deren Blickwinkel. Es geht ihnen aber nicht darum, nur mal kurz die aktuelle Situation dieser Figur zu verstehen, was ja sonst meist der Zweck ist, wenn man sich in jemanden hineinversetzt. Es geht ihnen darum, den Blickwinkel dieser Figur längere Zeit einzunehmen.

Dies kann der Fall sein, weil man mal „das Leben eines anderen leben will“ oder eine Zeit lang „dem Alltag entfliehen“ will. Wenn jemand aber das Leben eines anderen leben will, dann stören ihn alle Elemente, die das nicht unterstützen. Wenn diese Elemente einen anderen Spielstil wie Storyteller gut unterstützen, dann kann es einen Konflikt geben, da jeder das Spiel auf eine Art gestaltet sehen will, die den anderen stört.
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Offline Hróđvitnir (Carcharoths Ausbilder)

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #5 am: 17.11.2012 | 04:32 »
Das ist doch einmal ein interessanter Thread. Rational-aufgeklärt, modern muß ich das hier natürlich fett unterschreiben.

Der SC stellt keine Überlegungen an. Der Spieler tut so, als würde der SC Überlegungen anstellen. Das ist gerade, wenn wir uns um Metaregeln Gedanken machen, ein fundamentaler Unterschied.

Dummerweise kann ichs nicht. Ich weiß, daß es nicht stimmt, ich habe es bereits erfahren, andere haben es erfahren. Da sitzt man als moderner Mensch aber in einer doofen Falle, denn neckisch winken um die Ecke spirituelle Kategorien und metaphysische Zustände. Ihnen fällt Popcorn aus dem Grinsen, Popcorn, das sie aus großen Eimern in sich hineinstopfen. Irgendwie muß ich mir das ja erklären und möchte trotzdem nicht rotwerden, wenn ich beim Bart stutzen in den Spiegel schaue.

Ich halte den Zustand der tiefen Charakterimmersion für eine milde, kontrollierte und partiell bewußt herbeigeführte Dissoziative Identitätsstörung. Der Spieler erweitert seine Identität um Facetten des Charakterkonstruktes, das er spielt, überläßt diesen Aspekten teilweise die Führung, nie aber die Kontrolle und ist stets gewärtig, daß es eine Rolle ist. Das würde das "Reinkommen" und das "Rauskommen" erklären, das ich oft erfahre und bei anderen beobachte, einige massive Veränderungen in der Kontrolle der Gesichtsmuskulatur und einiges andere.
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Offline Oberkampf

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #6 am: 17.11.2012 | 13:29 »
Das berührt das Thema vielleicht nur am Rande, aber da wir zum sinnieren über das Thema eingeladen wurden: Wieso braucht man zum Charakterspiel eine Versenkung in den gespielten Charakter?

Ich will nicht bestreiten, dass beides oft einhergehen kann, aber ich glaube nicht, dass es muss. Schließlich versuchen auch die meisten einige SLs, ihre NSCs mit einem Maximum an Charakterspiel auszuspielen. Auch in einigen Varianten des Storygamings (bzw. des NAR-Spiels mit vielen Metaregeln, die nicht ganz unbegründet als immersionserschwerend angesehen werden) steht mMn das Charakterspiel im Vordergrund. Ich würde sogar behaupten, das ist der eigentliche Fokus der Indie-Games.
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Online Maarzan

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #7 am: 17.11.2012 | 13:56 »
Das berührt das Thema vielleicht nur am Rande, aber da wir zum sinnieren über das Thema eingeladen wurden: Wieso braucht man zum Charakterspiel eine Versenkung in den gespielten Charakter?

Ich will nicht bestreiten, dass beides oft einhergehen kann, aber ich glaube nicht, dass es muss. Schließlich versuchen auch die meisten einige SLs, ihre NSCs mit einem Maximum an Charakterspiel auszuspielen. Auch in einigen Varianten des Storygamings (bzw. des NAR-Spiels mit vielen Metaregeln, die nicht ganz unbegründet als immersionserschwerend angesehen werden) steht mMn das Charakterspiel im Vordergrund. Ich würde sogar behaupten, das ist der eigentliche Fokus der Indie-Games.

Man braucht es nicht. Den Großteil meiner regelmäßig gewesenen, eher gamistischen Mitspieler habe ich dazu gebracht, die Charaktermentalität und Geschichte eben als Teil der Randbedingungen der Herausforderung zu akzeptieren. Sie immersieren typischerweise nicht, aber sie generieren auch keine störenden Einflüsse mehr.

Die Grundaussage halte ich für eine Strohpuppe der Wahl eines theoretschen Extrems, wie sie häufiger auftritt. Natürlich läßt sich Perfektion nicht erreichen, aber der Reiz diverser Vorstellungen von Spielspaß ist zu schauen wie weit man kommt, bzw störende gegenläufige Einflüsse zu minimieren.
Durch diese bewußte Ignoration der Praxis wird dieser Vorstellung von Spielspaß damit einfach die Existenzberechtigung abgesprochen, ungefähr wie wenn eine Fahrradtour vorgeschlagen wird und einer einwirft, du wirst doch eh nicht mehr Tour de France gewinnen, also  lasst uns das Auto nehmen, viel schneller und bequemer. 

Es ist also kein Problem des Vorstellen könnens (das kommt ggf in der praktischen Umsetzung dazu), sondern eins der Ablehnung schon der eigentlich noch für alle Erkennbaren sein sollenden Natur fremden Spielspaßes - auch wenn man den Reiz oder die Umsetzung vielleicht nicht mehr versteht - durch eine miesen rhetorischen Winkelzug.
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Offline Skiron

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #8 am: 17.11.2012 | 14:19 »
Dazu gibt es einen Einwand, der sich sehr hartnäckig hält und auch nach Jahren nicht überwunden werden konnte:
Ich nehme diesen Einwand ernst. Man sollte wissen, dass ich selbst dem Lager der Charakterspieler angehöre, also Dolges Meinung nicht treffend finde. Er hat Recht, aber das trifft nicht den entscheidenden Punkt. Wir scheinen von unterschiedlichen Perspektiven an die Sache heranzugehen und ich möchte sie verstehen. Meine Perspektive genauso wie Dolges. Außerdem möchte ich verstehen, warum wir nicht fähig oder nicht willig sind, die Perspektive des anderen verstehend einzunehmen. Es geht gar nicht darum, die andere Perspektive für sich zu übernehmen. Verstehen würde schon reichen.

Ich kann verstehen, dass man aus der Perspektive seines Charakters spielen möchte.
Sich also so weit wie möglich mit dem Charakter identifizieren.
Ich kann auch verstehen, dass man gerne intuitiv spielen möchte und nicht analytisch, damit man spontan reagieren kann.

Mir leuchtet auch ein, dass einem dabei entgegen kommt, wenn die Regeln sich nach dem eigenen Realitätsverständnis intuitiv
in die Spielwelt übertragen lassen.

Ich finde solch ein Spielverhalten auch unproblematisch, wenn der Spieler für dieses Hinein versenken in den Charakter
auch die Verantwortung im Spiel übernimmt und die Konsequenzen dieser Spielweise trägt.
Und Einsicht zeigt, dass diese Annäherung in einem Spiel mit Spielern nur eine Annäherung sein kann.

Und hier sehe ich die Problematik.
Erik Erikson hat das sehr gut auf den Punkt gebracht.

Immersion ist oft nur eine Worthülse dafür, das man jetzt keine Lust hat, sich um was anders zu kümmern als den eigenen Charakter.

