Meine Aussage war dass die Regeln selbst bereits auf Railroadingbasierte Abenteuer zugeschnitten sind. Der Tenor hier ist nun, dass die Regeln ergebnissoffen wären, aber die Abenteuer halt allesamt auf Schienen fahren?
Mitnichten. Natürlich sind viele Abenteuer nur eine ansammlung von Bahnhöfen, wo man kurz austreten kann, um dann gleich wieder in den Zug einzusteigen. Sprich, ergebnissoffene Parts haben keine Auswirkungen, die "wichtigen" Sachen sind eingeschränkt.
Aber wer glaubt die Regeln sind nicht genau für diesen Abenteuerstil zugeschnitten, irrt sich meiner Meinung nach. Ich spreche hier allerdings als jemand, der immer noch an DSA3 hängengeblieben ist. Aber zurück zu der Aussage, dass die Regeln nicht auf Railroading zugeschnitten wären.
Ich erinnere mich grad nicht mehr wo steht, dass DSA-Helden nur Goody-Two-Shoes (Gutmenschen) sein dürfen. (Als Begründung weil es keine Assassinen gibt zum beispiel) aber das ist auch wichtig. Das ist eine Grundsätzliche *Regel* in DSA. Man spielt Helden, die Heldenhaftes zeug tun wollen und wer einen nichthelden spielt der, äh, braucht nen neuen charakter (aber trotzdem Schelme fast so detailiert wie Magier ausarbeiten?)
Mantel, Schwert und Zauberstab: Das (erweiterungs) Regelbuch ist zunächst harmlos. Die Regeln sind einfach und übersichtlich, es fällt lediglich eine recht hohe anzahl an "Fluff"-Charakteren auf: Barden, Gaukler, oder "ethnischen" Kriegern wie Novadi/Thorwaler/Moha, welche zwar durch Regionalboxen vorher eingeführt wurden, aber im Grundregelwerk IMHO nicht so ausführlich wie die grundlegenderen Klassen beschrieben sein müssten. Darüber kann mag man sich streiten, das argument dass alle charaktere in einem buch versammelt sein sollten, zieht nicht, denn kein einziger magischer charakter ist drin.
Wo's aber wirklich deutlich ist, ist die GötterMagiebox. MdSA enthält gleich nochmal 50% fluffcharaktere im detail beschrieben, weil gute Rollenspielcharaktere ja eh nix können müssen, in richtigen Abenteuern tun sowieso die kanonischen NPCs alle epischen sachen erledigen.
Wo's wirklich deutlich wird, ist das Hexenfliegen: Alle halbe stunde selbstbeherrschungsproben die sich jedesmal um 1 punkt erschweren? Wenn gerade keine Raubvögel und Drachen am Himmel sind? (dämonen werden an der Stelle im MDSA nicht erwähnt) Mit anderen Worten: Die Hexe kann fliegen, aber sie kann nicht irgendwohin fliegen. Also... bei so einer Regel gehts nur um eine einzige Sache: Wenn der Meister nicht will dass die Hexe irgendwohin fliegt, invoziert er diese Regel. Klar, mit fliegen macht man ne ganze menge kaufabenteuer kaputt. Oder die Hexensalbe - wirkt halbes Jahr, hexenzirkel und so. Wer also nicht an jedem zweiten Spielabend ein hexenfest zu besuchen ausspielt, fliegt ebenfalls nicht, wenn der meister nicht will. Wozu? Damit man besser railroaden kann. Die Unfähigkeit, in der Luft zu zaubern, ist vergleichsweise nur noch balancetechnisch zu sehen.
Wieso gibt man einem charakter eine Coole Fähigkeit, die man gleich in der folge (durch Regeln) bis zur völligen Unbrauchbarkeit verstümmelt? Nur damit der durchsetzungsschwache Meister, der das Railroad-Abenteuer auf den Schienen halten will, sich auf die Regeln berufen kann. Sind derart ausführliche Regeln zur einschränkung von Charakterfähigkeiten nötig? Nur, wenn man hauptsächlich auf Railroading abzielt.
Aber es wird natürlich nur noch schlimmer. DSA3-Zaubermodifikation (Mysteria Arkana 49) die Flimflam-Farbe ändern. 2 Monate intensivem Studium mit total 6 erschwerten proben. 6 Monate um einen BlitzDichFind mit doppelter Wirkungszeit (und doppelten AsP kosten!) zu entwickeln? Und dann im seitenkasten natürlich: Ja, MEISTERpersonen dürfen sowieso freizaubern so viel sie wollen.
