Qualität selber stellt nur den Nutzen dar und den Nutzen eines Rollenspiels ist subjektiv und basiert auf den Vorlieben des Spielers, oder?
Versuchst du gerade den Nutzen Kulturgütern, meinetwegen auch Kunst, am Nutzen festzumachen? Welchen Nutzen hat denn bitte ein Gemälde? Ist
Guernica von Picasso ein schlechteres Bild als eine Postkartenmalerei, weil es auf Grund des riesigen Formats von etwa 3x8 metern quasi nirgendwo reinpaßt und daher eher unpraktisch ist? Wo liegt der Nutzen bei einem Roman? Und ich mein jetzt nicht die Bahnhofsliteratur, die man sich zur Überbrückung langer Zugfahrten zulegt, sondern um..
Die Suche nach der Verlorenen Zeit, oder
Ulysses, also so richtige anspruchsvolle Schwellenwerke.
Bei einem Hammer, meinetwegen auch einem Auto (wobei es da auch schon schwammig wird) ist Zweckmäßigkeit ein relevanter Faktor; bei einem rein intellektuellen, literarischen Medium wie Rollenspielen oder Literatur ist das keine relevante Frage mehr.
Ich würde mal die gewagte These in den Raum stellen, dass sich die Qualität von Rollenspielen, sowohl was die Produkte als auch die Umsetzung innerhalb einer Spielgruppe an den eigenen Ansprüchen und dem Erreichen oder wenigstens stetigen Streben dieser Ansprüche, sowohl auf rein handwerklicher Ebene, sprachlicher Ebene aber auch und vor allem auf intellektueller Ebene. Der Anspruch an sich selbst, nicht nur als jemand der Spaß hat, oder jemand, der als Entertainer auftritt zu sein, sondern an sich selbst den Anspruch zu stellen, Kunstwerke zu schaffen, so vergänglich sie in der Medium des Rollenspiels auch sein mögen.
Ein gutes Rollenspiel wäre dann eines, dass die Auseinandersetzung mit komplexen Themen fördert oder notwendig macht, bei dem komplexe Erzählstrukturen und die Auseinandersetzung mit auch schwierigen Zusammenhängen erwünscht sind, und von den Mitspielern erwartet werden kann, dass sie ihr möglichstes tun, um partizipativ zum Gelingen des Spiels beizutragen und auch den Anspruch an sich selbst stellen, sich eben nicht mit dem Mittelmaß zu Frieden zu stellen. Denn Qualität bedarf Anspruchsdenken und teilweise auch schlicht Arbeit.
(Daran kann man auch übrigens gute Rollenspieler erkennen: Das sind die Leute, die bereit sind, sich im Zweifelsfall auch mal den Arsch aufzureissen).
Das soll jetzt nicht heißen, dass ein Spiel, dass primär unterhalten soll, schlecht sein muss; schlecht wird ein Spiel erst dann, wenn man sich dumm stellen muss, um es überhaupt genießen zu können.
Wie gesagt, ich finde diese Gleichmacherei weder positiv noch stichhaltig. Meines Erachtens kann man die Qualität eines Rollenspiels genauso diskutieren wie die Qualität eines Buchs oder eines Films. Der einzige Unterschied ist das Fehlen der Siskels, Eberts oder Ranitzkis, deren Urteil versiert, fundiert und auch eine gewisse Allgemeingültigkeit hat.
Das Fehlen derselben bietet sowohl eine gewisse Freiheit, sorgt aber auch gleichzeitig für Unverbindlichkeit. Daher muss halt jeder für sich selbst anfangen, den eigenen Qualitätsmaßstab hinterfragen und gegebenenfalls erweitern und falls nötig auch kritisch Stellung beziehen und reflektiert
Reines „Systembashing“ auf der Ebene des persönlichen Geschmacks ist in der Tat eher nutzlos. Fundierte und wohl überlegte Kritik hingegen ist mit das wertvollste, was man als denkender Mensch bieten kann.