Eine Spielrunde ist begrenzt.
Es können nur eine bestimmte Anzahl an Spielern teilnehmen.
Diese müssen aufeinander Rücksicht nehmen, was in meinen Augen Kompromisse oder Konsens erfordert,
der auf der Spielerebene erfolgen sollte.

Regeln erschließen sich nicht für alle gleich intuitiv.
Manchmal ist es notwendig für die Handlungen des Charakters Erklärungen zu geben auf der Metaebene,
weil dies im Spiel nicht möglich ist, um ein Zusammenspiel der Charaktere stattfinden zu lassen.

Mein Eindruck oder meine Erfahrung mit solchen Spielern war, dass sie Erwartungen an ihre Mitspieler haben,
die sie nicht bereit sind selbst zu erfüllen. Als Beispiel, man möchte einen Charakter spielen, der sehr arrogant ist
und Kommunikation in der Gruppe abblockt. Man möchte aber mehr Charakterspiel.
Als Spieler bin ich bereit diesem Spieler entgegen zu kommen und seinen Charakter
trotzdem anzuspielen, auch wenn das meinem Charakter und meinem Verständnis von Plausibilität in der Spielewelt
nicht entgegenkommt. Aber nur bis zu einem gewissen Punkt.
Ein anderer Erfahrungswert ist, dass solche Spieler oft eine sehr genaue Vorstellung von dem was sie spielen wollen
und wie ihr Charakter sein soll und wahrgenommen werden soll haben, jedoch vergessen, dass sie dies am besten
auf irgendeine Weise mitteilen müssen, wenn sie es schon nicht über ihren Charakter machen, weil man es sonst nicht wissen kann.
Dazu bietet sich natürlich die Metaebene an, wenns auf der Spielebene nicht funktioniert und hier fehlt mir manchmal die Einsicht
der Spieler.

Genaus finde ich es legitim einen Arschlochcharakter zu spielen, dann aber auch die Konsequenz zu tragen, wenn dieser
von den anderen Charakteren genauso behandelt wird und nicht als Mister Superhero und Anführer.

Es ist für mich als Spieler auch unproblematisch Wünschen solcher Spieler entgegen zu kommen und mir die Mühe zu machen
auf diese einzugehen. Allerdings erwarte ich das dann auch umgekehrt.

Ums vielleicht kurz auf den Punkt zu bringen, ich kann den Wunsch durchaus verstehen und finde ihn sogar legitim,
solange man bereit ist, nach, vor oder in einer Pause während des Spiels sich auf die Metaebene zu begeben und dort auch
die Wünsche der anderen Spieler oder Sichtweisen für ihren Charakter zu berücksichtigen.

Es geht um die Identifikation des Spielers mit der Spielfigur, wie es Charakterspieler gern tun. Sie beanspruchen für sich, aus Sicht der Spielfigur zu denken und zu handeln und das eigene Wissen und die eigenen Antriebe dabei außen vor zu lassen.

Ich glaube, dass das nicht komplett möglich ist.
Halte das für eine Illusion und zwar für eine, die sehr leicht dazu führt,
dass man sich die eigenen Motive und Bedürfnisse nicht eingesteht und
Projektionen vornimmt. In der Form, dass man Störfaktoren, die in einem selbst liegen
im Außen verortet.

Das Problem liegt tiefer. Das ist mir bewusst geworden, als der Einwand gegen die Charakterdarstellung vorgebracht wurde. Funktional gibt es keinen Unterschied zwischen der Unterscheidung von Spielrunde-Spielwelt und Spieler-Charakter. Beide Trennungen habe ich vertreten und gegen beide wird das exakt gleiche Argument angeführt. Wir stoßen uns nicht bloß an einem Gegenstand des Rollenspiels, sondern meines Erachtens an einer Denkkategorie.

Diese Aussage verstehe ich nicht.
Trennst Du zwischen Spieler und Charakter oder nicht?k
Machst Du eine Trennung zwischen Spielewelt und Spielerrunde oder nicht?

Ich lade euch ein, darüber zu sinnieren.

Danke für die schöne Einladung zum sinnieren. :-)

Online Maarzan

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #9 am: 17.11.2012 | 14:35 »
Da für die Immersion Metagedanken störend sind, ist es eben um so wichtiger eine Menge Arbeit vorher zu machen.

Wer solche Ansprüche hat, muss auch die Vorarbeiten dazu leisten, damit dies klappt.

Wobei ich diese Art Spieler, die immersiv sein wollen, von den anderen aber quasi Gedanken lesen oder gar supportende Statistenrollen verlangen und dann beleidigt sind, leider auch in nicht unwesentlicher Zahl kenne. Doppelt ärgerlich, wenn man das als SL vor dem Spiel einbinden will, aber das dann doch zu viel Arbeit ist oder der Spieler nicht in der Lage oder bereit seinen Charakter entsprechend zu beschrieben um ihn in Gruppe und Welt einzubinden, er aber zickt, wenn das hinterher nicht aufgeht. Andere zicken nicht, leben aber fröhlich autistisch in sich hin.

Umgekehrt gibt es aber auch Mitspieler und SL, welche nicht zu entsprechenden Planungen und Absprachen bereit sind und später Flexibilität für ihre spontanen, oft hochgradig das Spiel ändernden Ideen fordern und sich wundern, wenn sie dann auf Granit beißen.

Mit Arschlochverhalten bin ich vorsichtig, denn viele Runden haben eben eine Unterdrückung von Paranoia und Aversionen zwischen SC (PvP) als Teil der Tischregeln beinhaltet. Da ist es leicht von Konsequenzentragen zu reden, wenn ein guter Teil davon bereits über andere Umstände ausgeschlossen sind.
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Offline Gummibär

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #10 am: 18.11.2012 | 03:03 »
Auch in einigen Varianten des Storygamings (bzw. des NAR-Spiels mit vielen Metaregeln, die nicht ganz unbegründet als immersionserschwerend angesehen werden) steht mMn das Charakterspiel im Vordergrund. Ich würde sogar behaupten, das ist der eigentliche Fokus der Indie-Games.

Law unterscheidet hier zwischen den Spielertypen
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und
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
. Ersterer möchte eine gute Geschichte produzieren, dabei sind gut dargestellte Charaktere förderlich. Zweiterer möchte in eine fremde Haut hineinschlüpfen. Hier im Thread wird der Method Actor als Charakterspieler bezeichnet.



Es können nur eine bestimmte Anzahl an Spielern teilnehmen.
Diese müssen aufeinander Rücksicht nehmen, was in meinen Augen Kompromisse oder Konsens erfordert, der auf der Spielerebene erfolgen sollte.

Sehe ich auch so. Essentiell ist hier, einen SC zu erstellen, der zur Gruppe passt.

Manchmal ist es notwendig für die Handlungen des Charakters Erklärungen zu geben auf der Metaebene, weil dies im Spiel nicht möglich ist, um ein Zusammenspiel der Charaktere stattfinden zu lassen.

Kann man ja in der Pause machen. Halte ich aber selbst dort nicht für notwendig, außer gegenüber dem SL.

Mein Eindruck oder meine Erfahrung mit solchen Spielern war, dass sie Erwartungen an ihre Mitspieler haben, die sie nicht bereit sind selbst zu erfüllen. Als Beispiel, man möchte einen Charakter spielen, der sehr arrogant ist und Kommunikation in der Gruppe abblockt. Man möchte aber mehr Charakterspiel.