Dämonenbeschwörung nach DSA3? Oh, vergiss es. Stufe 10 und paktierend und alles und die chancen dass selbst die schwächlichsten Dämonen den Magier sofort angreifen sind so absurd hoch dass niemand es tun würde. (Jaja, wurde im CS etwas gelockert) Also wozu Regeln für Dämonenbeschwörung? Nur weil jeder winz-schwarzmagier sich problemlos eine Dämonenarmee besorgt. (Zugegebenermassen ist in den Abenteuern das Thema "die diener des schwarzmagiers wenden sich gegen ihn" recht häufig vertreten)
Artefaktherstellung. Muss man irgendwas dazu sagen? Kann man als Spieler irgendwelche gescheiten Artefakte herstellen, wenn der Meister nicht massiv die Regeln ignoriert? Nein, Artefaktmagier sind nach strenger Regelauslegung eigentlich bloss Fluff, die einzigen mächtigen Artefakte fallen quasi vom Himmel.
Überall im Regelwerk findet man so kleine Hinweise. Die Regeln geben den Charakteren irgendeine coole Fähigkeit in einem Absatz - Und zerschinden diese Fähigkeit dann auf den nächsten 3 Seiten mit Einschränkungen bis zur völligen Unbrauchbarkeit. Das ist - und ich spreche hier von meinem persönlichen Eindruck - die typische Vorgehensweise in den Regelwerken. Besonders bei Zaubern. Aber woher kommt diese Vorgehensweise?
Intuitiv sagt man, dass den Charakteren die gleichen Möglichkeiten offenstehen müssten, wie den NPCs, also den Gegenspielern. Also wenn jeder hinz-und-kunz-Schwarzmagier in den Schwarzen Landen ein Dutzend mehrgehörnter Dämonen aus dem Handgelenk schütteln kann, warum können das die Spieler dann nicht? Spieler rebellieren, wenn Meistercharaktere etwas tun, was sie selbst nicht tun können. Wenigstens, wenn es nicht rationalisiert wird.
Gerade Beschwörungen sind regeltechnisch bis zur Unspielbarkeit komplex. Die komplexität dient nicht mehr dazu, irgendwelche Antworten zu liefern. Die Komplexität dient nur noch dazu, als Meister die SC-Fähigkeiten willkürlich einzuschränken, während man gleichzeitig Meistercharakteren diese Fertigkeiten implizit zusagt.
Das ist Spieler-Kleinhalten. Wurde hier auch irgendwo gesagt. Was nicht verstanden wird, ist dass Spieler-Kleinhalten eine zwangsläufige Komponente von Railroading ist. Railroading funktioniert in der Praxis oft so: Links ist [Unlösbares Problem] und Rechts sind die Schienen. Es wird die illusion von Handlungsfreiheit gegeben, die keine ist, weil die Spieler eben nicht nach Links gehen sollen. Das kann man aber nur mittels Spieler-Kleinhalten: sobald die Spieler mächtig genug werden, um "Unlösbare Probleme" zu lösen, kann man nicht mehr effektiv railroaden, da der Meister in seiner Fähigkeit eingeschränkt wird, die Spieler an die Stelle zu dirigieren, an die sie kommen sollen. Die Regeln unterstützen eben den Railroad-Stil indem sie ständig hinweise geben, wie irgendwelche Fähigkeiten einzuschränken sind, natürlich auf Arten und Weisen (bescheuerter Aufwand und Komplexität) so dass es schlussendlich doch nur Meistercharaktere sind, die derartige Fähigkeiten sinnvoll einsetzen können.
Man kann natürlich auch auf andere Art und weise Railroaden. Beispielsweise, indem man als Meister den Spielern vorschreibt, wie sich ihre Charaktere verhalten. Dann werden aus heiterem Himmel Mut- und Angst- und Talentproben und wasweissich abverlangt, wo man an anderer Stelle wegen Spielfluss problemlos darauf verzichtet hat. Und das ist dann der Meister, der nach DSA-Auffassung beim "Guten Rollenspiel (tm)" nachhilft, wenn er in wirklichkeit nur Railroadet.
Aber: Die Regeln sind sehr explizit darauf ausgelegt, Spieler klein zu halten, und regen den SL auch immer wieder dazu an, eben das zu tun. Und Spieler-Kleinhalten per Regeln dient nur Railroading. Ist Railroading. Hat keinen anderen Sinn als Railroading.
Wenn die DSA-Regeln darauf abzielen, Spieler kleinzuhalten, dann sind die DSA-Regeln Railroad-Regeln.