Das tut mir Leid und ich verstehe, dass du deshalb skeptisch bist. Um gruppenuntauglich zu spielen, muss man aber kein Method Actor sein. Das können auch Storyteller, Tactician, Powergamer, Buttkicker und Casual Gamer.

Als Spieler bin ich bereit diesem Spieler entgegen zu kommen und seinen Charakter trotzdem anzuspielen, auch wenn das meinem Charakter und meinem Verständnis von Plausibilität in der Spielewelt nicht entgegenkommt.

Da sehe ich die Verantwortlichkeiten z.B. anders. Wenn ein Spieler einen arroganten SC spielt, dann muss der Spieler die Begründung dafür liefern, warum die SC-Gruppe seinen SC nicht einfach abserviert und warum die Spieler-Gruppe seinen SC ertragen soll. Der Spieler hat die Bringschuld für seinen SC.

Ein anderer Erfahrungswert ist, dass solche Spieler oft eine sehr genaue Vorstellung von dem was sie spielen wollen und wie ihr Charakter sein soll und wahrgenommen werden soll haben, jedoch vergessen, dass sie dies am besten auf irgendeine Weise mitteilen müssen, wenn sie es schon nicht über ihren Charakter machen, weil man es sonst nicht wissen kann.

Hier liegt das Problem daran, dass die Spieler ihren SC nicht darstellen können. Das Problem ist aber nicht, dass es sich um einen Method Actor handelt.

Dazu bietet sich natürlich die Metaebene an, wenns auf der Spielebene nicht funktioniert und hier fehlt mir manchmal die Einsicht der Spieler.

Wenn. Ja dann braucht es tatsächlich die Metaebene. Aber wenn es auf der Spielebene funktioniert, dann nicht.

Genaus finde ich es legitim einen Arschlochcharakter zu spielen, dann aber auch die Konsequenz zu tragen, wenn dieser von den anderen Charakteren genauso behandelt wird und nicht als Mister Superhero und Anführer.

Die Reaktion der Umgebung gehört nicht in den Bereich, den der Spieler definiert. Dazu hat er im klassischen Spiel nicht das Recht, er darf lediglich seinen SC beschreiben.
Du greifst Teichdragon & Co. an und äußerst jetzt Unverständnis, wenn sich einer von ihnen zu Wort meldet?

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Offline Nørdmännchen

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #11 am: 18.11.2012 | 19:02 »
Ich halte den Zustand der tiefen Charakterimmersion für eine milde, kontrollierte und partiell bewußt herbeigeführte Dissoziative Identitätsstörung.

 ;D

... und der Smiley soll nicht bedeuten, dass ich Deinen Post nicht ernst nehme. Im Gegenteil: ich kann mich gut in Deine These "hineinversetzen".

Ich nehme diesen Zustand selbst ab und an wahr. Meine (großteils emotionale) Bewertung ist ein klein wenig anders - oder vielmehr würde ich es nur anders ausdrücken. Ich glaube, dass in uns Menschen eine riesiges Register an "Persönlichkeitsmerkmalen" angelegt ist. Durch unsere äußeren Umstände und unsere eigenen Entscheidungen (ich traue mich nicht die Worte "in-" und "extrinsisch" in diesen Themenkomplex fallen zu lassen) bespielt jeder einzelne von uns nur einen bestimmten Bereich seiner "Orgel".
Bestimmte Formen des Schauspielens oder meinetwegen der "in-andere-Charaktere-versetzen" erlauben es uns, andere Klangspektren auszuprobieren und den Staub aus den eingemotteten Pfeifen zu blasen. Einige Techniken des Psychodramas (die eher methodisch als analytisch ansetzen) bauen auf ähnlichen Annahmen auf.
Im optimalen Fall stattet uns dass mit einem größeren Instrumentarium aus, um dem Leben zu begegnen. Sie erweitern unseren Erfahrungs- und Verhaltens-Horizont. Im schlimmsten Fall führt's wirklich in Bereiche einer Identitätsstörung (soll manchen Berufs-Schauspielern ja passieren...).
Deswegen halte ich Schauspielen (solcher Art) auch für eine grandiose Gabe und sogar für ein archaisches Bedürfnis des Menschen - siehe spielende Kinder. Egal ob es am Tisch, auf der Bühne oder sonstwo stattfindet.

Am Rande: Die Wege solche "Identifikation" zu erreichen oder auch nur zu erleichtern sind mMn extrem mannigfaltig. Meine eigene Erfahrung ist, dass ich einen längeren und ernsthaften Prozess des "Erspielens" brauche - bis plötzlich eine fiktive Figur ein "eigenes Leben" entwickelt.
»Gute Geschichten sind so gut aufgebaut, daß Lehrer natürlich denken, sie seien vorher geplant,
aber jede Geschichte hätte auch in eine Million andere Richtungen gehen können.«

– Keith Johnstone, Theaterspiele

El God

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #12 am: 18.11.2012 | 19:36 »
Ich halte den Zustand der tiefen Charakterimmersion für eine milde, kontrollierte und partiell bewußt herbeigeführte Dissoziative Identitätsstörung. Der Spieler erweitert seine Identität um Facetten des Charakterkonstruktes, das er spielt, überläßt diesen Aspekten teilweise die Führung, nie aber die Kontrolle und ist stets gewärtig, daß es eine Rolle ist. Das würde das "Reinkommen" und das "Rauskommen" erklären, das ich oft erfahre und bei anderen beobachte, einige massive Veränderungen in der Kontrolle der Gesichtsmuskulatur und einiges andere.

Ich habe Immersion natürlich auch schon erlebt und bezweifle nicht, dass sie möglich ist. Allerdings wird dadurch für mich der Charakter, den ich erlebe, nicht unbedingt realer. Ich kann auch in Bücher oder erzählte Geschichten immersieren - meistens sogar bedeutend besser als in einen Charakter, den ich selbst spiele. Der Unterschied zu diesen Medien ist beim Rollenspiel der kooperative Aspekt - die Geschichten, die ich da erlebe, können mich überraschen und ich kann sie trotzdem mitformen, während ich beim Buch (oder Film) bzw. bei der von mir erzählten Geschichte jeweils nur einen dieser Aspekte habe.
Insofern ist Rollenspiel da die Verschmelzung zweier kreativer Künste: Die der Autorenschaft und die des phantastischen Eintauchens. Autorenschaft habe ich im Rollenspiel jederzeit, ganz egal, wie klein der Bereich ist, den ich kontrolliere. Mit Autorenschaft einher geht die Verantwortung für die Auswirkungen auf das kreativ erschaffene Konstrukt, auf die Geschichte und auf die Möglichkeiten meiner Mitspieler, in diese einzutauchen. Um dieser Verantwortung nachzukommen, muss ich unglaublich viele Dinge miteinander balancieren: Ich will eine plausible Geschichte, ich will mich an die Spielregeln halten, ich will eine spannende bzw. interessante Geschichte und ich will die Autorenschaft meiner Mitspieler nicht negieren bzw. einschränken. Wenn ich einen dieser Aspekte zu sehr aus den Augen verliere, mache ich ganz platt formuliert das Spiel kaputt. Insofern hat für mich die Autorenschaft absoluten Vorrang vor dem phantastischen Eintauchen. Dieses ergibt sich, wenn eine Runde lange eingespielt ist, wenn ich intuitiv agieren kann, ohne mir ständig aktiv Gedanken um meine Verantwortlichkeiten machen zu müssen. Gedanken um diese Verantwortlichkeiten kann ich mir aber auch erleichtern, wenn ich sie konkret in Regeln packe und die Spieler so kollektiv einen Teil der Verantwortung an ein stützendes Konstrukt abgeben können. Diese Erfahrung konnte ich mehrfach machen, es hat mich anfangs auch sehr erstaunt: Scheinbar beschäftigt sich das Spiel verstärkt mit Dingen (üblicherweise wird das als Metagame bezeichnet), die nicht auf phantastisches Eintauchen abzielen, dadurch, dass ich dann aber nicht mehr ständig selbst überlegen muss, wie ich die Verantwortlichkeiten gegeneinander abwäge, bleibt mir am Ende MEHR Zeit für Immersion.

Das ging jetzt leider haarscharf am Thema vorbei, aber ich finde es wichtig, es noch einmal zu betonen: Die Trennung von fiktionalem Charakter vom Spieler ist für mich Grundvoraussetzung dafür, dass ich im Rollenspiel sorgenlos immersieren kann.

Online Maarzan

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #13 am: 18.11.2012 | 19:49 »
Die Trennung von fiktionalem Charakter vom Spieler ist für mich Grundvoraussetzung dafür, dass ich im Rollenspiel sorgenlos immersieren kann.

Genau, aber in dem Fall, indem man vorher draußen die wichtigen Sachen abklärt, dann in seinen Simulator steigt und draußen ein Schild dranpappen hat: Stören bitte nur in Notfällen.

Wenn man Geschichte streicht, was bei der Präferenz für Charakterimmersion wohl nicht unüblich ist, bleibt noch Regeln beachten, was bei einem maßgeblichen Schwerpunkt auf transformativen* Regeln auch nicht mit der Immersion kollidieren muss, sieht es schon gut aus.

*Transformative Regeln nenne ich mal solche, welche letztlich nur eine notwendige Umsetzung von spielweltinternen Vorgängen und Informationen behandeln also quasi zur Unterstützung des Spiels im Charakter dienen und die durch das begrenzte Nadelör sprachlicher Darbietung gesetzten Limits etwas aufzuweiten und unterstützen erlauben.
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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #14 am: 18.11.2012 | 19:50 »
Ich halte den Zustand der tiefen Charakterimmersion für eine milde, kontrollierte und partiell bewußt herbeigeführte Dissoziative Identitätsstörung. Der Spieler erweitert seine Identität um Facetten des Charakterkonstruktes, das er spielt, überläßt diesen Aspekten teilweise die Führung, nie aber die Kontrolle und ist stets gewärtig, daß es eine Rolle ist. Das würde das "Reinkommen" und das "Rauskommen" erklären, das ich oft erfahre und bei anderen beobachte, einige massive Veränderungen in der Kontrolle der Gesichtsmuskulatur und einiges andere.

Schön ausgedrückt.

Anekdote am Rande, um dieses "Rein-Rauskommen" und die tatsächliche Differenz zwischen dem eigenen und dem angenommenen Charakter zu illustrieren: Vor etlichen Jahren habe ich mir den Kopf zerbrochen, wie ich jemandem anderes meinen Standpunkt klar machen könnte bzw. auch darüber, was mich an seinem Standpunkt eigentlich gestört hat. Also bin ich kurz mal in die Haut meines Charakters geschlüpft und habe den die fiktive Debatte führen lassen.

Und dieser fiktive Charakter hat das grundlegende Problem sofort identifiziert und auf den Kopf getroffen. Das hat mich damals ziemlich überrascht.

Ich will jetzt natürlich nicht behaupten, der fiktive Charakter wäre "real" oder so was. Aber der hatte tatsächlich eine sehr andere Art und Weise, die Welt zu sehen - eine Art und Weise, die ich normalerweise für mich nicht einnehmen will.
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alexandro

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #15 am: 18.11.2012 | 20:13 »
Ich halte den Zustand der tiefen Charakterimmersion für eine milde, kontrollierte und partiell bewußt herbeigeführte Dissoziative Identitätsstörung. Der Spieler erweitert seine Identität um Facetten des Charakterkonstruktes, das er spielt, überläßt diesen Aspekten teilweise die Führung, nie aber die Kontrolle und ist stets gewärtig, daß es eine Rolle ist. Das würde das "Reinkommen" und das "Rauskommen" erklären, das ich oft erfahre und bei anderen beobachte, einige massive Veränderungen in der Kontrolle der Gesichtsmuskulatur und einiges andere.

So sehe ich das auch (und habe es auch schon erlebt - nicht nur beim Rollenspiel, sondern auch bei besonders spannenden Büchern und/oder Filmen - ja sogar bei der Recherche für eine Hausarbeit an der Uni).

Aus diesem Grund kann ich auch nicht verstehen, warum Meta-Elemente störend für die Immersion sein sollen, aber das wäre eine andere Geschichte.

Offline Beral

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #16 am: 19.11.2012 | 12:38 »
Es geht nicht um Immersion. Das ist ein spezieller geistiger Zustand, den wir andernorts ausführlich diskutiert und sogar mit handfester Forschung und Theorie untermauert haben. Ob man das wünscht und anstrebt, ist für das Problem, das ich hier zur Diskussion stelle, nicht wichtig. (Es sei denn, ihr verwendet Immersion und Charakterspiel synonym. Davon ist aber abzuraten.)

Es geht auch nicht darum, ob Charakterdarstellung sozial verträglich und gruppenkompatibel gestaltet werden kann. Wenn wir darüber diskutieren, arbeiten wir bereits mit der Prämisse, dass Charakterdarstellung möglich ist. Das Problem setzt aber schon früher an, es wird nämlich unterstellt, dass es echte Charakterdarstellung gar nicht gibt, weil es ja auch keine echte Spielfigur gibt. Dolges Einwand zufolge gibt es nur Egodarstellung.

Die Unterstellung, dass Charakterspieler sich auf ihre Vorliebe berufen, weil sie faul sind, ist so bekloppt, dass ich sie nicht weiter kommentiere.

Loroms Kommentar hat viel Zuspruch erhalten. Bei einem Feature, das jedem Menschen zugänglich ist, sollte man aber nicht von einer Störung sprechen. Störung ist die Abweichung von der Norm. Die Fähigkeit zur Hineinversetzung in einen anderen ist aber keine Abweichung, sondern die Norm bei uns Menschen. Diese Fähigkeit ist sehr mächtig. Menschen erlernen sie erst im Alter von 4 Jahren, Tiere gar nicht. Im komplexen sozialen Spannungsfeld, hin- und hergesrissen zwischen den entgegengesetzten Notwendigkeiten nach Kooperation und egoistischer Durchsetzung, in diesem Spannungsfeld ist es von großem Vorteil, wenn man sich in den anderen hineinversetzen kann und auf diese Weise sein Verhalten antizipieren kann. Dann kann man nämlich auch antizipieren, wie man auf das antizipierte Verhalten des anderen reagiert oder wie man präventiv darauf eingeht.

Auf dieser Fähigkeit, sich in den anderen hineinzuversetzen, gründet die hohe Kunst des sozialen Miteinander. Charakterdarstellung im Rollenspiel ist ein Spiel mit dieser Fähigkeit. Damit sind wir wieder bei dem Problem angekommen.

Zitat
Der SC stellt keine Überlegungen an. Der Spieler tut so, als würde der SC Überlegungen anstellen. Das ist gerade, wenn wir uns um Metaregeln Gedanken machen, ein fundamentaler Unterschied.
Daran störe ich mich weiterhin. Der Vorstellungsraum im Rollenspiel ist funktional nichts anderes als das Weltgerüst der Phantasie (Erläuterungen dazu siehe hier). Sein naturgegebener Zweck ist die Simulation. Und wir Menschen besitzen die exklusive Fähigkeit, andere Menschen mitsamt ihren Wünschen und Zielen mitzusimulieren! Das ist selbstverständlich immer noch meine Simulation, von meinem Gehirn durchgeführt. Aber wie ich den anderen Menschen simuliere ist nicht beliebig. Ich projiziere ihm auch nicht meine Wünsche auf. Das ginge auch und wird auch gemacht. Aber Charakterdarstellung zeichnet sich gerade dadurch aus, eigene und fremde Wünsche klar zu trennen und die Simulation mit den Wünschen und Zielen des anderen ablaufen zu lassen.

Jetzt kommt ein Absatz, den ich selbt noch auf seine Richtigkeit reflektieren muss. Ein Erklärungsversuch:
Dolge, der hier stellvertretend für eine Reihe von Diskutanten steht, macht den Spieler zum Bezugspunkt seiner Überlegungen. Es ist der Spieler, der für den Charakter denkt und deshalb könne man die beiden bei Metaüberlegungen nicht trennen. Bei dieser Herangehensweise wird der Charakterdarsteller nicht glücklich. Er macht nämlich die Figur zum Bezugspunkt seiner Überlegungen. Bei Metaüberlegungen kann er deshalb klar trennen zwischen Darsteller und Dargestelltem.

Erklärungsversuch aus anderer Perpektive:
Dolge pocht auf die Kausalität zwischen Spieler und Figurdarstellung. Das ist soweit korrekt, aber er macht das ohne Zwischenschritte. Mehr noch, er verweigert auch anderen das Einfügen von Zwischenschritten. Seine Kausalkette lautet:
Spieler -> Figurdarstellung

Das stellt mich nicht zufrieden. Den Spieler als erste Instanz der Kausalkette und die Figurdarstellung als letzte akzeptiere ich, aber dazwischen stelle ich noch die Figur selbst:
Spieler -> Figureigenschaften -> Figurdarstellung
Das bedeutet, dass meine Figurdarstellung nicht beliebig ist. Sie orientiert sich nicht an mir als Spieler, sondern an den Eigenschaften der Figur.

Der Einfluss des Spielers verschwindet deswegen nicht. Aber er wird in enge Bahnen gelenkt. Wenn wir fünf Schauspielern den Auftrag geben, einen Macho bei der Anmache darzustellen, werden wir fünf Machos erleben. Die Machos werden nicht identisch sein, ihre Anmachsprüche werden jeweils andere sein, ihre Gesten, ihre Haltung. Aber die Unterschiede werden nicht beliebig ausfallen, sondern sich alle im Rahmen des Machoinventars bewegen. Das ist nur möglich, weil wir die Charaktereigenschaft "Macho" zwischen Spieler und Figurdarstellung geschoben haben. Entfernen wir dieses Zwischenglied, wird die Situation eine andere sein. Ein Schauspieler wird seine Anmache vielleicht machomäßig gestalten, der zweite charmant, der dritte schüchtern usw. Woher sie die Idee zur Anmache nehmen, bleibt offen. Sie spielen dann vielleicht sich selbst, vielleicht entscheiden sie sich spontan für eine eigens ausgewählte Figur. Die Freiheitsgrade sind jedenfalls sehr viel größer als in der ersten Versuchsanordnung.

Den regulierenden und höchst einflussreichen Faktor der Figureigenschaften stellt Dolge in Abrede, wenn er bei Metadiskussionen den direkten Weg vom Spieler zur Figurdarstellung als einzig möglichen bezeichnet. Diese Sichtweise ist eine mögliche, aber nicht die einzig mögliche.

Man kann im Spiel die Phantasiewelt gestalten, ohne dabei die einzelnen Figuren aus ihrer eigenen Perspektive zu simulieren. Zumindest ohne diesem Aspekt eine besondere Priorität einzuräumen. Wenn man an der Story interessiert ist, ist das unter Umständen auch die bessere Herangehensweise. Den Figuren wird dann diejenige Perpektive zugeordnet, die gerade der Story dienlich ist.

Was mich extrem stört, ist wenn die Vertreter dieser Spielrichtung unterstellen, es gebe den anderen Weg nicht wirklich. Doch, den gibt es. Die Priorität legt man darauf, die Figur nicht irgendwie darzustellen, sondern konsequent gemäß ihrer Eigenschaften. Das sind die Anknüpfungspunkte, die offenbar nicht von allen verstanden werden oder nicht verstanden werden wollen. Das ist der Zwischenschritt, der die Ereignisse in der Spielelt in enge Bahnen lenkt, die es ohne diesen Zwischenschritt nicht gibt.

Das ging jetzt leider haarscharf am Thema vorbei, aber ich finde es wichtig, es noch einmal zu betonen: Die Trennung von fiktionalem Charakter vom Spieler ist für mich Grundvoraussetzung dafür, dass ich im Rollenspiel sorgenlos immersieren kann.
Und das macht die Sache jetzt besonders kompliziert, weil du hier plötzlich genauso wie ein Charakterdarsteller argumentierst. Ich weiss nicht, wie ich dich verstehen soll.
Spielertyp: Modellbauer. "Ich habe das Rollenspiel transzendiert."

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El God

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #17 am: 19.11.2012 | 12:59 »
Zitat
Und das macht die Sache jetzt besonders kompliziert, weil du hier plötzlich genauso wie ein Charakterdarsteller argumentierst. Ich weiss nicht, wie ich dich verstehen soll.

Ich glaube ja nichtmal, dass es da so große Unterschiede gibt. Beim Rollenspiel stellt doch jeder einen Charakter dar. mit dem Einfügen der Figureneigenschaften in den darstellerischen Prozess bin ich einverstanden, dabei will ich aber unterstreichen, dass der Spieler weiterhin am längeren Hebel sitzt. Er wählt aus, welchen Aspekt seines Charakters er ausspielt und er wählt das nach verschiedenen Gesichtspunkten aus. Ich überlege gerade, ob man ein Fragenschema aufstellen könnte, das verdeutlicht, wie ich mir das vorstelle, ich probiere es mal, sowas zu skizzieren, ich gehe dabei von einem Ausschlussprinzip aus, es könnte genauso gut ein Prozess mit positivem Vorzeichen ablaufen :

1.) Was ist die Situation?

2.) Welche Optionen habe ich?

3.) Welche Optionen fallen raus, weil sie dem Charakter völlig zuwiderlaufen?

4.) Welche Optionen fallen raus, weil sie regeltechnisch zu massiv nachteilig sind?

5.) Welche Optionen fallen raus, weil sie den anderen am Tisch das Spiel kaputt machen, indem sie:
a) in die Autonomie der anderen Spieler eingreifen
b) den Genrekonventionen zu krass entgegenlaufen
c) Spotlight stehlen etc.

6.) Welche Optionen machen die Dramturgie kaputt?

7.) Unter den verbliebenen Optionen diejenigen auswählen, die meinen Vorlieben am ehesten entsprechen:
a) spieltaktische Vorteile
b) Charakterauthentizität/ Charaktersimulation
c) Dramaturgie

Natürlich stellt man sich diese Fragen nur seltenst explizit, sicher sind die einzelnen Schritte nicht scharf voneinander trennbar. Die Kriterien für die einzelnen Ausschlussschritte sind garantiert auch bei jedem anders gewichtet, ein Charakterdarsteller wird 3. am höchsten bewerten, ein Taktiker will sich vermutlich v.a. an 4. orientieren, 5. ist quasi für jeden wichtig und 6. ist für Dramaspieler am wichtigsten.
Ich vermute aber, dass jeder zumindest unterbewusst alle Punkte durchgeht. Dabei denke ich, dass man, je näher man an seinem "Ideal" vom Rollenspiel ist, d.h. je enger die Gruppe an den eigenen Spielvorlieben liegt, diese Liste umso einfacher und intuitiver/ unterbewusster durchgehen kann. Das, was mich in einer stilfremden Gruppe aus der Immersion reißt, ist in meiner stilistischen Heimat unerheblich und führt zu keinen Konflikten, weshalb ich es viel einfacher übergehen kann. Die Fragen, an deren Klärung ich mich gewöhnt habe, gehen mir natürlich leichter von der Hand.

Bleibt noch die Frage, warum es auch Rollenspieleinsteiger gibt, die tiefe Immersion erreichen können - stellen sie sich die Fragen nicht, weil sie weniger Erfahrungen damit gemacht haben, was kritische Entscheidungen für negative Folgen haben können? Denken sie einfach weniger technisch?

Wenn man tiefe Immersion erreicht - läuft dann die Fragenliste noch oder richtet man sich ausschließlich nach Charakterauthentizität? Bevor man das beantwortet, muss vermutlich doch wieder geklärt werden, in was man alles immersieren kann (Szene/Welt allgemein vs. direkt in den eigenen Charakter)...

Wenn das zu OT ist, kann man diese Fragenliste gern auch in einem anderen Thread bearbeiten.
« Letzte Änderung: 19.11.2012 | 13:02 von La Dolge Vita »

Offline Skiron

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #18 am: 19.11.2012 | 13:27 »
Das stellt mich nicht zufrieden. Den Spieler als erste Instanz der Kausalkette und die Figurdarstellung als letzte akzeptiere ich, aber dazwischen stelle ich noch die Figur selbst:
Spieler -> Figureigenschaften -> Figurdarstellung
Das bedeutet, dass meine Figurdarstellung nicht beliebig ist. Sie orientiert sich nicht an mir als Spieler, sondern an den Eigenschaften der Figur.

"Das bedeutet, dass meine Figurdarstellung nicht beliebig ist. Sie orientiert sich nicht an mir als Spieler, sondern an den Eigenschaften der Figur."

Ich denke hier liegt das Problem.
Woran orientiert sich die Figur, wenn nicht an Dir als Spieler?
Die Eigenschaften, die Du der Figur gibst, wählst Du aus, wer sonst?

Ich kann die Vorstellung der Figur als eigenständige Idee akzeptieren, dass sozusagen durch die Phantasie eine unabhängige Person entsteht.

Ich kenne auch die Situation, dass ich meinen Charakter handeln lasse und der Schritt meiner Entscheidungen mir nicht bewußt ist.
Allerdings kann ich mir danach bewußt machen, was mich zu meinen Entscheidungen veranlasst hat, dabei spielt natürlich eine Rolle
welche Vorstellung ich von dem Charakter habe und auch, wie sich die anderen Charaktere dem Charakter gegenüber verhalten
und mein Charakter von den anderen Spielern wahrgenommen wird.

In diesem Rückschritt kann ich dann auch meinen Mitspielern mitteilen, warum ich den Charakter so habe handeln lassen und nicht anders,
ABER ich bin auch offen für andere Überlegungen und sehe diese auch oft als Anregung, weil sie natürlich den Handlungsspielraum meines Charakters erweitern.

Und hier habe ich den Eindruck, dass genau dies verweigert wird?
Mit dem Argument, der Charakter existiert unabhängig vom Spieler. Was mir dann als Kunstgriff vorkommt, der verhindern soll,
dass man sich die eigenen Motive als Spieler bewußt macht und auch verhindern soll, dass man sich mit den eigenen Handlungen über den
Charakter auseinandersetzen muss und vor allen Dingen, dass man den Charakter als Spieler nicht an das Spiel der anderen anpassen muss.

Und das ist was mich stört.
Man sagt: Der Charakter existiert für sich, ich als Spieler kann daran nichts ändern.
Und genau diese Aussage kann ich nicht akzeptieren.


Eulenspiegel

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #19 am: 19.11.2012 | 13:35 »
@ Skiron
Bei der Charaktererschaffung ist die Figur noch relativ willkürlich. Dort ist sie nur dem Regelgerüst und anderen gruppeninternen Absprachen unterworfen. Innerhalb dieses Gerüstes kann ich meine Figur völlig frei kreieren, verändern, modden etc.

Hier habe ich auch keinerlei Problem, wenn andere Spieler mit Einwänden komme und ich meine Figur nochmal ändere.

Nach der Charaktererschaffung steht meine Figur jedoch fest. Jetzt empfinde ich es als unschön, nachträglich nochmal etwas zu ändern. Ich will nicht mehr völlig frei entscheiden, wie sich die Figur verhält, sondern dies auf Grundlage dessen tun, was während der Charaktererschaffung passiert ist.

Zitat
Man sagt: Der Charakter existiert für sich, ich als Spieler kann daran nichts ändern.
Und genau diese Aussage kann ich nicht akzeptieren.
Natürlich kann ich den SC ändern. Aber ich will nicht.
Wenn die anderen Spieler ein Problem damit haben, dass ich andauern klaue, hätten sie protestieren dürfen, als ich mir den Dieb generiert habe. Aber erst die Dieb-Generierung zuzulassen und sich anschließend über Diebstähle beschweren, halte ich für verfehlt.

Offline gunware

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #20 am: 19.11.2012 | 13:48 »
Man sagt: Der Charakter existiert für sich, ich als Spieler kann daran nichts ändern.
Und genau diese Aussage kann ich nicht akzeptieren.
Das verstehe ich nicht. Warum sollte die Aussage nicht akzeptabel sein? Die Aussage ist doch wahr. Nachdem die Spielfigur erschaffen wurde, existiert sie für sich (in ihrer imaginären Welt).
(Wenn ein Baum umfällt, verursacht er auch ein Geräusch, obwohl keiner da ist, um das Geräusch zu hören.)

Und diese Spielfigur hat einfach eine begrenzte Möglichkeiten zu handeln. Egal wie ich als Spieler drauf bin, sollte ich doch akzeptieren, dass diese eine Spielfigur sich anders verhalten wird als eine andere Spielfigur (vielleicht ähnlich, vielleicht sogar gegensätzlich, aber genaue Übereinstimmung ist sehr sehr unwahrscheinlich - gemeint ist über einen längeren Zeitraum). Und wenn sich die Spielfiguren unterscheiden, dann existieren sie (in ihrer imaginären Welt). Ich als Spieler kann es ignorieren, sie nicht zu spielen (dann wird ihre Existenz zwar absolut irrelevant, aber nichtsdestotrotz war diese Existenz vorhanden).


EDIT (Nachtrag):

Ich denke hier liegt das Problem.
Woran orientiert sich die Figur, wenn nicht an Dir als Spieler?
Ich glaube, ich kann gefahrlos zitieren:
Ich denke hier liegt das Problem.
Die Figur orientiert sich nicht an mir als Spieler, sondern ich als Spieler orientiere mich an den Eigenschaften der Figur.
« Letzte Änderung: 19.11.2012 | 14:01 von gunware »
Ich bin der letzte Schrei der Evolution, als sie mich erschaffen hatte, schrie sie: "Oh Gott, was habe ich denn gemacht?!"

Offline Skiron

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #21 am: 19.11.2012 | 15:01 »
Bei der Charaktererschaffung ist die Figur noch relativ willkürlich. Dort ist sie nur dem Regelgerüst und anderen gruppeninternen Absprachen unterworfen. Innerhalb dieses Gerüstes kann ich meine Figur völlig frei kreieren, verändern, modden etc.

Hier habe ich auch keinerlei Problem, wenn andere Spieler mit Einwänden komme und ich meine Figur nochmal ändere.

Nach der Charaktererschaffung steht meine Figur jedoch fest. Jetzt empfinde ich es als unschön, nachträglich nochmal etwas zu ändern. Ich will nicht mehr völlig frei entscheiden, wie sich die Figur verhält, sondern dies auf Grundlage dessen tun, was während der Charaktererschaffung passiert ist.

Ich möchte auch den Charakter nicht frei ändern.
Oder frei handeln lassen.
Sondern, dass dies plausibel ist innerhalb der Spielewelt und sich aus seinen Werten begründet.

Ich habe nur keine Problem mit Einwänden sowohl spielweltintern, als auch auf der Spielerebene und suche dann
unter den vorgegebenen Prämissen nach Möglichkeiten den Charakter anzupassen oder nehme die Konsequenz auf mich.
Dabei finde ich eben Sichtweisen von Außen, von anderen Spielern oder Anregungen aus der Wirklichkeit oder auch aus Büchern oder Filmen hilfreich.

Natürlich kann ich den SC ändern. Aber ich will nicht.
Wenn die anderen Spieler ein Problem damit haben, dass ich andauern klaue, hätten sie protestieren dürfen, als ich mir den Dieb generiert habe. Aber erst die Dieb-Generierung zuzulassen und sich anschließend über Diebstähle beschweren, halte ich für verfehlt.

Das finde ich z.B. eine akzeptable Aussage, weil sie ehrlich ist!

Ich gehe aber davon aus, dass man auf dieser Grundlage eben argumentieren kann, warum der Charakter so handelt und warum man den Charakter so handeln lassen will. Für mich wird alleine dadurch oft schon plausibel oder verständlich spielweltintern, oder aus Spielersicht, warum der Charakter ist, wie er ist, was mir als Spieler Möglichkeiten gibt auf meinen Mitspieler einzugehen ohne selbst die Plausibiliät meines Charakters zu verletzen. Es ist ein gegenseitiges Entgegenkommen, dadurch, dass man auf diese Weise die unterschiedlichen Sichtweisen integrieren kann.

Weshalb ich den zweiten Schritt davon auszugehen, dass nur weil man einen Dieb zugelassen hat, man akzeptieren muss, wie dieser agiert
nicht zustimmen würde.

Da halte ich dann eine Differenzierung für angebracht.

Stört es die Spieler, weil sie sich um Ausrüstung benachteiligt fühlen? (Prinzip der Fairness unter den Spielern wird verletzt? Metaebene?)
Stört es die Spieler spielweltintern, weil es nicht plausibel ist mit diesem Charakter zusammenzuarbeiten? (Realismus im Spiel wird verletzt?)
uswusf

Ich will auch niemandem vorschreiben, wie er seinen Charakter spielen soll.
Es gibt unzählige Varianten sowohl Spielweltintern, als auch auf der Metaebene um dies zu ermöglichen.

Bei mir ist nur dann Schluss, wenn man sich der Kommunikation verweigert und auch,
wenn man anderen Arbeit oder Bedingungen zumutet, die man selbst nicht leisten möchte oder auf die man selbst keine Rücksicht nehmen will und dabei Vorwände oder Ausreden benutzt. :-)

« Letzte Änderung: 19.11.2012 | 15:36 von Skiron »

Offline Beral

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #22 am: 19.11.2012 | 18:08 »
Sehr gut, wir kommen der Sache näher.

Ich glaube ja nichtmal, dass es da so große Unterschiede gibt. Beim Rollenspiel stellt doch jeder einen Charakter dar. mit dem Einfügen der Figureneigenschaften in den darstellerischen Prozess bin ich einverstanden, dabei will ich aber unterstreichen, dass der Spieler weiterhin am längeren Hebel sitzt. Er wählt aus, welchen Aspekt seines Charakters er ausspielt und er wählt das nach verschiedenen Gesichtspunkten aus.
Das ist richtig. Der Spieler sitzt am längeren Hebel. Das entscheidende ist nun, dass der Charakterspieler sich freiwillig den längeren Hebel nehmen lässt. Er will nicht am längeren Hebel sitzen. Ein sozial kompetentes Verhalten in der Spielrunde macht den Einsatz des längeren Hebels manchmal trotzdem notwendig, aber das ist dann wirklich eine Notwendigkeit, die man in Kauf nimmt. Der Spielstil in Reinkultur sägt den längeren Hebel nach Möglichkeit ab.

So weit möchtest du gar nicht gehen. Neben den sozialen Erfordrnissen der Spielrunde gibt es für dich auch andere Gründe, den längeren Hebel des Spielers zu nutzen. Davon abgesehen stellst du den Charakter ebenfalls nach seinen festgelegten Eigenschaften dar.

Jetzt wird es kompliziert. Die Methode des Charakterdarstellers benutzt du auch, aber nicht mit der gleichen Konsequenz. Folgerichtig haben wir es mit einem quantitativen Unterschied zu tun. Die Spielerschaft teilt sich aber ziemlich rigoros in zwei Lager. Von einer quantitativen Abstufung gelangen wir irgendwie zu einer qualitativen Teilung. Die eine Hälfte erkennt den Unterschied zwischen extrinsischen und intrinsischen Regeln, die andere Hälfte behauptet konsequent, es gäbe keinen.

Ich denke hier liegt das Problem.
Woran orientiert sich die Figur, wenn nicht an Dir als Spieler?
Die Eigenschaften, die Du der Figur gibst, wählst Du aus, wer sonst?
Mein Spielleiter oder der Drehbuchschreiber. Spätestens hier bricht dein Argument zusammen. Es hält aber selbst dann nicht, wenn ich meine Figur selbst erschaffe. Dabei lege ich die Eigenschaften der Figur fest. Dadurch wird sie zu etwas eigenständigem. Ihre Darstellung unterliegt nicht beliebigen spontanten Impulsen, auch nicht meinen aktuellen oder habituellen Bedürfnissen und Gewohnheiten. Sobald die Eigenschaften der Figur festgelegt wurden - egal von wem - hat sie ihr Profil und der Charakterdarsteller benutzt ihn als Filter für seine Handlungen. In der Darstellung kommt nur das raus, was der Filter des Figurprofils durchlässt.

Du unterstellst, dass meine Figur sich an mir orientiert, weil ich sie erschaffen habe. Zwischen den beiden Dingen besteht aber keine Kausalität. Die Verbindungen können beliebig sein. Du kannst eine Figur erstellen, die sich an mir orientiert, ich spiele diese Figur. Ich kann selbst eine Figur erstellen, die sich an mir orientiert und sie selbst spielen. Ich kann für dich eine Figur erstellen, die sich an mir orientiert und du spielst sie. Ich kann eine Figur erstellen, die sich an keinem von uns orientiert und wir beide können sie spielen.

Aber das weisst du alles auch selbst:
Ich kann die Vorstellung der Figur als eigenständige Idee akzeptieren, dass sozusagen durch die Phantasie eine unabhängige Person entsteht.

Und jetzt zu deinem eigentlichen Problem:
Mit dem Argument, der Charakter existiert unabhängig vom Spieler. Was mir dann als Kunstgriff vorkommt, der verhindern soll,
dass man sich die eigenen Motive als Spieler bewußt macht und auch verhindern soll, dass man sich mit den eigenen Handlungen über den
Charakter auseinandersetzen muss und vor allen Dingen, dass man den Charakter als Spieler nicht an das Spiel der anderen anpassen muss.

Und das ist was mich stört.
Ok. Was dich offenbar stört ist, wenn ein Charakterdarsteller den längeren Hebel der Spielermacht auch dann nicht verwenden will, wenn es aus gruppendynamischen Gründen auf Spielerebene angebracht wäre. So sollte es ja auch nicht sein. Und weil es nicht so sein soll, sagst du:
Man sagt: Der Charakter existiert für sich, ich als Spieler kann daran nichts ändern.
Und genau diese Aussage kann ich nicht akzeptieren.
Vom Sollen schließt du auf das Sein, um eine Waffe gegen verbohrte Charakterdarsteller in der Hand zu haben. Verständlich ist es. Nur zum Verständnis trägt es nicht bei.

Richtig ist:
Der Charakter existiert (beim Charakterdarsteller zumindest!) für sich, ich als Spieler kann daran was ändern. Ich will es bloß nicht!

Eine Spielrunde ist leider kein uneingeschränktes Wunschkonzert. Kompromisse sind erforderlich, von denen der Charakterdarsteller genauso wenig zu befreien ist wie andere Spieler. Hin und wieder muss auch er sein Wollen zurückstecken und den längeren Hebel der Spielermacht nutzen. Wenn du von einem hartnäckigen Charakterdarsteller geplagt bist, solltest du auf ihn einwirken. Das wird dir aber nicht gut gelingen, wenn du seine Position als nicht vorhanden diffamierst (es kann nicht sein, was nicht sein soll), und ihm etwa vorhältst, dass es die Eigenständigkeit des Charakters gar nicht gibt und er deshalb nicht darauf pochen könne. Er kann darauf pochen. Er sollte es nicht übertreiben damit. Seine Argumente liegen auf der Ebene der Spielwelt, in der dargestellten Figur begründet. Deine Argumente liegen auf der Ebene der Spielrunde, in der Verträglichkeit der Spieler untereinander begründet. Das eine kann das andere nicht aufheben. Für Rollenspiel werden beide Ebenen benötigt.
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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #23 am: 19.11.2012 | 19:06 »
Du unterstellst, dass meine Figur sich an mir orientiert, weil ich sie erschaffen habe. Zwischen den beiden Dingen besteht aber keine Kausalität. Die Verbindungen können beliebig sein. Du kannst eine Figur erstellen, die sich an mir orientiert, ich spiele diese Figur. Ich kann selbst eine Figur erstellen, die sich an mir orientiert und sie selbst spielen. Ich kann für dich eine Figur erstellen, die sich an mir orientiert und du spielst sie. Ich kann eine Figur erstellen, die sich an keinem von uns orientiert und wir beide können sie spielen.

Nein, ich argumentiere, dass die Figur sich an Dir orientiert, weil Du sie spielst.

Die Entscheidungen die die Figur trifft, sind Deine Entscheidungen als Spieler, unter der Prämisse der größtmöglichen
Übereinstimmung mit Deiner Festlegung davon, wie die Figur sein soll.

Deshalb kann man eine Figur erstellen, die unabhängig von uns beiden existiert und die wir beide unabhängig voneinander spielen können,
die sich aber in Abhängigkeit von uns als Person unterscheiden wird, wenn wir diese spielen.

Und jetzt zu deinem eigentlichen Problem:Ok. Was dich offenbar stört ist, wenn ein Charakterdarsteller den längeren Hebel der Spielermacht auch dann nicht verwenden will, wenn es aus gruppendynamischen Gründen auf Spielerebene angebracht wäre.

Nein.

Mich stört, dass der Spieler versucht einen als von sich unabhängigen Charakter vorzuschieben,
anstatt ehrlicherweise zuzugeben, dass er es als Spieler diesen Charakter genau so spielen will.
Was für mich bedeutet, dass der Charakter eben nicht unabhängig vom Spieler ist.

Denn, wenn der Charakter unabhängig vom Spieler ist, dann dürfte es für den Spieler vollkommen unproblematisch sein,
für den Charakter Entscheidungen zu treffen, die für diesen stimmig sind, auf die er aber selbst noch nicht gekommen ist.

Offline Beral

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Re: Trennung und Verschmelzung von Spieler und Spielfigur
« Antwort #24 am: 19.11.2012 | 20:58 »
Die Entscheidungen die die Figur trifft, sind Deine Entscheidungen als Spieler, unter der Prämisse der größtmöglichen
Übereinstimmung mit Deiner Festlegung davon, wie die Figur sein soll.

Deshalb kann man eine Figur erstellen, die unabhängig von uns beiden existiert und die wir beide unabhängig voneinander spielen können,
die sich aber in Abhängigkeit von uns als Person unterscheiden wird, wenn wir diese spielen.
Genau. Die Figur wird aber mit ihren Eigenschaften klar erkennbar bleiben, egal wer von uns beiden sie spielt - wenn wir uns an die Maximen der Charakterdarstellung halten. Wenn verschiedene Parodisten Frau Merkel nachäffen, erkennst du bei allen Frau Merkels Stimme wieder. Alle Versionen klingen ein wenig anders, aber in jedem Fall stellen sie doch eindeutig Frau Merkel dar.

Wir sind bei dem Problem der Kausalattribuierung, das ich vorhin beschrieben habe. Du betonst den Einfluss des Spielers auf die Figurdarstellung. Ich betone den Einfluss der Figur auf die Figurdarstellung. Das ist keine entweder-oder-Frage. Beide Einflüsse sind da. Der Verweis auf die eine Ursachenquelle ist nicht dazu geeignet, die andere Ursachenquelle in Abrede zu stellen.

Mich stört, dass der Spieler versucht einen als von sich unabhängigen Charakter vorzuschieben,
anstatt ehrlicherweise zuzugeben, dass er es als Spieler diesen Charakter genau so spielen will.
Was für mich bedeutet, dass der Charakter eben nicht unabhängig vom Spieler ist.
Grundsätzlich wird mal gar nichts vorgeschoben. Ehrlicherweise wird zugegeben, dass man den Charakter so spielen will, wie er konzipiert wurde. Das muss nicht verheimlicht oder auf Umwegen vertuscht werden, das ist der Kern des Spielstils. Genau daraus bezieht der Charakterdarsteller seine Freude.

Und du kannst noch zehnmal wiederholen, dass der Charakter nicht unabhängig vom Spieler ist. Ich werde es als Vertreter der Charakterdarsteller weiterhin nicht bestreiten. Hoffentlich akzeptierst du irgendwann auch den zweiten Teil der Wahrheit (erkannt hast du ihn bereits, wie aus einem der vortigen Posts hervorgeht). Der Charakter ist gleichzeitig unabhängig und abhängig vom Spieler.

Denn, wenn der Charakter unabhängig vom Spieler ist, dann dürfte es für den Spieler vollkommen unproblematisch sein,
für den Charakter Entscheidungen zu treffen, die für diesen stimmig sind, auf die er aber selbst noch nicht gekommen ist.
Damit hast du die Empfindung beschrieben, wie sie Nicht-Charakterdarsteller haben.
Spielertyp: Modellbauer. "Ich habe das Rollenspiel transzendiert."

"Wir führen keinen Krieg...sind aber aufgerufen eine friedliche Lösung auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen." Gerhard Schröder.